Flüchtlingspolitik: Die Wende schaffen die Anderen

Sigmar Gabriel lobt sich, die Kanzlerin und die Koalition für die Wende in der Flüchtlingspolitik. Doch die Wende schaffen die Länder entlang der Balkan-Route, die dafür wiederum kritisiert werden. Wieviel Doppelmoral erträgt die Politik in Europa?

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Also sprach Sigmar Gabriel: Die Wende in der Flüchtlingspolitik habe längst stattgefunden. Als Vizekanzler und SPD-Vorsitzender muss er es wissen. In der Tat: Es hat sich einiges geändert seit der bedingungslosen Grenzöffnung im Spätsommer vergangenen Jahres. Denn der „Wir-schaffen-das“-Optimismus der Kanzlerin, vom Koalitionspartner SPD freudig geteilt, erwies sich schnell als wenig realistisch.

Zwar steht auf dem Berliner Spielplan noch immer das Stück „Wir schaffen das“. Doch mit den Asylpaketen I und II hat sich einiges verändert: Die Westbalkan-Staaten sind inzwischen zu sicheren Herkunftsländern erklärt worden, weshalb der Zustrom von dort mehr oder weniger zum Stillstand gekommen ist. Selbst rot-grün regierte Länder schieben inzwischen verstärkt ab und an den Grenzen gibt es, wenn ein Ankömmling nicht schnell „Asyl“ sagt, die eine oder andere Zurückweisung. Wären diese Regeln schon vor einem Jahr in Kraft gewesen, wäre die Zahl der Zuwanderer etwa um 300.000 niedriger gewesen.

Die entscheidende „Wende“, von der Gabriel mit verhaltenem Stolz spricht, hat freilich außerhalb Deutschlands stattgefunden. Weil die Länder entlang der Balkanroute das machen, was Berlin nach wie vor strikt ablehnt, nämlich die Grenzen wieder als Grenzen zu behandeln und nicht als fiktive Markierungslinien, ist der Zustrom nach Deutschland spürbar abgeebbt. Das, was die deutsche „Willkommenskultur“ so alles mit sich bringt, hat sich nun nach Griechenland verlagert. Wie lange das so bleibt, steht jedoch in den Sternen.

Von dem Rechtsphilosophen Ernst-Wolfgang Böckenförde stammt der Satz, der freiheitliche Staat lebe von Voraussetzungen, die er selbst nicht schaffen könne. Die Flüchtlingspolitik der GroKo lebt derzeit auch in erster Linie von Voraussetzungen, die sie selbst gescheut hat: nämlich von den Grenzschließungen und Grenzkontrollen anderer.

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