FDP-Fraktion im Mainzer Landtag schließt ihre bildungspolitische Sprecherin Helga Lerch aus

Weit über das Persönliche hinaus geht es darum, wie frei sich eine dem Namen nach „Freie Demokratische Partei“ aufstellt und wie sie mit dem freien Wort ihrer Repräsentanten umgeht.

imago Images/Torsten Silz

Die FDP hat es wieder mal nicht leicht. Nach dem Durcheinander bei der Wahl des FDP-Manns Thomas Kemmerich zu Thüringens 48-Stunden-Ministerpräsidenten mit dessen anschließender Verwendung als „geschäftsführender Ministerpräsident“ samt Rüge aus der Bundes-FDP dorthin, macht nun die FDP-Landtagsfraktion in Mainz von sich reden. Soeben hat sie ihre bisherige bildungspolitische Sprecherin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Helga Lerch aus der Fraktion wegen Äußerungen ausgeschlossen, die angeblich den Frieden in der Ampel-Koalition stören. Lerch kündigte unterdessen gerichtliche Schritte gegen ihren Ausschluss an. Sie wolle geklärt wissen, wie weit ein Abgeordneter mit seinem freien Wort gehen dürfe.

Folge: Nun besteht die FDP-Fraktion nur noch aus sechs Leuten, und die rot-grün-gelbe „Ampel“-Koalition hat nun mit 52 Sitzen nur noch eine Stimme Mehrheit im 101 Abgeordnete umfassenden Landtag von Rheinland-Pfalz. Und das ein Jahr vor der Landtagswahl am 14. März 2021, bei der die sich bislang recht harmonisch darstellende „Ampel“ gerne bestätigt werden will.

Was ist der Hintergrund? Helga Lerch (64) tanzt verschiedentlich aus der Reihe. Dem FDP-Landesvorsitzenden, Wirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Volker Wissing (49) sowie der Fraktionsvorsitzenden Cornelia Willius-Senzer (76) passte das gar nicht. Das Verhältnis Lerchs zu den beiden anderen scheint seit längerem zerrüttet. Zuletzt erteilte man der MdL Lerch sogar ein Redeverbot im Landtag. Auch sonst hängt der Haussegen in der FDP-Fraktion schief. Zum Beispiel gab es eine juristische Auseinandersetzung zwischen Lerch und dem Parteikollegen Marco Weber (45). Weber hatte angeblich behauptet, Lerch habe ihm gesagt, sie habe Aufzeichnungen über seine privaten Lebensumstände gefertigt. Die wolle sie öffentlich machen, wenn sie in der Fraktion nachteilig behandelt werde. Mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung wollte Lerch Webers Aussagen darüber untersagen, sie scheiterte damit allerdings vor dem Landgericht Mainz. Ein „lustiger“ Hühnerhaufen – diese Fraktion.

Womit aber konkret soll sich die Abgeordnete Lerch hinauskatapultiert und die „Ampel“-Harmonie gestört haben? Lerch, von 2008 bis 2016 Leiterin des Gymnasiums Nackenheim, hat als bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion öffentlich gefragt, ob genug gegen sexuellen Missbrauch an Schulen getan werde. FDP-Fraktionschefin Willius-Senzer warf Lerch in der Folge vor, sie habe „beim schlimmsten aller Themen Staatsversagen in den Raum gestellt“; Lehrer und Lehrerinnen seien dadurch unter Generalverdacht geraten. Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) nahm die Lehrerschaft ebenfalls in Schutz. Sie berichtete von 14 Fällen, in denen aktuell disziplinarrechtlich ermittelt werde. Mindestens 34 Disziplinarverfahren seien seit 2008 abgeschlossen und zwanzig Beschuldigte aus dem Schuldienst entfernt worden. Angesichts von 48.000 Lehrern im Land, so Ministerin Hubig, seien diese Zahlen „vergleichsweise gering“. Lerchs Problem war dann, dass sie ihre Unterstellung, es gebe erheblich mehr „Fälle“, kaum belegen konnte; gerade eben zwei weitere Fälle vermochte sie zu nennen.

Abgesehen vom Gewicht geschehener oder angenommener Verbrechen an Kindern und abgesehen vom Streit um Zahlen: Hier geht es um noch etwas anderes. Es geht darum, wie ernst und wie frei von koalitionärem Gleichschritt eine FDP Vorwürfe nimmt, die im vorliegenden Fall von einer Repräsentantin erhoben werden, die als ehemalige Schulleiterin durchaus weiß, wovon sie spricht. Und es geht darum, wie frei sich eine dem Namen nach „Freie Demokratische Partei“ aufstellt und wie sie mit dem freien Wort ihrer Repräsentanten umgeht.

Es tut der FDP nicht gut, was jetzt in Mainz geschehen ist. Die FDP hat dort kein riesiges Polster. Bei der letzten Landtagswahl 2016 hatte sie 6,2 Prozent. Aktuell verliert sie sogar Mitglieder. Von aktuell 50 Austritten „mit Tendenz nach oben“ ist die Rede, wie es aus der FDP heißt. Die Gründe haben mit Thüringen und dem Zwist in der Mainzer Fraktion zu tun.

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Kommentare ( 26 )

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Ben Goldstein
4 Jahre her

Oppositionsfraktion schließt Mitglied aus, nachdem es insinuiert hat, dass es für die Regierungsparteien VIELLEICHT einen Handlungsbedarf gibt, den sie eigentlich nur abklären wollte. So geht Opposition 2020.

Ben Goldstein
4 Jahre her
Antworten an  Ben Goldstein

Sorry, hatte verdusselt, dass die FDP in Rheinland-Pfalz an der Regierung beteiligt ist.

Gerro Medicus
4 Jahre her

Ist doch klar, dass solche Erkenntnisse diskreditiert werden müssen. Sonst käme vielleicht noch einer auf die Idee, nachzuweisen, dass sexuelle Übergriffe im gleichen Maße zugenommen haben, wie Linksgrüne Frühsexualisierer den Lehrerberuf okkupierten.

Marcel Seiler
4 Jahre her

Ich halte die FDP für überwiegend unfähig. Ein Symptom für den breiten Verfall der Qualität im öffentlichen Raum. Da die Medien in ähnlicher Weise mitverfallen, erzählen uns alle das Gegenteil.

Andreas aus E.
4 Jahre her

Bemerkenswert, daß ich über diesen Vorfall erst (und nur) hier erfuhr.
Über jeglichen Fraktionsaustritt im Gemeinderat Kleinhinterhupsala werde ich informiert – sofern es die AfD betrifft, und es gerade passt.
Aber das mit Frau Lerch hat wohl nur regionale Bedeutung.

Andreas aus E.
4 Jahre her

Da fühlte sich wohl eine ganze Riege Leute in leitender Position angeschossen.
Und die – jetzt kommt laienhafter Normalbürger mit „Verschwörungstheorie“ – hoffen eben, schwächstes Glied eliminieren zu können, und das ist eben Frau Lerch als Politikerin einer Partei, deren Weiterexistenz im kommenden Parlament mehr als fraglich ist. Weil man ja hinlänglich kennt, wie die „Umfallerpartei“ so tickt, brauchte man nur Fingerschnipsen – und weg.

Eigentlich schade um die FDP – irgendwie aber auch nicht, kann weg.

hassoxyz
4 Jahre her

Frau Lerch meint vermutlich mit sexuellem Mißbrauch an Schulen, daß die Täter zu denen gehören, die noch nicht so lange hier leben bzw. die illegal seit 2015 nach Deutschland eingewandert und überwiegend muslimischen Glaubens sind. Das gefällt vielen in der migrationsbegeisterten FDP natürlich nicht, die in solchen Aussagen natürlich nur Rassismus, Islamophobie und Menschenfeindlichkeit sehen und vor Instrumentalisierung bestimmter Gewalttaten warnen, da es sich ja nur um bedauerliche Einzelfälle handelt. Die FDP muß verdammt aufpassen, daß sie nicht den Rest an Vertrauen bei ihren Wählern endgültig verspielt. Die Wähler haben der FDP 2017 eine zweite Chance gegeben, eine dritte wird… Mehr

Gisela Fimiani
4 Jahre her

Leider hat auch die FDP sich längst der selbstverschuldeten Unvernunft der übrigen Parteien angeschlossen. Der Wert der Freiheit hat seinen Wert in dieser Partei bereits verloren. Sie ist damit wert-los geworden und hat sich selbst überflüssig gemacht.

Denke
4 Jahre her

…ist mir wurscht. Mit dieser Wankel-Partei habe ich abgeschlossen.

Kassandra
4 Jahre her
Antworten an  Denke

Aber das Thema ist wichtig und darf nicht einfach abgewürgt werden – und es scheint weit über das hinaus zu gehen, was Lerchs Kollegen darunter verstanden wissen wollen, da sich auch bei sexuellem Missbrauch an Schulen die Zustände seit Jahren verändert haben und sich mehr und mehr ausländische Bartkinder undefinierten Alters in den Bänken mit kleinen Kindern befinden können. „Sie wolle geklärt wissen, wie weit ein Abgeordneter mit seinem freien Wort gehen dürfe.“ Ich habe gedacht, hier wäre Meinungsfreiheit – aber sie muss vor Gericht, um sich zu vergewissern. In welcher Zeit leben wird eigentlich, dass das jetzt gerichtlich geklärt… Mehr

M. Graf
4 Jahre her

Diese FDP hat fertig! Nirgends tritt sie für die Freiheitsrechte der Bürger ein. Sie kuscht vor einem sich in allen Bereichen ausbreitenden Schnüffel- Gesinnungs- und Bevormundungsstaat. Keine Verteidigung unserer sozialen Marktwirtschaft, null Engagement gegen immer höhere Abgaben. Wie konnten es die Jüngelchen in den zu engen „Maas“-Anzügen bloß an die Schaltstellen unseres Landes schaffen? Es reicht heutzutage wohl, man behauptet ein Kämpfer gegen Rechts zu sein. Das ersetzt anscheinend jede Qualifikation. Peinlich die devote Entschuldigung Lindners in der causa Thüringen. DDR 2.0 ante portas.

bkkopp
4 Jahre her

In der Summe erscheint es als eine gute Nachricht. Die FDP ist überflüssig “ wie ein Kropf „. Herr Baum redet dummes Zeug bei Markus Lanz und Frau Leutheusser-Schnarrenberger schreibt dummes Zeug im Spiegel. Von Lindner ist nie etwas anderes zu hören. Die Mittelstandsvereinigung der CDU sollte eigentlich den meisten FDP-Wählern seelenverwandt sein – jedenfalls sollten sie sich eine andere Partei suchen.