Highlife hat Hochkonjunktur: Champagner-Hersteller fahren in Lockdown-Jahr Rekordumsatz ein

Champagner und Sterneköche haben in Coronazeiten Hochkonjunktur. Nur wer steckt dahinter? Von Gesche Javelin und Benjamin Bugante.

Wenn man sich schon in Krisenzeiten ablenken muss, dann wenigstens mit Stil. Die französischen Champagner-Hersteller machten in diesem Jahr so viel Umsatz wie nie zuvor. Der Vize-Chef des Branchenverbands „Comité Champagne“ Jean-Marie Barillère rechnet dieses Jahr mit einem Rekordumsatz von 5,5 Milliarden Euro, einem etwa zehnprozentigen Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr. Er vermutet die neuen Gewohnheiten in der Pandemie als einen Mitauslöser für den erhöhten Bedarf an Champagner: Alles, was Unterhaltung in den eigenen vier Wänden biete, werde demnach tendenziell stärker nachgefragt.
Demnach können wir also, cum grano salis, schlussfolgern, dass Herr und Frau Müller nun ungleich öfter zur Flasche greifen. Dass sie den 5- oder auch mal 7-Euro-Aldiwein durch den edlen Schaumwein ersetzen, um sich „jetzt erst recht mal ein bisschen mehr zu gönnen“, auch das mag sein. Aber bis mir eifrige Marktforscher in catchigen Instagramvideos das Gegenteil beweisen, lasse ich mich von meiner persönlichen Vermutung nicht abbringen – die da lautet: Die gestiegene Nachfrage von Luxusgütern haben wir unseren tapferen Politikern zu verdanken. Diese These ist empirisch nicht belegt.

Zum Champagner gerne ein Goldsteak

Sowohl meine Intuition als auch meine (noch) bescheidene Lebenserfahrung sagen mir, dass gutes Essen und gutes Trinken sich etwa so eng zusammengehören wie der Talkshowstuhl und Karl Lauterbach. Sie bedingen sich gegenseitig. Auch die Sterneköche verzeichnen eine deutliche Gewinnsteigerung im Pandemiejahr. Ob der angesprochene SPD-Gesundheitsexperte daran gänzlich unbeteiligt war, kann nach jetzigem Stand nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden. (War natürlich damals alles nur Satire.) Mehr hier.

Der verborgene Nutzen der Schaumweinsteuer

Der Champagner-Konsum ist bei den Sozialdemokraten wohl eine Jahrhunderte alte Tradition. Zu Zeiten Kaiser Wilhelms II. wehrten sie sich heftig gegen die Besteuerung ihres geliebten Champagners – ohne Erfolg. Damals betrug die Staatsquote in Deutschland allerdings nur etwa 14 Prozent – mehr als dreimal so wenig wie heute – weshalb die politische Klasse de facto in Armut leben musste. Diese Zustände sind zum Glück überwunden; heute sollten sich unsere gewählten Vertreter sowohl den Champagner als auch das Goldsteak von den sprudelnden Steuereinnahmen gerade noch leisten können.
Und schließlich soll auch Winston Churchill gesagt haben: „Bei Siegen hat man ihn verdient, bei Niederlagen braucht man ihn.“ Da brauchen die Politiker dieses Landes ihn wohl besonders – so oder so.


Benjamin Bugante ist 24 Jahre alt und Student aus Mainz, Gesche Javelin ist 16 Jahre alt und Schülerin aus Niedersachsen. Am Samstag, dem 4. Dezember schreiben auf TE nur junge Autoren. 

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Kommentare ( 5 )

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Marc Je
2 Jahre her

Es sollte bedacht werden, dass Luxusspirituosen als Kapitalanlage dienen können und sicherlich bei dem ein oder anderen Konsumenten einige Kisten im Keller stehen um den Strafzinsen auf dem Bankkonto zu entgehen.

Boudicca
2 Jahre her

Beim letzten großen Zapfenstreich am Donnerstag haben die Korken der französischen Köstlichkeit bei den Salonbolschewisten geknallt. Bestimmt wurden in Paris die regionalen Erzeugnisse ausgiebig verköstigt und Rom kann sie sich jetzt ganz offiziell leisten. Auf Europa hochgerechnet ist ein Umsatz von 5,5 Milliarden eher noch bescheiden, da ist in Zukunft noch was drin.

Ronaldo
2 Jahre her

Sehr interessant. Ich hatte unlängst gelesen, dass die „harten Sachen“ während Corona gut „gelaufen“ sind. Das sieht man auch an der Aktienkursentwicklung von Diageo und Pernod Ricard. Bier und Bieraktien wie Heineken und AB-Inbev liefen hingegen nicht so gut. Champagner liegt eher im „mittelprozentigen“ Bereich. Reine „Sektaktien“ sind relativ selten. Ausnahme ist Schloss Wachenheim. Die liefen gut. Eine weitere Ausnahme ist Vranken Pommery. Die liefen nicht so gut. Bei der Interpretation des Champagner-Verbrauchs würde ich aber zur Vorsicht raten. Der wird inzwischen weltweit „gesoffen“. Auch in Asien. Und auch die Schaumweinsteuer in Deutschland dürfte auf den Champagnerverbrauch wenig Einfluss haben.… Mehr

Holsteiner Jung
2 Jahre her

Meine Erfahrung beim wöchentlichen Einkauf beim Discounter, fast alles
reichlich vorrätig, im Bereich Wein/Sekt etc. jede Woche wieder Lücken.
Auch Schnaps mit Lücken größerer Art. Im Gespräch mit Verkäuferin sagte sie,
ja, seit Corona deutlich mehr verkauft in den Produktgruppen. In dem
Sinne PROST!

kasimir
2 Jahre her
Antworten an  Holsteiner Jung

Klar. Es ist ein Teufelskreis. Die Leute müssen zuhause in ihren vier Wänden bleiben, zusätzlich haben wir auch noch Winter. Viele versuchen dann, ihren Gemütszustand mit Alkohol zu heben. Ist ja auch nichts dagegen zu sagen, wenn man sich mal gepflegt die Kante gibt. Es sollte nur nicht ausarten.
Alkohol kombiniert mit dem Lockdown: da sind Depressionen gerade zu garantiert. Und so schliesst sich der Kreis. Man liest ja auch von mehr und mehr depressiven Patienten und Suiziden sogar bei jüngeren Menschen. Psychologen und Psychater haben Hochkonjunktur, wen wunderts?