Die CureVac-Impfstoff-Pleite – und die Frage nach der Wertmanipulation

Mit seinem Vakzin scheiterte das Unternehmen, an dem sich der Bund mit 300 Millionen Euro beteiligte – angeblich, um es gegen eine US-Übernahme zu schützen. Das profitable Gerücht hatte ein CureVac-Großaktionär in die Welt gesetzt. Politiker halfen dabei. TE hat es entlarvt.

IMAGO / Pressefoto Baumann
Dietmar Hopp, SAP-Gründer und Curevac-Aktionär

Für die Investoren des Tübinger Pharmaunternehmens Curevac bedeutete die Meldung über das Scheitern seiner Impfstoffentwicklung gegen Covid-19 einen Schock: Der Stoff mit dem Code CVnCov erreicht nach ersten Testergebnissen gerade eine Wirksamkeit von 47 Prozent, verglichen mit der Placebo-Gruppe. Damit liegt er weit unter den Anforderungen an ein Vakzin. Nach gegenwärtigem Stand ist Curevac bei dem Impf-Geschäft also nicht dabei.

Die Curevac-Aktie stürzte um über 40 Prozent ab, rund 9,6 Milliarden Dollar Börsenwert lösten sich in Luft auf. Die schlechte Nachricht betrifft allerdings nicht nur Aktionäre – sondern alle Steuerzahler. Denn der Bund war unter merkwürdigen Umständen im Juni 2020 mit 300 Millionen Euro bei der Tübinger Firma eingestiegen. Die Beteiligung des Bundes erfolgte durch eine Kapitalbeteiligung der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die einen Anteil von 23 Prozent kaufte.

„Die Technologie von CureVac hat das Potenzial, neue Impfstoffe und therapeutische Behandlungsmöglichkeiten für viele Menschen zu entwickeln und über den Markt zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung beteiligt sich an diesem vielversprechendem Unternehmen, weil sie erwartet, damit Entwicklungen zu beschleunigen“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier damals.

Größte Anteilseigner an CureVac sind der Milliardär und SAP-Gründer Dietmar Hopp, die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung und – seit 2020 – die Bundesrepublik. Das staatliche Kapital brauchte die Firma nicht wirklich. Aber die 300-Millionen-Spritze erhöhte natürlich den Wert des Unternehmens, das passenderweise kurz danach an die Börse ging. Und noch etwas trieb schon vor dem Börsengang den Aktien-Preis der Firma nach oben: Die Falschnachricht aus dem März 2020, die USA beziehungsweise Donald Trump wollten CureVac kaufen und damit den kommenden Impfstoff gegen Covid den Deutschen wegschnappen. So erzählten es jedenfalls Hopp, mehrere Kabinettsvertreter – und etliche Medien, die diese Räuberpistole ohne jede Recherche übernahmen.

CureVac dementiert angebliches Übernahme-Angebot von Trump
TE war am 16. März 2020 das einzige große Medium, das direkt bei CureVac nachfragte. Das Tübinger Pharmaunternehmen dementierte damals das Gerücht umgehend, die USA – beziehungsweise Präsident Donald Trump selbst – habe für die Übernahme der Firma bis zu eine Milliarde Dollar geboten, um den dort in Entwicklung befindlichen Impfstoff exklusiv für die USA zu sichern. „Wir wissen nichts davon“, sagt CureVac-Sprecher Thorsten Schüller auf Anfrage von TE. „Uns hat niemand ein Angebot unterbreitet. Auch die US-Regierung hat die Behauptung schon dementiert.“

Das – wie sich später herausstellte – für die Aktionäre profitable Gerücht, aufgebracht von der Welt am Sonntag, hatte noch einmal Nahrung erhalten, als Innenminister Horst Seehofer auf einer Pressekonferenz von einer Journalistin der New York Times danach gefragt wurde. Sie wollte wissen, ob die Nachricht über ein CureVac-Übernahmeangebot zuträfe. Seehofer antwortete, mehrere Kabinettskollegen hätten ihm gesagt, es träfe zu. Und auch darüber werde am Montag das Krisenkabinett reden. „Ich weiß nicht, woher Herr Seehofer diese Informationen hat“, meinte CureVac-Sprecher Schüller damals gegenüber TE.

Später stellte sich dann heraus, wer Urheber des Kaufgerüchts war und auch den angeblichen Preis von einer Milliarde ins Spiel brachte: Hopp selbst. Ein konkretes Kaufangebot oder auch nur eine Interessensbekundung, das musste er später einräumen, existierte nie. Gegen den Willen von Hopp hätte sowieso niemand die Mehrheit an CureVac kaufen können. Aber die Geschichte vom Impfstoff-Räuber Trump diente ganz wesentlich zur Begründung für den Einstieg des Staates. Neben der Werterhöhung für die Firma suggerierte dieser Schritt auch, die Impfstoffentwicklung bei CureVac laufe besonders aussichtsreich. Der Kurs startete im Sommer 2020 bei gut 50 Euro. Im Dezember des gleichen Jahres und noch einmal am 7. Juni 2021 erreichte er Gipfel von knapp über 100 Euro.

Nachdem die Vakzin-Entwicklung jetzt vorerst scheiterte, stellt sich erst recht die Frage, ob Hopp im Frühjahr 2020 mit seinem Gerücht eine gezielte Wertmanipulation betrieb – und zwar unter aktiver Mithilfe von Politikern.

Die Namen der Kabinettsmitglieder, die ihm angeblich die Geschichte von der drohenden US-Übernahme erzählte, nannte Seehofer bis heute nicht.

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Kommentare ( 49 )

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49 Comments
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MajorTOm
3 Jahre her

Ich würde den Brei hier nicht allzu heiß kochen. Soweit ich weiß hat sich der Bund auch bei Biontech mit einer halben Milliarde beteiligt und das finde ich absolut in Ordnung – der erste wirksame Impfstoff nach einem neuen System kommt aus Deutschland. Und dass Hopp das nicht nur aus Gründen der Nächstenliebe tut sollte auch klar sein. Der Mann ist Geschäftsmann und wollte den Kurs nach oben treiben, aber einen Betrug oder Wirecard-ähnlichen Skandal sehe ich da nicht. Und sind wir mal ganz ehrlich – bei dem ganzen Geld, was durch Corona angezündet wurde, ist das doch nun wirklich… Mehr

Last edited 3 Jahre her by MajorTOm
Pitt Arm
3 Jahre her

„Wirksamkeit von 47 Prozent“ – Was ist damit gemeint? Die Relative Risikoreduktion (RRR) vermutlich. Die liegt bei Biontech angeblich bei 95%. Allerdings ist die Absolute Risikoreduktion (ARR) der COVID-Impfstoffe insgesamt ziemlich gering. Siehe etwa „Outcome Reporting Bias in COVID-19 mRNA Vaccine Clinical Trials“ von Ronald Brown. Demnach liegt die ARR von Biontech unter 1%, die Anzahl der zu Impfenden um 1 Infektion zu vermeiden bei 142 (Numbers needed to vaccinate, NNV). Aber laut RKI und Pfizer ist der COVID-Impfstoff wirksamer als die Tetanus-Impfung (Tetanus mit rund 80% RRR, aber NNV = 16). Ich bin zugegebenermaßen kein Impfmediziner, aber müsste das… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Pitt Arm
Talleyrand
3 Jahre her

Und noch was: wer sich mal die Zeit und den Verstand, so vorhanden, nimmt und die Methode der Wirksamkeitsüberprüfung ohne Virus unter die Lupe nimmt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Würfeln wäre sinnvoller.

Reiterhofer
3 Jahre her

Von juristischer Bedeutung wäre auch: Hat Herr Hopp seit der Verbreitung falscher Tatsachen und dem Einstieg des Bundes Teile seiner Anteile veräußert und so einen Gewinn realisiert?

Lars Baecker
3 Jahre her

Ich fand es immer ekelhaft, wenn gegnerische Fans bei Spielen gegen Hoffenheim Herrn Hopp wüst beschimpft haben. Heute würde ich mitschimpfen. Und ich hätte auch einen (richtigen) Grund.

Wabu
3 Jahre her
Antworten an  Lars Baecker

Kein Mensch kann auf ehrliche und humane Weise Millardär werden.

Waehler 21
3 Jahre her

Wer wissen will, wer dahintersteckt, sollte einmal die Journalisten fragen, die Seehofer in New York zu der Übernahme durch Trump gefragt haben. Das war eine platzierte Frage um die Seriosität dieses Gerüchtes zu untermauern.
Ort und Zeitpunkt , besser ging es nicht.
Wenn Politiker keine Rechenschaft mehr ablegen müssen, nennt man das Despotie.

simon
3 Jahre her

Hopp wusste ja was kommt und hat sich bestimmt rechtzeitig mit Puts eingedeckt! Cleverle!

Lesterkwelle
3 Jahre her

Er tritt immer wieder das Hauptmotiv für die Verantwortlichen aus dem Dunstkreis von Politik & Big Pharma zutage: Gigantischer Profit, im Mäntelchen der um die Volksgesundheit, ja um das Leben selbst 106-jähriger besorgter Kümmerer-Kümmerinnen -„Mit bricht das Herz…“. Und viele sahnten ab: Hilfen, nicht am Gewinn, nein am Umsatz (!) orientiert, millionenschwere Nebeneinkünfte von Unionspolitiker bei der Masken“vermittlung“, milliardenteure Einkäufe nahezu unbrauchbarer Masken. Und Hopp wäre kein Milliardär, wenn er nicht wüsste, wie man Kohle generiert. Wir ham’s ja, der steuerzahler und die EZB-Druckerpresse sorgen dafür. Deshalb darf die „Pandemie“ nie mehr enden. Merkel warnt vor der indischen Mutation, stellen… Mehr

Wilhelm Roepke
3 Jahre her

Tja, liebe TE-Redaktion, das ist genau der Grund, warum Euch die Mainstreammedien für „rechts“ und „umstritten“ halten: Ihr macht Euren Job. Das kommt nicht gut an, wenn man doch auch voneinander abschreiben kann…?

Gratulation! Früher war das mal die Aufgabe von Spiegel und SZ. Lang ists her.

Gisela Fimiani
3 Jahre her
Antworten an  Wilhelm Roepke

Ihrem Kommentar, Herr Röpke, schließe ich mich an und setze Ihrer Gratulation die Meine hinzu!

taliscas
3 Jahre her

Der Staat als Unternehmer: die nicht endenwollende Geschichte eines Dilettanten, der vor die Hunde ging.