Fed-Chef kann sich schärfere Zinswende vorstellen als bislang geplant

Erst signalisierte die Fed am Mittwoch, dass sie die Zinserhöhungspläne wie angekündigt weiter verfolgen will. Doch dann wich Fed-Chef Jerome Powell vom Skript ab. Die Inflation habe sich „leicht schlimmer“ entwickelt, als von ihm erwartet, sagte Powell.

IMAGO / Kyodo News
Jerome Powell, Vorsitzender der U.S. Federal Reserve bei einer Pressekonferenz am 26.1.2022

Fed-Präsident Jerome Powell kann sich vorstellen, dass die Fed entschiedener gegen die Inflation vorgeht als bislang geplant. Das geht aus Aussagen auf einer Pressekonferenz am Mittwoch hervor. Auf den Finanzmärkten gab es anschließend Kursverluste. Bislang stand im Raum, dass die Fed in diesem Jahr den Leitzins in drei Schritten um jeweils 0,25 Prozentpunkte anheben könnte. Der Leitzins würde also zum Ende des Jahres in der Spanne von 0,75 bis 1 Prozent liegen.

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Die Fed selbst bekräftigte diesen Kurs am Mittwoch. Man werde den Leitzins „bald“ über die derzeitige Spanne von 0 bis 0,25 Prozent setzen, heißt es in einer Mitteilung des zinssetzenden Offenmarktausschusses. Die Wertpapierkäufe sollen demnach bis Anfang März auf Netto-Null sinken. Langfristig wolle man vor allem Staatsanleihen halten. Wann die Fed Wertpapiere verkauft und somit die Geldmenge und die Bilanz verkleinert, ließ die Mitteilung offen. „Der Ausschuss geht davon aus, dass die Reduzierung der Bilanzsumme der Federal Reserve beginnen wird, nachdem der Prozess zur Erhöhung des Zielbereichs für die Federal Funds Rate [den Leitzins] begonnen hat“, erklärte die Fed.

Doch Jerome Powell redete in der anschließenden Pressekonferenz frei und hielt sich nicht streng an den Inhalt der Mitteilung. Der frühere Investmentbanker ließ offen, ob die Fed den Leitzins im Jahr 2022 bloß in 0,25-Prozentpunkten-Schritten erhöhen wird, oder ob sogar eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte kommen könnte. Auch die Frage, ob die Bilanzverkürzung schon im März oder erst im Sommer anstehen wird, ließ Powell offen. Das müsse der Offenmarktausschuss beim nächsten Treffen am 15. und 16. März diskutieren, sagte er (siehe hier und hier).

Der Fed-Chef sagte stattdessen, dass sich Arbeitsmarktdaten und Wachstumszahlen sehr positiv entwickelt hätten. Bloß bei der Inflation sei die Lage “leicht schlimmer” geworden, als er das noch im Dezember erwartet habe. Im Jahr 2022 werde die Kerninflationsrate wohl einige Zehntel-Prozentpunkte höher ausfallen, als er bislang angenommen habe. Die Aussichten seien aber sehr unsicher und die Fed müsse sich flexibel anpassen, betonte der promovierte Jurist mehrmals.

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Die Finanzmärkte reagierten prompt. Der US-Leitindex Dow Jones stieg nach Erscheinen der Mitteilung zuerst leicht an. Als Powell dreißig Minuten später vor die Presse trat, ging es aber bergab. Der Dow Jones verlor zwischenzeitlich rund 600 Punkte (-1,7 Prozent). Bitcoin büßte sogar knapp 4 Prozent ein, Gold rund 1,5 Prozent. Die Zinsen auf US-Staatsanleihen stiegen an.

Dennoch dürfte die Zinswende der Fed – selbst bei 0,5-Prozentpunkte-Schritten – kein großer Wurf werden, was die Inflationsbekämpfung angeht. Im Dezember stiegen die Verbraucherpreise in den USA um 7,0 Prozent. Laut dem US-Ökonomen John Williams, der den US-Verbraucherpreisindex nach der Messmethode von 1980 berechnet, liegt die wahre Inflation aber bei 15 Prozent. Das wäre sogar höher als Anfang 1980, als der damalige Fed-Chef Paul Volcker den Leitzins auf mehr als 15 Prozent anhob, um die Inflation in den Griff zu bekommen.

Nach Schätzungen des VWL-Professors Steve Hanke wird die US-Inflation bis zum Jahr 2024 bei 5 bis 6 Prozent bleiben. Hanke schätzt die Zahl auf Basis des Geldüberhangs, der sich in der Corona-Krise angesammelt hat. Bislang hat die Fed jedenfalls ihre Bilanz weiter ausgeweitet. Zuletzt hat sich das Bilanzwachstum sogar beschleunigt. Allein in der Woche vom 12. bis 19. Januar wuchs die Gesamtbilanz des Fed-Systems um knapp 80 Milliarden US-Dollar.

Derweil hält die EZB weiter die Füße still – trotz 5 Prozent Inflation in der Eurozone im Dezember. Zwar gab Christine Lagarde kürzlich bei einem Treffen des World Economic Forum zu, dass die EZB die Inflation unterschätzt habe. Aber eine Zinserhöhung ist für die Französin derzeit keine Option. Lagarde rechnet für dieses Jahr mit stabilisierenden Energiepreisen und rückläufiger Inflation. Zinserhöhungen kämen erst infrage, wenn die EZB für die kommenden Jahre mehr als 2 Prozent Inflation erwarte, sagte Lagarde. “Wir werden handeln, sobald die Kriterien erfüllt sind, aber im Moment sind sie nicht erfüllt.” Derzeit rechnet die EZB mit 1,8 Prozent Inflation in den kommenden zwei Jahren.

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Kommentare ( 13 )

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Nibelung
2 Jahre her

Am Ende steht bei allem Tun die völlige Geldentwertung und das wissen sie und beharren noch insbesondere bei der EZB auf ihrem alten Standpunkt der Nullzinspolitik um bestimmte Staaten zu retten, was aber ein Trugschluß ist, dann kommt halt das Ungemach von außen und wird uns überrollen, was nur noch eine Frage von Zeit ist, denn diese Geldmenge die im Umlauf ist wird uns alle ersticken und man kann sich nur noch wundern, wo sie allesamt den Mut noch hernehmen um den Leuten ins Gesicht zu sehen, wohlwissend was da kommt und auch nicht mehr aufzuhalten ist.

Thorsten
2 Jahre her

Ich kenne die Fed und ihre Ankündigungen seit mehr als 20 Jahren. Ebenso wie in der Politik wird dort mehr geredet als getan. Diese Ankündigungen sind wichtiger als die Reaktionen, da die Märkte korrigieren. Dies reicht zu großen Teilen die schlimmsten Auswüchse zu bereinigen. Diese Inflation besser Greenflation hat auch mit Corona zu tun, besonders wenn die Hilfen auslaufen wird weniger Geld in den Umlauf kommen und die Preisen können nicht mehr nachfragegetrieben steigen. Dazu kommt auch noch eine Normalisierung der Lieferketten, die im Verlaufe dieses Jahres eintreten wird. Das i-Tüpfelchen ist sicherlich der Basiseffekt, der spätestens in 12 Monaten… Mehr

Oneiroi
2 Jahre her

Eigentlich wäre es mal gesund 1 Jahr im Seitwärtsmarkt zu bleiben. Allerdings brauchen die Amis regelmäßig die platzende Blase um dann wieder Jahr für Jahr 10-20% plus zu machen. Welche Alternativen bleiben dem Anleger? China? HSI bei -17% letztes Jahr. In 5 Jahren gerade mal +2%. Lächerlich. der SSE gurkt auch so vor sich hin ohne vom Fleck zu kommen. Chinas Boom liegt schon länger auf Eis und die sind wirtschafltich auf absehbare Zeit keine Gefahr für den Big Player USA, weil am Ende die Ideologie der Partei doch über dem Wohlstand des einzelnen steht. Xi und mao sind sich… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Oneiroi
Amerikaner
2 Jahre her

Die FED hat diese Lage nicht verschuldet, und sie kann sie auch nicht lösen. Die Chinesen unterbrechen die weltweiten Lieferketten und so kommt es zu einer Verknappung des Angebots mit entsprechend steigenden Preisen. Die FED, die Bank of Japan, die EZB und viele andere Banken fahren seit z.T. Jahrzehnten Null- und Negativzinsen, ohne jegliche Inflation.

Fulbert
2 Jahre her

Es wird so kommen, wie es bislang immer kam: die Ansätze zu Zinserhöhungen sind nur der Anlauf für die nächsten Zinssenkungen. Angesicht der Verschuldung von Staat und Unternehmen bleibt gar nichts anderes übrig. Spätestens dann, wenn die Wall Street zu sehr ins Rutschen kommt, wird die Fed Gewehr bei Fuss stehen.

Thorsten
2 Jahre her
Antworten an  Fulbert

Die EZB sitzt sowieso in der Zinsfalle, und Japan auch. Entscheidend wird wohl wie China sich zurechtrappelt.

Boris G
2 Jahre her

Es wird spannend. Schaffen es die Finanzmarktjongleure, all das in die Märkte gepumpte Geld wieder einzusammeln ohne eine dramatische Rezession zu riskieren? Es gibt einige schwer kalkulierbare Variablen im großen Monopoly-Spiel. Ein bisschen zusätzlicher Kanonendonner, eine neue Virusvariante, ein großes Geldinstiut, das sich verspekuliert hat und das ganze fragile Kartenhaus der aufgeblähten Finanzmärkte stürzt ein.

Wolfgang Schuckmann
2 Jahre her
Antworten an  Boris G

Entschuldigung, aber es ist gerade beim Einstürzen. Sie werden sehen, dass bei der ersten realen Zinserhöhungen für Unternehmen und Privatkonsum auch die Feuerwehr nichts mehr richten kann. Die Maßnahmen der EZB sind ja schon die Ultima Ratio.
Man kann gar nicht damit aufhören, sonst kollabiert unsere Wirtschaftsordnung . Das ist eine bittere Erkenntnis.

Aegnor
2 Jahre her

Diese „Zinswende“ der FED ist ein Witz. Die Realzinsen bleiben auch bei 1-1,5% Leitzinsen weit im negativen Bereich. Dass die Börsen trotzdem bei Ankündigung eines solchen Zinswendchen sofort Richtung Süden drehen zeigt, wie absurd aufgeblasen das gesamte Finanzsystem mittlerweile ist. Interessant auch, dass die Kurse einen Tag später schon wieder massiv ins Plus drehen. Offenbar wetten die Anleger darauf, dass die FED im Falle einer echten Korrektur (>20%) sofort wieder die nächsten Rettungsprogramme auflegt. Und ich würde Haus und Hof verwetten, dass es auch so kommt. Schließlich haben ein Großteil der Amerikaner ihre Altersvorsorge an der Börse. Die können keine… Mehr

Thorsten
2 Jahre her
Antworten an  Aegnor

Dies macht sogar Sinn: wenn die Märkte sinken, dann sinkt die Konsumlust und damit die Inflation.
Die FED ist deutlich seriöser als die EZB die per „Fiat money“ die Transfer- und Schuldenunion zur Plünderung Deutschlands am Leben erhält.

IJ
2 Jahre her

Man muß Jerome Powell verstehen. Was er an Rendite-Steigerungen durch flotte Sprüche herbeireden kann, braucht er nicht durch effektive Zinsanhebungen umzusetzen. Und diesen psychologischen Effekt nutzt er sinnvollerweise. Dass dieses Gequassel manchmal tatsächlich viel bewirken kann, zeigte Mario Draghi mit seinem „Whatever it takes …“. Tatsächlich wird dieser Effekt aber wahrscheinlich schnell wieder verpuffen und die Fed wird sich im laufenden Jahr an den tatsächlichen ökonomischen Masszahlen bei der Inflationsbekämpfung orientieren. Und die können in beide Richtungen tendieren. Ich persönlich gehe von alsbald deutlich besseren Verhältnissen für Aktien und vor allem für Wachstumsaktien aus. Denn das Frühjahr könnte simulat 3… Mehr

Last edited 2 Jahre her by IJ
Babylon
2 Jahre her

Börse und Gold abwärts. Jetzt auch der Euro, was nur logisch ist, da die EZB mit der FED nicht gleichziehen kann und wird. Gold in Euro ist vergleichsweise bei fallenden Eurokursen nur wenig tangiert, was sich von selber erklärt, da der Goldhandel in $ abläuft.

Thorsten
2 Jahre her
Antworten an  Babylon

Es ist ein wenig anders: Gold ist an den Dollar-Wert des Euros gekoppelt. Vermutlich Großanleger die GEGEN den Euro spekulieren.