Frankreich schmiedet eine Allianz für die Atomkraft in der EU

Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire hat gemeinsam mit Ministern anderer EU-Staaten ein Plädoyer für die Atomkraft veröffentlicht. "Warum Europa Kernenergie braucht". Es dürfte vor allem an die künftigen Regierenden in Berlin gerichtet sein.

IMAGO / IP3press
Bruno Le Maire, Frankreichs Finanz- und WIrtschaftsminister

Bruno Le Maire war schon Minister unter Präsident Nicolas Sarkozy, ist ein Kenner der deutschen Politik (und der deutschen Sprache) und als Wirtschafts- und Finanzminister in der obersten Liga der französischen Politik. Wenn Le Maire, der mit seinem Buch Zeiten der Macht. Hinter den Kulissen internationaler Politik aus dem Nähkästchen der Sarkozy-Regierung (und auch der Begegnungen mit Angela Merkel) berichtete, schreibt, dann hat das Gewicht.

Aufruf in europäischen Zeitungen
Nun hat er in Abstimmung mit elf Mitunterzeichnern – kein Deutscher darunter – einen Aufruf in verschiedenen europäischen Tageszeitungen (darunter die deutsche Welt) verfasst, der auch eine indirekte aber deutliche Kritik an der deutschen Energiewende-Politik bedeutet: „Warum Europa Kernenergie braucht“ ist der Titel. Unterzeichnet haben neben Le Maire: Virgil Popescu, rumänischer Energieminister; Dan Vilceanu, rumänischer Finanzminister; Karel Havlicek, tschechischer Industrieminister; Mika Tapani Lintilä, finnischer Wirtschaftsminister; Agnès Pannier-Runacher, französische Staatssekretärin für Industrie; Igor Matovic, slowakischer Finanzminister; Zdravko Maric, kroatischer Finanzminister; Tomislav Coric, kroatischer Wirtschaftsminister; Andrej Sircelj, slowenischer Finanzminister; Jernej Vrtovec, slowenischer Minister für Infrastruktur; Andrey Zhivkov, bulgarischer Energieminister; Tadeusz Koscinski, polnischer Finanzminister; Michal Kurtyka, polnischer Umweltminister; Mihaly Varga, ungarischer Finanzminister.

Man kann darin auch eine inneneuropäische Allianz für die Atomkraft erkennen.

Einige Auszüge aus dem Beitrag:

„Haben wir wirklich den Ehrgeiz, gegen den Klimawandel anzukämpfen und eine energiewirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen, oder nicht? Werden wir uns dabei auch auf unsere besten Ressourcen verlassen, um unsere Wirtschaft zu entkarbonisieren, oder nicht? …

Auch die Verteuerung der Energiekosten ist ein Zeichen dafür, wie wichtig es ist, in Bezug auf die Energieversorgung unsere Abhängigkeit von Drittländern so schnell wie möglich zu reduzieren. Es wird immer häufiger zu Versorgungsengpässen kommen, also können wir gar nicht anders, wir müssen unsere Versorgung diversifizieren. Vor allem sollten wir darauf achten, dass wir unsere Abhängigkeit vom Energieimport aus nicht europäischen Ländern nicht noch vergrößern. …

Kernenergie muss ein Teil dieser Lösung sein. Auch wenn erneuerbare Energiequellen eine Schlüsselrolle bei unserer Energiewende spielen, brauchen wir doch noch weitere emissionsfreie Energiequellen, um unseren Bedarf zu decken, und das auf einem ausreichenden und konstanten Niveau. Und da ist Kernkraft unverzichtbar. Schon jetzt erzeugt sie fast die Hälfte des kohlenstofffreien Stroms in Europa.

Kernenergie ist eine bedeutende, kostengünstige, stabile und unabhängige Energiequelle. Erstens, weil sie verhindert, dass die europäischen Verbraucher Preisschwankungen ausgesetzt sind, wie wir sie derzeit bei den Gaspreisen erleben.

Zweitens, weil sie entscheidend zur Unabhängigkeit unserer Energie- und Stromversorgung beiträgt. Sie bietet eine verfügbare, kohlenstofffreie Energie, die uns eine bedeutende Menge an wettbewerbsfähigem Strom liefert, ohne dabei die Abhängigkeit durch eine Stromversorgung aus Drittländern zu erhöhen. …

Alle wissenschaftlichen Gutachten, die von der Europäischen Kommission bezüglich der Umwelteinflüsse der Kernkraft verlangt wurden, kamen zum selben Ergebnis: Es gibt keinerlei wissenschaftlich fundierte Hinweise darauf, dass Kernenergie weniger klimafreundlich ist als irgendeine der anderen Energiequellen, die in der Taxonomie enthalten sind. …

Wenn wir den Kampf gegen den Klimawandel gewinnen wollen, brauchen wir Kernenergie. Sie ist für uns alle ein unverzichtbarer und verlässlicher Faktor für eine kohlenstofffreie Zukunft. Kurz gesagt: Kernenergie ist eine saubere, sichere, unabhängige und wettbewerbsfähige kohlenstoffarme Energiequelle.

Für uns Europäer bedeutet die Kernenergie eine Chance, eine starke, ausgesprochen rentable Industrie zu entwickeln, Tausende von qualifizierten Arbeitsplätzen zu schaffen, unsere Führungsrolle in Sachen Klimaschutz zu stärken und Europas strategische Autonomie und Energie-Unabhängigkeit zu sichern. Wir sollten diese so entscheidende Chance nicht ungenutzt lassen.“


Unterstützung
oder

Kommentare ( 32 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

32 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Memphrite
3 Jahre her

Die DACH Staaten sind in dieser Beziehung ziemlich gleich. In allen germanischen (in den germanischen Regionen in der CH) Staaten herrscht eine eigentümliche und irrationale Angst vor der „Strahlung“ und der Kernenergie.
Da kann man nichts machen. Liegt wohl irgendwie in den Genen.

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  Memphrite

Ja, total verstrahlt im Kopf die Leute.

Medienfluechtling
3 Jahre her

Mir fehlen Untersuchungen wie Windkraftanlagen das regionale Klima verändern. In Hamburg zum Beispiel scheint die durchschnittliche Temperatur seit Aufstellen der Windräder in der Nordsee um 1,5° gestiegen zu sein.

Ferengi
3 Jahre her

Da die Deutschen – und da vor allem die Politschauspieler – in ihrer ideologischen Weltanschauung auch daran glauben, dass man einen Industriestandort zu 100% mit Wind und Sonne betreiben kann, glauben sie mit Sicherheit auch daran, dass ein Tsunami das Land inklusive seiner Atomkraftwerke verwüsten könnte. Der hierzulande massive Bildungsnotstand seit mehreren Jahren unterstützt derartige Thesen nachhaltig, leider.

Freige Richter
3 Jahre her

Wäre ganz toll, wenn in der gesamten EU (ausser Deutschland) AKWs gebaut würden und Deutschland das auch noch bezahlt. Den Deutschen liegt viel am Wohlbefinden anderer EU Staaten. Dazu noch eine EU weite Arbeitslosenversicherung, mit Geldern aus Deutschland finanziert. Der Club Med wird jubeln.

Wolfgang M
3 Jahre her

Wenn man an den menschengemachten Klimawandel glaubt, und daran glauben fast alle deutschen Parteien ganz fest, ist es ein ausgemachter Unsinn, die Kernkraftwerke abzuschalten. In Japan gab es einen AKW-Unfall aufgrund eines Tsunamis, den es in Deutschland nicht geben kann. Daraufhin beschloss die deutsche Regierung, alle deutschen AKWs abzuschalten und die japanische Regierung ließ ihre vielen AKWs weiter laufen. Nicht, dass es in Japan keinen Wind gäbe. Durch die Insellage gibt es dort viel Wind, aber die Japaner bleiben lieber bei der zuverlässigen Atomkraft. Deutschland verspargelt und verspiegelt lieber die deutsche Landschaft und geht das erhebliche Risiko ein, Blackouts zu… Mehr

Ralf Poehling
3 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M

Das Klima auf Erdern wandelt sich immer und ist nie konstant. Seit es diesen Planeten gibt. Ein rotierender Ball, der seine Gashülle nur durch Anziehungskraft hält und dabei auch noch von einem anderen Ball umkreist wird, der ebenso eine Anziehungskraft hat, ist kein stabiles System in dem immer alles gleich bleibt. Hinzu kommt die Sonnenstrahlung, die andauernd variiert und die Erdoberfläche fortwährend ungleichmäßig erhitzt. Dass die Menschen in diesem System Einfluss nehmen, ist unbestreitbar. Aber der Einfluss ist vergleichsweise klein bis irrelevant. Und dann stellt sich noch die Frage, inwiefern die von der Politik durchgesetzten Maßnahmen die richtigen sind, um… Mehr

Rosa Wissmann
3 Jahre her

Zu schön um wahr zu sein.

Thorsten
3 Jahre her

Uran gibt es auch in Australien, Kanada und Russland. Die Franzosen wollen sich nur als Kolonialmacht aufspielen.

Thorsten
3 Jahre her

Offensichtlich hat Merkel diese Allianz verhindert. Es ist schon wenig erstaunlich, dass wenige Tage nach ihrer Abwahl ein solch weitreichender Vorschlag kommt. Das geschieht nicht über Nacht.
Es scheint so, als ob die Grünen nicht brüskiert werden sollten.

Timur Andre
3 Jahre her

Daran sieh man den Irrsinn der dt. Politik

Harald Kampffmeyer
3 Jahre her

Gut an diesem Ansatz ist, dass dem deutschen Wahn, Kernenergie zu verteufeln, entgegengetreten wird.
Übel ist jedoch, dass der Oberwahn, eine „Dekarbonisierung“ sei nötig, gehuldigt wird. Es gibt keine „Klimafreundlichkeit“ oder „Klimaunfreundlichkeit“ der Energieversorgungssysteme. Sie sind nur gut geeignet oder ungeeignet, billig oder teuer.
Da CO2 kein Treibhausgas ist, ist Stromherstellung aus Kernkraft oder Kohleverbrennung gleich „klimaneutral“. Jedoch führt CO2-Freisetzung zu höherer Photosynthese der Pflanzen und läßt die Erde ergrünen.