EU-Bürger in die Bundeswehr: Armee von Söldnern oder Staatsbürgern?

Statt Staatsbürger in Uniform künftig eine bunte Armee von Söldnern und Söldnerinnen, die für Deutschland kämpft? Warum überhaupt noch „dienen“ in einer postpatriotischen Gesellschaft?

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Es wirkt wie ein Winterlochthema „zwischen den Jahren“. Und doch ist es ein hochbrisantes Thema – zudem nicht ganz neu, vor allem aber hochkompliziert. Es geht um die Meldung, die durch die Presse ging: Die Bundeswehr soll EU-Bürger als Soldaten rekrutieren dürfen.

Was ist der Grund für diese Überlegungen? Nun, bereits zum jetzigen Zeitpunkt sind rund 18.500 Dienstposten in der Truppe unbesetzt. Zudem soll die Bundeswehr bis 2025 auf 203.000 „Mann“ in Uniform wachsen. Aktuell sind es 183.000 Dienstposten. Die bisherige Personalplanung reichte bis 2024 und sah eine Vergrößerung der Bundeswehr auf 198.000 Soldaten vor.

Wie gesagt, die Pläne sind nicht ganz neu, was wiederum zeigt, dass die Politik hier ein Problem fast schon ein ganzes Jahrzehnt vor sich herschiebt. Erinnern wir uns:

>> Im Oktober 2010 legte die sog. Weise-Kommission ihren Abschlussbericht vor. (Benannt nach Frank-Jürgen Weise, 2004 bis 2017 Chef der Bundesagentur für Arbeit und zugleich 2015/2016 Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge). Der Titel des Berichts lautete: „Vom Einsatz her denken. Konzentration, Flexibilität, Effizienz“. Markantester Punkt der Empfehlungen waren die Vorschläge, die Bundeswehr von damals 250.000 auf 180 000 Soldaten abzubauen und die Wehrpflicht auszusetzen. Verteidigungsminister war von Oktober 2009 bis März 2011 Karl-Theodor zu Guttenberg gewesen; er setzte diese Empfehlung ja auch mit Zustimmung seiner Parteifreunde Merkel und Seehofer 2010 durch. Untergegangen war allerdings der „Weise“-Vorschlag, als Soldaten der Bundeswehr auch Staatsangehörige anderer EU-Staaten, ja sogar anderer Nato-Staaten zu gewinnen.

>> Die Debatte ging weiter. Im Februar 2011 wurde anlässlich einer Bundespressekonferenz bekannt, dass das Verteidigungsministerium, zu diesem Zeitpunkt bereits unter Führung von Thomas de Maizière, die Öffnung der Bundeswehr für EU-Ausländer und Länder prüfe, mit denen es Verträge für die Anerkennung von Berufsabschlüssen gibt.

>> Dann kam 2016 das „Weißbuch“ – Untertitel: Zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr!“ Es war das 11. Buch dieser Art seit 1969. Dort heißt es 2016, dass die Öffnung der Bundeswehr für EU-Bürger nicht nur ein weitreichendes Integrations- und Regenerationspotenzial für die personelle Robustheit der Bundeswehr, sondern auch ein starkes Signal für eine europäische Perspektive wäre. Siehe dazu auch Macrons und Merkels jüngste Vision einer europäischen Armee:

Unfreundlicher Akt gegenüber anderen EU-Ländern

Nun also ein aufgewärmtes oder gänzlich neues Thema? Nein, nicht nur, immerhin haben Belgien, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Dänemark und Luxemburg ihre Armee für EU-Ausländer geöffnet. Und tatsächlich konkretisieren sich die Pläne des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) mehr und mehr. Laut SPIEGEL-Online vom 27.12.2018 denkt man im BMVg vor allem an in Deutschland lebende Polen, Italiener und Rumänen. Als Voraussetzung gelte die fließende Beherrschung der deutschen Sprache. Hintergrund für diese Gedankenspiele sind konkrete demographische Zahlen. Demnach leben im Alter zwischen 18 und 40 Jahren in Deutschland rund 255.000 Polen, 185.000 Italiener und 155.000 Rumänen. Könnte man auch nur zehn Prozent dieser insgesamt fast 595.000 Personen für die Bundeswehr interessieren, wären dies fast 60.000 mögliche Aspiranten. Diese Zahlenspiele zeigen, dass es entgegen den aktuellen Aussagen von Generalinspekteur Eberhard Zorn (im Amt seit 19. April 2018) nicht nur um das Anheuern von Spezialisten, wie IT-Fachleuten und Ärzten, geht.

Man kann es mit Marktgeschehen und mit den EU-Freizügigkeiten für Personen, Dienstleistungen, Waren und Kapital begründen, wenn Deutschland Bundeswehraspiranten in anderen EU-Ländern einzufangen versucht. Aber es bleibt ein unfreundlicher Akt. Denn auch die Armeen der Polen, Tschechen, Ungarn, Rumänen und Bulgaren haben Nachwuchsprobleme, selbst die Armeen Italiens und Griechenlands. All diese Armeen können hinsichtlich demokratischer Führungskultur und vor allem hinsichtlich Sold nicht mit der Bundeswehr mithalten. Insofern ist es nachvollziehbar, wenn der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz sich über den Vorstoß des BMVg und seiner Ministerin „überrascht“ zeigt. Er wirft Deutschland vor, hier „kein angemessenes Verhalten“ zu zeigen. Denn, so Czaputowicz wörtlich: „Natürlich hat Deutschland Arbeitern und wahrscheinlich auch Soldaten mehr zu bieten.“ (Link siehe oben). Ähnliche Sorgen hegt man in Sofia. In Bulgarien sind nämlich schon heute 20 Prozent der militärischen Dienstposten wegen Personalmangels nicht besetzt. Würde die Bundeswehr nun mit erheblich besserer Besoldung locken, sei das für die bulgarische Armee „katastrophal“. Selbst Griechenland fürchtet die Abwerbung junger Menschen.

Grundproblem: das postpatriotische Umfeld

Gewiss tut sich die Bundeswehr in Zeiten boomender Wirtschaft und zunehmenden Fachkräftemangels schwer, geeignete Bewerber in ausreichender Zahl zu gewinnen. Aber es ist nicht nur das Marktgeschehen, das die Bundeswehr hier „alt“ ausschauen lässt. Vielmehr sind es gerade in Deutschland Mentalitätsprobleme – Probleme im Umgang mit der Bundeswehr. Dieses Land hat sich – ungeliebte Auslandseinsätze inklusive – einen radikalen Pazifismus auferlegt. Die Aussetzung der Wehrpflicht, die zuvor de facto eben auch der Personalrekrutierung diente, ist dieser Haltung mit geschuldet. Dann das „Nie wieder“, gerichtlich abgesegnet das „Alle Soldaten sind Mörder“. Diese Sprüche geben den Ton an. Wenn die eine oder andere Schule Jugendoffizieren den Zutritt verwehrt, bekommen sie – medial eifrig orchestriert – den „Aachener Friedenspreis“. Hinter den Initiatoren stehen hier übrigens die Stadt Aachen, der DGB NRW, die katholische Organisation Misereor, der Diözesanrat der Katholiken des Bistums Aachen, der evangelische Kirchenkreis Aachen, der SPD-Unterbezirk, der Kreisvorstand der „Grünen“ usw. Kommentar überflüssig!

Das ist das Klima in Sachen Bundeswehr in Deutschland. Hier von „freundlichem Desinteresse“ gegenüber der Bundeswehr zu sprechen, wie es der damalige Bundespräsident Horst Köhler 2005 getan hat, ist etwas arg brav. Nein, man will keine Bundeswehr in diesem unserem Lande. Die Art und Weise, wie man sie personell und materiell ausgedünnt hat, spricht Bände. Und dass die aktuelle Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU/SPD-Bundesregierung auf insgesamt 175 Seiten gerade einmal drei Seiten für die Bundeswehr zustande brachte, sagt auch viel. Bundeswehr? Ja, aber bitte nur als Fluthelfer in Gummistiefeln, als Seenotretter im Mittelmeer oder allenfalls als Brunnerbauer und THW in Uniform in Afghanistan oder Mali. So ist die allgemeine Stimmung.

Dass der Dienst in einer Armee eng verbunden ist mit Vaterland, im Notfall mit dessen tapferer Verteidigung, verbunden ist mit Identifikation mit den Werten und Normen des Grundgesetzes, dass Dienst in einer Armee hoheitliche Aufgabe ist ….. Solche Loyalitäten, eine solche Treue erscheinen als überflüssig und überholt in einer postheroischen, postpatriotischen Gesellschaft.

Eine Öffnung der Bundeswehr für EU-Ausländer würde diese Entwicklung noch verstärken. Nein, die deutsche Staatsangehörigkeit ist elementar für den Dienst in der Bundeswehr, weil nur sie ein Minimum an staatsbürgerlicher Loyalität garantiert. Siehe das seit Gründung der Bundeswehr geltende Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“. Der Beruf des Soldaten ist eben kein Beruf, kein Job wie jeder andere.

Das Soldatengesetz (genau: Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten – SG) formuliert dies seit 1956 eindeutig. Wenn es in § 7 (Grundpflicht des Soldaten) heißt: „Der Soldat hat die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“ Wenn es in § 8 (Eintreten für die demokratische Grundordnung) heißt: „Der Soldat muss die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintreten.“. Wenn Eid und feierliches Gelöbnis in § 9 wie folgt formuliert sind: „Ich schwöre (bei freiwillig Wehrdienstleistenden: ich gelobe), der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen ….“ (ggf. abgerundet mit der religiösen Beteuerung: „… so wahr mir Gott helfe.“

Gewiss, auch ein Soldatengesetz kann geändert werden. Unter Umständen muss es auf Geheiß aus Brüssel eines Tages sogar geändert werden. Aber mit einer nach allen Seiten personell offenen Bundeswehr sind solche Loyalitäten, wie sie im geltenden Soldatengesetz festgeschrieben sind, nicht zu machen. Dann verkommt die Bundeswehr mehr und mehr zu einer Armee von Söldnern.


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Kommentare ( 70 )

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Genco Steins
5 Jahre her

Wo ist eigentlich der Feind? Der Russische Bär, der partout nicht angreifen will, egal, wie sehr man ihn malträtiert, oder der Verrückte Rocket-Man (zu weit weg, auch irgendwie nicht unser Bier), Syrien/Türkei/Kurden (alles zu verworren), Frankreich? Das Okkupierte Volk wahrscheinlich. Enemy within the Gates.

Alf
5 Jahre her

„Der Soldat muss die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintreten.“. „Ich schwöre (bei freiwillig Wehrdienstleistenden: ich gelobe), der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen ….“ (ggf. abgerundet mit der religiösen Beteuerung: „… so wahr mir Gott helfe.“ Wenn schon unsere Politiker mit freiheitlicher demokratischer Grundordnung nichts anfangen können, dann ist es nur folgerichtig, wenn die Bundeswehr gleich mitentsorgt wird. Die Verteidigung der Rechte und der Freiheit des deutschen Volkes scheint den politischen Angestellten abhanden gekommen zu sein. Der… Mehr

Lucius de Geer
5 Jahre her

Alles richtig. Aber informieren Sie sich mal darüber wieviele gemeldete (und vor allem nicht gemeldete) Schusswaffen es in Deutschlands Privathaushalten gibt. Ganz wehrlos ist dieses Volk nicht, wenn es darauf ankommt.

Schwabenwilli
5 Jahre her

Ein christlicher Spanier, Italiener, Franzose in der Bundeswehr ist mir allemal lieber als ein Islamist der zufällig den deutschen Pass hat.

Thorsten
5 Jahre her
Antworten an  Schwabenwilli

Wozu noch das Risiko kommt, dass er sich nur militärisch ausbilden lässt oder als Schläfer auf seinen Befehl wartet, die Bundeswehr von innen anzugreifen.

Thomas
5 Jahre her
Antworten an  Schwabenwilli

Nicht neu die Idee. Spanier (Division Azul) Franzosen (Charlemagne).

Cethegus
5 Jahre her

Kein Patriotismus=keine Bundeswehr!

Ganz einfache Formel, aber was solls. In diesem Lande
dient die Regierung ja auch nicht mehr dem Volk!

Grumpler
5 Jahre her

Super! Kriegen wir dann auch eine Schweizer Garde? Schweizer sind ja sprichwörtlich bekannt für ihre Zuverlässigkeit. https://www.youtube.com/watch?v=3FgUOVde-qs Ach, die sind nicht in der E.U.? So ein Pech aber auch. Was aber, wenn sich die E.U.-Söldner aufführen wie seinerzeit das Régiment Royal-Allemand cavalerie? https://www.youtube.com/watch?v=6zBGdCiM9Zw (ab 1:12) Aber nun mal ernsthaft: E.U.-Bürger sollen wieder hinbiegen, was deutsche Politiker durch eine übereilte und nicht gut durchdachte Aussetzung der Wehrpflicht verbockt haben? Kürzlich meine Frau Baerbock in einer der Labershows, daß wir doch die besten Ingenieure der Welt hätten, mit denen wir die Energiewende doch meistern könnten. In diesem Augenblick habe ich mir überlegt,… Mehr

boxfrank
5 Jahre her

Kommt es zu Aufständen, hat eine Söldnerarmee große Vorteile:

Sollte der einheimische Soldat Hemmungen haben, auf die eingenen Leute zu schießen, ist das dem Ausländer egal – Hauptsache die Kohle stimmt!

Offensichtlich sind Flinten-Uschi die Vorhersagen der CIA für die nächsten 10 Jahre bekannt, die – beginnend mit Frankreich – für Zentaleuropa den Ausbruch von Bürgerkriegen vorhersagen.

Sie bereitet sich vor…

EURO fighter
5 Jahre her
Antworten an  boxfrank

Freilich. Da gibt es in Frankreich die Geisterstadt Sissonne, wo der Häuserkampf (unter europäischen Bedingungen) geübt wird, die Bundeswehr hat Schnöggersburg. Erwähnt in einem ARD-ttt-Beitrag (unter „Gregor Sailer – The Potemkin Village“ auf youtube), darin heisst es:
„In Schnöggersburg (bei Magdeburg) entsteht gerade eine Bürgerkriegs-Übungsstadt mit U-Bahn-Attrappe und Flughafenkulisse.“
Es kommen spannende Zeiten auf uns zu.

Martin L
5 Jahre her

Dieser Staat hat fertig.
Es würde mich nicht wundern, wenn irgendwann die „deutsche“ Regierung den Notstand ausrufen muss und um die Hilfe der Amerikaner bitten muss.
Dann müssen uns wieder einmal die bösen Amerikaner raus hauen.

Schwabenwilli
5 Jahre her
Antworten an  Martin L

Das ist es was ich auch prognostiziere.

taliscas
5 Jahre her
Antworten an  Martin L

Das glaube ich nicht mehr!
Mr. trump hat den ausgehöhlten Westen durchschaut und abgeschrieben!
Hätte ich an seiner Stelle auch getan.

Alexander Wildenhoff
5 Jahre her

Es geht nicht nur um die Bundeswehr / das Militär im jeweiligen EU-Land. Es geht um die Institutionen in den europäischen Ländern, die relevante, nationalstaatliche, hoheitliche Aufgaben im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit erledigen. Also stehendes Heer, Reservisten, Polizei, Geheimdienste, Verfassungsschutz, Spezial- und Anti-Terroreinheiten, spezielle Eingreiftruppen. Es geht bei diesen nationalstaatlichen Institutionen um die Verteidigung gegen äußere und innere Feinde. Wurde beim Bürger in Uniform (Soldat) oder bei Polizeibeamten ein Eid auf „die Verteidigung der nationalen Interessen des jeweiligen VOLKES“ verlangt, soll schleichend eingeführt werden, dass die fiktive Identität der EU verteidigt werden soll. Da wir aus Sicht v.d.… Mehr

WolfgangZ
5 Jahre her

Die Bundeswehr sollte ihre Soldaten direkt im jeweiligen Einsatzgebiet rekrutieren. Das spart Logistik. (Aus der jüngsten McKinsey-Studie.)

Lizzard04
5 Jahre her
Antworten an  WolfgangZ

Nun sollte das stimmen, würde mich interessieren, wie der Titel dieser Studie exakt lautet. Außerdem vermute ich mal, dass diese Studie, so sie den existiert, direkt vom BMVg vergebenen wurde (einer der z.Z. so populären Beraterverträge also; 0der irre ich da?)