Horst Seehofer: Abschied ist (k)ein scharfes Schwert

Wenn alle Kämpfe ausgefochten sind, wird es eben Zeit, den geliebten Feind zu umarmen. Besonders dann, wenn er im gleichen Boot sitzt.

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War er innerlich längst zurückgetreten, wann wirft er in Echtzeit das Handtuch, nur als Parteichef oder auch als Bundesinnenminister und in welcher Reihenfolge wird das wenn, dann geschehen?

Die Zeit titelt wenig pietätvoll: „Na endlich“, fast so, als glaube das Blatt mit dem dramatischen Auflagenschwund tatsächlich daran, mit dem Abgang Horst Seehofers als Parteichef der CSU und als Bundesinnenminister würde irgendeine Wende eintreten. Wie auch, wenn niemand konkret sagen kann, wohin man sich eigentlich wenden sollte.

Seehofer ist auch ein Beispiel dafür, wie schwer es ist, gegen den orchestrierten Mainstream zu regieren. Er gilt als „umstritten“, weil er die Einreise schon einmal abgeschobener Asylbewerber verhindern wollte. Also gerade jener, die meist wegen schwerer Straftaten aufgefallen sind – jetzt sollen sie wieder kommen dürfen in den hübschen deutschen Sozialstaat. Und zweitens hat er sich nicht sofort von seinem Verfassungsschutzpräsidenten getrennt, der das große Vergehen beging, die Wahrheit gesagt zu haben: Es gab keine „Hetzjagden.“ Die Wahrheit hat es schwer in einem Land, das beschlossen hat, seine Ziele der Masseneinwanderung blindlings zu verfolgen. Von den Fakten ist keine Rede mehr – es gnügt, dass Seehofer irgendwie ärgerlich war, den warmen Mief des Berliner Konsenses durchlüften wollte. Und jetzt? Merkel kann jetzt ungehindert weitere Einwanderung ermöglichen und Abschiebungen verhindern.

Aber eine Blaupause gibt es dann doch: Die Grünen. Mit dem verjüngenden Wechsel der Führungsspitze hin zu Habeck und Baerbock hat die ehemalige Öko-Partei seit der Bundestagswahl in den Umfragen fast unwirklich zweistellig zugelegt.

Nun gehört zum Parteivorsitz der CSU nicht ein glaubwürdiges Angebot einer neuen politischen Vision, sondern viel eher noch die Abkehr von gescheiterten Visionen der Vorgänger und die Rückkehr zu dem, was Bayern ausmacht: Berechenbarkeit in den Positionen und das Bekenntnis zu politischen Traditionen. Wenn also die Süddeutsche titelt: „Markus Söder, Machtmensch ohne Vision“, dann darf Bayern aufatmen?

Nun kann man Markus Söder nicht freisprechen von Visionen. Aber die seinen sind keine politischen, sondern knüpfen da an, wo Bayern schon immer visionär war: in Technologie und Wirtschaft. Dann, wenn Söder als Ministerpräsident ein Bündel anspruchsvoller Technologie-Pläne verspricht. Der eine oder andere mag darüber grinsen, wenn zu diesen Visionen auch ein Raumfahrtprogramm „Bavaria One“ gehört, aber zum Schmunzeln ist hier allenfalls der Name des Projektes, wenn Bayern zusätzlich 700 Millionen Euro investieren will für den Bau eines Satelliten und den Aufbau der größten Raumfahrtfakultät Europas.

Wenn es allgemeiner Konsens ist, dass er es wäre, dann müsste auch benannt werden können, woran Horst Seehofer gescheitert ist. Ist er überhaupt gescheitert? Als sich die Gerüchte um einen Doppelrücktritt Seehofers verdichteten, meldet sich Katrin Göring-Eckardt am lautesten zu Wort, der es nicht schnell genug gehen kann, wenn sie Seehofer auffordert, umgehend als Bundesinnenminister zurückzutreten. Seine Politik sei „ein Sicherheitsrisiko“ für die Gesellschaft. Und ihre Begründung darf getrost bizarr genannt werden, wenn ausgerechnet die Grünen-Fraktionschefin fordert: „Wenn es um die Innere Sicherheit in unserem Land geht, darf es keine weitere Hängepartie geben.“

Horst Seehofer also als Bundesinnenminister ein Sicherheitsrisiko für die Innere Sicherheit. Darauf muss man erst einmal kommen. Was sie genau damit meint? Seehofers Politik der Ausgrenzung und Spaltung sei „ein Sicherheitsrisiko“ für die Gesellschaft. Sagt jene Göring Eckardt, die einst bei Anne Will äußerte: „Dieses Land wird sich verändern. Und es wird sich ziemlich drastisch verändern. Und es wir ein schwerer Weg sein, aber dann glaube ich, können wir wirklich ein besseres Land sein. (…) Das ist wahrscheinlich sogar noch mehr als die deutsche Einheit, was wir da erreichen können.“

Für dieses „mehr als die deutsche Einheit“ stand Seehofer im Wege? Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, stimmt das sogar. So wirkarm und ergebnislos es am Ende auch war, wer jemanden sucht, der sich Unions-intern gegen Angela Merkels Zuwanderungspolitik gestellt hat, dann war das Seehofer. Zukünftige Betrachtungen kommender Generationen werden diesen Sachverhalt noch genauer herausarbeiten, wenn es darum geht, zu fragen, warum sich niemand Merkels Politik entgegenstellte. Und dann wird die Taschenlampe auf Horst Seehofer gerichtet sein. Aus seinem Innenministerium kamen nun auch jene Geheimpapiere, die belegen sollen, dass die Grenzschließung 2015 rechtlich möglich war.

Nun gibt es zu Horst Sehofer eigentlich nur zwei Lesarten: Entweder er war innerhalb der Union bzw. der großen Koalition zu bissig oder zu zahnlos. Seehofer gibt die Antwort selbst. Und er gibt sie ausgerechnet im Zusammenhang mit Merkels Rücktritt vom Parteivorsitz der CDU, wenn Seehofer hier nicht nur sein Bedauern ausdrückt, sondern in Richtung Merkel äußert: „Es ist schade. Ich sage ausdrücklich: Es ist schade“.

Er sagt das nicht irgendwo, sondern beim Besuch eines neuen Ankerzentrums für Asylbewerber im saarländischen Lebach. „Wir haben uns manche Diskussionen geleistet, aber es war immer eine vertrauensvolle, vom gegenseitigen Respekt getragene Zusammenarbeit. Und insofern finde ich es schade, dass nun diese Zäsur stattfinden soll.“ Respekt, Bedauern, Zuneigung gar?

Nein, so spricht jemand, der im Nachbarland die Monarchie fallen sieht und die Schatten schon über dem eigenen Haupt wahrnimmt, was dann zu Äußerungen jenseits der Nachvollziehbarkeit führt, wenn Seehofer weiter meint, die Zusammenarbeit mit Merkel sei „schon eine sehr, sehr lange fruchtbare Zeit“ gewesen. So versöhnlich spricht nur, wer sich bereits im selben untergehenden Boot sitzen sieht.

Wenn alle Kämpfe ausgefochten sind, wird es eben Zeit, den geliebten Feind zu umarmen. Besonders dann, wenn er im gleichen Boot sitzt. So mag man dem Bayern auch seine Plattitüden entschuldigen, wenn er mit Blick zurück nicht etwa die gescheiterte Abwehr der anhaltenden unkontrollierten Massenzuwanderung bedauert, sondern schon vor 14 Tagen glaubte zu wissen, dass die Koalition erzielte Ergebnisse nicht ausreichend habe vermitteln können. „Es ist unser eigenes Verschulden. Die Kommunikation darüber hat zu wenig stattgefunden.“

Alles nur ein Kommunikationsproblem? Oder am Ende doch auch eine große Risiko- und Konfliktscheu, wie sie etablierte Politiker nach Jahrzehnten befällt. Die aber eines nie bleibt: folgenlos.

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Kommentare ( 65 )

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AngelinaClooney
6 Jahre her

Seehofer war 2015 einer der wenigen Politiker, der erkannte, welche Umwälzungen auf unser Land zukommen werden. Ich habe lange gehofft, er werde das Ruder in die Hand nehmen und dieser Masseneinwanderung ein Ende bereiten. Er konnte leider gegen die „grüne Wand“ aus veröffentlichter Meinung und Lichterketten nicht ankämpfen. Unser Land fährt gegen die Wand.

RJacob
6 Jahre her

Was ist Seehofer in den letzten Jahren kritisiert worden: Bettvorleger, Drehhofer usw. Ich habe das lange auch so gesehen, habe aber eine zwischenzeitlich differenzierte Sicht. – er war der einzige aus der ersten Reihe, der offen angesprochen hat, was in DE schief läuft und wer der Adressat ist und ja er ist mit Ankündigungen immer wieder umgefallen aber auch weil er gespürt hat, dass auch in seiner Partei keiner dahinter steht, das sind besonders die jenigen, die aktuell seinen Rücktritt fordern. In der CSU besinnt man sich lieber abgehalfterten wie Weigel oder Merkeljünger wie Weber und hat nicht das geringste… Mehr

Protestwaehler
6 Jahre her

Merkel, Drehhofer, jetzt fehlt nur noch der halbe Rücktritt Nahles, dann ist die Verliererkoalition wieder ausgeglichen 😉

Dr. Friedrich Walter
6 Jahre her

Seehofer scheint seine Chance gegen Merkel zu nutzen. Seine politische Karriere ist beendet und seine Zeit als Innenminister ist mit Sicherheit nur noch begrenzt. Er kann also nichts mehr verlieren. Die verbleibende Zeit könnte er nutzen, um „aus vollen Rohren“ gegen Merkel zu „schießen“ und wenn er endlich mal „Mumm“ zeigt, wird er es auch tun. Daß die „Geheimpapiere“ zur Rechtmäßigkeit der Grenzschließungen aus dem Innenministerium gerade jetzt veröffentlicht worden sind, scheint mir kein Zufall zu sein. „Feuer frei, Horsti….“!, möchte ich dazu nur sagen, „Du verläßt uns und nimm bitte Mutti mit von der Bühne. Unseren Segen dazu hast… Mehr

Aufgewachter
6 Jahre her

Ich würde mich freuen wenn Horst Seehofer weiter Innenminister bleibt. Letztlich waren es die Medien und der der Mainstream die jedes seiner Worte bis zur Unkenntlichkeit verdrehten. Vergleichbare Taktiken gab es in Deutschland schon einmal, Menschen die eine rechtsstaatliche Verfahrensweise fordern wurden erst kaputtgeschrieben, dann abgeholt und kaputtgemacht.
Wie gestern hart aber fair gesehen sind die arabischen Clans in der Politik angekommen, haben bei den Grünen einen guten Nährboden gefunden und werden sich munter ausbreiten. Ich möchte gerne einen Gegenpol zu dieser Entwicklung.

spindoctor
6 Jahre her

Jedes Wort über diesen Mann ist ein verlorenes Wort – Merkels flankierender Schrankenwärter.

MG42
6 Jahre her

Eine feine Analyse die uns aufzeigt, wo wir mit unserem aktiven PolitikPersonal gelandet sind. Zu KGE verweise ich nur auf die tolle Energiewende, wer Deutschland noch nicht kennt, der sollte in unsere Mittelgebirge fahren und sich an Industrieanlagen freuen, die über 200m in den Himmel ragen. Da hat sich Deutschland sichtbar verändert und nicht zum Vorteil. In der Migrationsfrage ist es auch so – nur nicht so deutlich sichtbar und viel gefährlicher, aber das merken Grüne Ideologen nicht – die sind einfach nur völlig verblendet. Wenn die so weitermachen und eine Wirtschaftskrise zuschlägt, dann gibt es erst “Heulen und Zähneklappern”… Mehr

Wolkendimmer
6 Jahre her

Frau Göring Eckart hier als das zu bezeichnen was Sie ist, bzw. darzustellen versucht, verbietet die Petitesse. Ansonsten altbewährte linksgrüne Taktik. Jemand anderen als das zu bezeichnen was im Grunde für einen selbst zutrifft. Ein Sicherheitsrisiko für dieses Land ist diese Frau allemal. Man könnte annehmen diese Frau hatte die gleichen Lehrmeister wie ADM.

Sonny
6 Jahre her

Alle Aussagen hierzu (Göring-Eckhardt, Seehofer) können nur eins bedeuten: Geistige Umnachtung und/oder grandiose Volksverarschung.

GUMBACH
6 Jahre her

“ … wer jemanden sucht, der sich Unions-intern gegen Angela Merkels Zuwanderungspolitik gestellt hat, dann war das Seehofer.“ Und das glauben Sie wirklich? Aus meiner Sicht hat(te) Seehofer nur eine Aufgabe: Die Konservativen in der Union bei Laune zu halten. Der Mann hat nie ernsthaft gegen Merkel opponiert. Das war alles ein Spielchen der beiden, und das Wahlvieh hat es immer wieder geglaubt. In Wirklichkeit haben Seehofer und Merkel zusammen agiert, wie übrigens Schäuble und Merkel in der Griechenland-Krise auch. Es war alles Show.