Hamburg-Wahl: Seit‘ an Seit‘ – Mit neuer Bescheidenheit in die neue Zeit

Noch sind es nur die Nachwahlbefragung – und eine erste Hochrechnung, die identisch aussieht. Doch sie senden klare Signale.

Sean Gallup/Getty Images

Peter Tschentscher von der SPD liegt bei 38 Prozent. Damit ist die SPD eindeutig der größte Verlierer. Denn noch vor fünf Jahren lag die Partei Helmut Schmidts bei 45,6 %. Früher hätte ein Parteivorsitzender und Spitzenkandidat, der seine Partei um rund acht Prozentpunkte herunterfährt, seinen Hut nehmen müssen. Trotzdem sind die Sozialdemokraten „superglücklich“, wie Ex-Bürgermeister Olaf Scholz umgehend wissen ließ. Auch das ist nachvollziehbar: Bundesweit dümpelt die SPD nach dem Theater um die Vorstandsbestimmung irgendwo zwischen 13 und 14 %. Angesichts dieser Ehrenrettung wird Tschentscher zum neuen starken Mann der Bundes-SPD – welcher Sozialdemokrat konnte in der jüngeren Vergangenheit noch von sich behaupten, trotz Stimmenverlust einen eindeutigen Regierungsauftrag zu bekommen? Doch Tschentscher ist nicht Bundes-SPD. Er repräsentiert eine Sozialdemokratie, die sich im Bund längst in die Geschichte verabschiedet hat. Und so wird die neue Bescheidenheit der SPD mehr als deutlich – zwei blaue Augen und wackelig auf den Beinen, aber mit vermutlich grün geschienten Krücken weiter an der Macht. 

Die einzigen Wahlgewinner sind die Grünen

Womit wir bei den eigentlichen Gewinnern sind. Die Grünen mit Katharina Fegebank liegen bei gut 25 %. Damit haben die Klimadamen ihr Ergebnis mehr als verdoppelt, kommen sie doch von 12,3 %. Fegebank drängt darauf, weiterhin Regierungspartner zu sein. Sollte es so kommen, wird die Opposition in der Bürgerschaft zur Makulatur. Denn SPD und Grüne bringen es vermutlich auf zwei Drittel der Parlamentssitze.

Gefleddert liegt die CDU am Boden. Hofften die Christdemokraten 2015 noch, mit den damals erzielten 15,9 % einen Allzeitsockel des nicht mehr zu Unterbietenden erreicht zu haben, zeigt 2020: Tiefer geht immer! Nur noch 11 % – damit ist die CDU in der Hansestadt auf dem Niveau einer Splitterpartei gelandet. Spitzenkandidat Marcus Weinberg, der 2015 als Landesvorsitzender die Verantwortung für die damaligen Verluste übernahm und seinen Rücktritt erklärte, war kein Zugpferd. Inhaltlich zu sehr Sozialdemokrat, gab es für Hamburgs Wähler keinen Grund, eine Soft-SPD ohne eigene Machtperspektive zu wählen.

Ähnlich geht es der FDP. Sie liegt in Nachwahlbefragung und erster Hochrechnung bei 5 %. Damit wird sie bis zur Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses bangen müssen, ob die Partei noch im Landesparlament vertreten sein wird. In der Sache allerdings spielt das keine Rolle. Wie in der jüngeren Vergangenheit wird die FDP, sollte sie die Oppositionsbank drücken dürfen, nichts bewegen.

Halbwegs glücklich dürfen die Kommunisten der SED-Nachfolgepartei sein. Sie konnten ihr 2015-Ergebnis von 8,5 % halten, vermutlich sogar leicht ausbauen. Von links treiben werden jene, die Berliner DDR-Senatspolitik in Hamburg kopieren wollten, die künftige Regierung nicht.

Einen Rückschlag musste die AfD hinnehmen. In Hamburg nie wirklich verankert, deuteten die Nachwahlbefragungen auf 4,8 % hin. Die Anti-Rechts-Aktivisten feierten – aber offenbar zu früh. Denn je später die Hochrechnung, desto mehr für die AfD. Bei der ARD um 20.47 h bei 5,1, hat der Landeswahlleiter bei seiner Stichprobe sogar 5,6 % hochgerechnet. Bestätigen sich die letzten Zahlen – jene 4,8 dienten den ÖR-Medien noch dazu, die AfD bei der NDR-Diskussion auszuschließen – haben Medienvertreter und das Kartell der Altparteien zu früh gejubelt.

Doch egal, ob AfD und FDP vertreten sind oder nicht: Die rotgrüne Koalition wird in Hamburg so oder so keine Opposition mehr haben. Insofern könnte die SPD darüber nachdenken, die schwarzen Wahlverlierer an den Katzentisch im Senatssaal zu setzen und die Grünen als machtvolle Opposition im Parlament zu lassen. Tschentscher hätte in einer solchen Konstellation quasi die Chance, seine traditionelle SPD-Politik pur zu machen. Die zwei oder drei CDU-Senatoren würden aus Dankbarkeit alles mittragen.

Wie ist das Ergebnis zu beurteilen? 

Zum einen: In Hamburg durften erstmals junge Leute ab 16 Jahren bei der Besetzung des Landesparlaments mitbestimmen. Die Klimahysterie, rechtzeitig am Freitag vor der Wahl noch einmal mit Gretas Wahlkampfgroßeinsatz gezielt emotionalisiert, dürfte ihren Teil zu dem grünen Gewinn beigetragen haben. Als Meister des Populismus sind die Grünen in der Hansestadt mittlerweile eine Art Volkspartei. Damit wird der Umbau der Verkehrslogistik mit dem ausgewiesenen Ziel, das Auto durch das Fahrrad zu ersetzen, ebenso intensiviert werden wie das Zubauen der städtischen Freizonen mit sozialem Wohnungsbau.

Die SPD bleibt Hamburg-Partei. Für die Bundesentwicklung der Sozialdemokraten sagt dieses, allem aktuellen Jubel der Parteigranden zum Trotz, nichts aus. Gewählt wurde nicht der Soft-Sozialismus der Kühnert-Borjans-Eskens, sondern die wirtschaftsfreundliche, pragmatische Politik der alten SPD.

Bei FDP und CDU wird nun die Selbstzerfleischung in die nächste Runde gehen. Das Hin und Her in Thüringen und Berlin lässt beide Parteien in ihrem Profil nicht mehr erkennen. Kein Wille zur Macht, dokumentiert beim schnellen Einknicken nach der gemeinsamen Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsidenten und der Absage Lieberknechts versus behaupteter Tabubruch bei der Unterstützung der Abwahl eines Kommunisten durch die AfD. Was die Wähler tatsächlich von den einstmals bürgerlichen Parteien weggetrieben hat, wird nicht abschließend zu beantworten sein. Der Ausfall der AfD bei gleichzeitigem Niedergang von CDU und FDP wird jenen die Argumente liefern, die sich strikt gegen jegliche Kooperation mit der Rechtspartei aussprechen – und sich damit selbst eine entscheidende Machtoption abschneiden.

Das Auseinanderdriften dokumentiert

Spannender allerdings ist etwas anderes. Denn das Hamburger Ergebnis dokumentiert in erster Linie das Auseinanderdriften der deutschen Gesellschaft. Die Ballungsräume sind sozialistisch dominiert, hier verfängt die Diffamierungspolitik gegen alles, was rechts von der SPD steht, offensichtlich mit dem entsprechenden Erstarken der Linken. Anders sieht es noch in den ländlichen Regionen – und in den 1990 zur Bundesrepublik beigetretenen Bundesländern – aus. Dort treibt das Trommelfeuer des politmedialen Mainstreams die Bürger in die Arme der AfD, weil sie sich in ihren Sorgen und Ängsten von den Altparteien ausgegrenzt fühlen.

Der Rückschlag der AfD wird insofern auf künftige Bundesergebnisse keine nachhaltige Wirkung haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Überschwang des Mainstreams mit seiner Anti-Rechts-Agitation weitere Wähler in die Frustration treiben wird. Da die CDU sich mit ihrer Ausgrenzungspolitik nach rechts und links von ihrem ursprünglichen Markenkern des Machtpragmatismus abgewendet hat und so in der Wahrnehmung des Wählers zum Wurmfortsatz am Blinddarm des links gesteuerten Systemumbaus wird, wird der Anteil der politisch Heimatlosen weiter wachsen. CDU zu weit weg vom christich-bürgerlichen Profil, AfD zu nah dran an den Wirrungen nationalkollektivistischer Vorstellungen – die Unionswähler der Mitte werden heimatlos.

Der Niedergang der CDU wird nicht aufzuhalten sein

Damit ist nun auch der Niedergang der CDU unvermeidbar. Die Vorstellung, durch das Kopieren rotgrüner Politik zur machtvollen Partei der linken Mitte zu werden, ist in Hamburg krachend gescheitert. Die durchdachte und nachhaltige Analyse der Parteisituation des bislang einzigen offiziellen Bewerbers um den Bundesvorsitz, Norbert Röttgen, hat in Hamburg ihre Richtigkeit bewiesen. Aber selbst dann, wenn die Parteibasis inhaltlich den Vorstellungen Röttgens folgen wollen sollte – in der Nomenklatura der Partei stehen die Zeichen auf links.

Damit wird das Fehlen einer echten, bürgerlichen Alternative im Parteienangebot nunmehr virulent. Vielleicht die Chance für Röttgen, nach der Neubesetzung des CDU-Parteivorsitzes mit einem Kandidaten des Weiter-so das sinkende Schiff zu verlassen und es mit einer neuen Union zu versuchen, die sowohl die traditionellen Werte der CDU vertritt, als auch den Willen zu Macht neu entdeckt. Oder aber der Weg in die anfangs noch sanfte Ökodiktatur der linken Systemüberwinder wird nicht mehr aufzuhalten sein. Hamburg wird als Signal gewertet werden, genau diesen Weg zu beschreiten und dabei alles, was sich diesem Weg verweigert, wahlweise als Klimaleugner, Rassist oder Faschist aus dem Kollektiv der gefühlten Glückseligkeit auszugrenzen.

Bei AfD und FDP ist noch viel Bewegung bei den Auszählungen.

— Europe Elects (@EuropeElects) February 23, 2020

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