Die CDU erlangte mit 40,7 % der Stimmen 47, 1 % der Mandate. Die SPD erzielte mit 29,6 % der Stimmen 33,3 % der Sitze. Die Linken erreichten 12,9 % der Stimmen, aber 13,7 % der Abgeordneten. Die AfD kam mit 6,2 % der Stimmen nur auf 5,9 % der Mandate.
Das Saarland hat gewählt. Und wie zu erwarten war, hat es keinen eindeutigen Wahlsieger gegeben. Annegret Kramp-Karrenbauer hat zwar mit weitem Abstand die meisten Stimmen errungen, die CDU kann sie aber nicht ohne Koalitionspartner zur Ministerpräsidentin des Saarlandes wählen. Die absolute Mehrheit der insgesamt 51 Sitze im Landtag von Saarbrücken liegt bei 26 Sitzen. Die CDU erzielte aber nur 24 Mandate. – Echte Wahlsieger können alleine die Regierung stellen.
Es kommt aber noch etwas anderes hinzu. Das Saarland ist das einzige Bundesland, in dem der Landtag mit nur einer Stimme, quasi der sog. Zweitstimme, gewählt wird. Hier stimmen die Wähler nach den Grundsätzen der sog. Verhältniswahl ab. Genau genommen kann der Wähler den Stimmzettel nur einmal kennzeichnen. Er trifft damit aber zwei Entscheidungen. Er wählt simultan die Landesliste und eine der drei Regionallisten der von ihm bevorzugten Partei aus. Denn das gesamte Wahlgebiet ist in drei Regionen unterteilt. Es gibt also im Saarland drei verschiedene Stimmzettel. Über die Regionalwahl werden 41, über die Landeswahl 10 Plätze im Parlament auf die Parteien verteilt.
Die Wahl muss grundsätzlich auch für parteiunabhängige Bewerber offen sein. Mitglied des Landtags in Saarbrücken kann man aber nur werden, wenn man Mitglied einer Partei ist und von ihr auch nominiert wurde. In der Verhältniswahl werden die Abgeordneten nicht unmittelbar, sondern mittelbar gewählt. Und das ist die Achilles-Ferse dieses Wahlsystems: Die Wähler werden entmündigt. Die Parteien schreiben ihnen vor, wen sie – noch dazu „en bloc“ -wählen können und wen nicht. „Friss Vogel oder stirb. Etwas anderes bekommst du nicht.“ Das ist der Grundakkord dieses Wahlverfahrens. Die Wähler geben ihre Stimme ab, und was danach im Landtag passiert, darauf haben die Wähler keinen unmittelbaren Einfluss mehr. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist das in hohem Maße problematisch, um es sehr zurückhaltend zu formulieren.
Wer gewohnt ist, der Sache auf den Grund zu gehen, der stösst auf eine weitere Überraschung. Denn bei der Verhältniswahl gelangen die Parteien keineswegs im Verhältnis ihrer Stimmen-Anteile in die Parlamente. Die CDU erlangte mit 40,7 % der Stimmen 47, 1 % der Mandate. Bei der SPD war es ähnlich. Sie erzielte mit 29,6 % der Stimmen 33,3 % der Sitze. Die Linken erreichten 12,9 % der Stimmen, stellen aber 13,7 % der Landtagsabgeordneten. Die kleinste Partei, die AfD kam mit 6,2 % der Stimmen nur auf 5,9 % der Mandate. Und man darf gespannt sein, ob sich die AfD das gefallen lässt oder ob sie ein Wahlprüfungs-Verfahren einleitet und damit die Landtagswahl zu Fall zu bringen sucht. Da ist allerdings größte Eile angesagt. Denn die Frist für eine Anfechtung der Wahl, die jeder Wahlberechtigte einleiten darf, ist auf gerade mal zwei Wochen nach Verkündung des endgültigen amtlichen Wahlergebnisses begrenzt.
Die spezielle Signatur der Verhältniswahl ist der Zwang zur Bildung von Koalitionen. Dieses Wahlverfahren erfüllt auch nicht die Bedingung der unmittelbaren d.h. der namentlichen Wahl der Abgeordneten. Der Staat ist kein Parteien-Staat, sondern ein Volksstaat. Wahlen sind keine Parteien- sondern Volkswahlen Das Volk wählt seine Volksvertretung nicht mittelbar, sondern unmittelbar aus. Deshalb ist es angezeigt, dass die 51 Landtagsabgeordneten in 51 Wahlkreisen namentlich gewählt werden. Und wenn man akzeptiert, dass derjenige gewählt ist, der die meisten Stimmen erhalten hat (einfache Mehrheit), das Quorum also nicht zu hoch angesetzt ist, dann kommt es unter normalen Bedingungen nur selten zu Koalitionen. Von Disraeli, Premier unter Königin Victoria, stammt der – freilich etwas überspitzte – Satz: „Dieses Land bildet keine Koalitionen.“
Manfred Hettlage lebt in München, ist als rechts- und wirtschaftswissenschaftlicher Publizist tätig und hat mehrere Sachbücher zum Wahlrecht veröffentlicht, z. B. : „Wer mit zwei Stimmen wählt … / Beobachtungen, Bemerkungen und neue Beiträge zur Wahl der Parlamente in Bund und Land“, 2014; und „Wie wählen wir 2013? Veröffentlichte und unveröffentlichte Beiträge zur Wahl der Parlamente in Bund und Land“, 2/2013.
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Immerhin muss da noch gefragt werden?
Von der Türkei bis zu den USA – die Demokratie ist überall bedroht, nur nicht in Deutschland. Demokratische Legitimität, Repräsentanz, Regierung und Parlamente für das Gemeinwohl – hier ist alles Paletti. Das kann der eine oder andere Rechtsprofessor, oder rechtskundige Publizist, gelegentlich stören, ändern können sie es nicht, weil sich die Mehrheit nur unzureichend für die Themen interessiert. Die Mehrheit der Deutschen weiss wahrscheinlich mehr darüber, was Erdogan aus dem türkischen Regierungssystem machen kann, als was die Parteien und Staatseliten aus dem deutschen System gemacht haben.
Nein, ich hätte 1990 schon gerne darüber geredet. Eine Verfassung müsste schon breiter diskutiert werden und auch legitimiert. Wenn es so einfach möglich wäre dem Volk ne neue unter die Weste zu jubeln, hätte man es sicher gemacht. Worum es mir beim Grundgesetz geht, komischerweise kann man es immer in die Richtung drehen, die man braucht. Das gefällt mir nicht. Und das mit der „gemeinsamen Verfassung in Freiheit und Einheit“ hat man uns im Westen damals von morgens bis Abends um die Ohren gehauen. Als die Einheit nicht mehr aufzuhalten war, meinte ich zu meiner Partnerin: „Oh das wird Ihnen… Mehr
Wenn keine Koalitionen nötig wären, sind die Karten auch hinsichtlich der Wahlversprechen anders gemischt. Wir kennen sowas bloß nicht. Wozu sollte eine Mehrheitspartei ihre Versprechen brechen wollen, wenn sie doch weiß, was der Wähler goutiert?
Hat Frau Merkel doch höchstpersönlich schon klargestellt: „Man kann sich nicht darauf verlassen, daß das, was vor den Wahlen gesagt wird, auch wirklich nach den Wahlen gilt“. Nichts Neues also …
Ich möchte nur daran erinnern, dass es das Wesen einer Verfassung ist, dass sich das Volk diese gibt und nicht die Politik (wie es beim Grundgesetz der Fall ist). Das mag wohl auch der Grund dafür sein, dass wir immer noch ein Grundgesetz und eben keine Verfassung haben.
Wieso dann nicht so eine Sitzverteilung? CDU 21 da 40,7% von 51 = 20,757 damit 21 von 46 = 45,7% SPD 15 da 29,6% von 51 = 15,096 damit 15 von 46 = 32,6% LIN 7 da 12,9% von 51 = 6,579 damit 7 von 46 = 15,2% AfD 3 da 6,2% von 51 = 3,162. damit 3 von 46 = 6,5% Jede im Landtag vertretene Partei hätte damit einen größeren Anteil am Parlament als ihr Anteil an den Wählerstimmen, gleichzeitig wäre der Landtag verkleinert. Aber klar, ginge ja auf Kosten der Altparteien CDU und SPD. Ist wohl so nicht… Mehr
Die sägen sich doch nicht freiwillig den Ast ab auf dem sie sitzen.
Schöne Beschreibung einer so nicht mehr geltenden Realität: „Der Staat ist kein Parteien-Staat, sondern ein Volksstaat. Wahlen sind keine Parteien- sondern Volkswahlen Das Volk wählt seine Volksvertretung nicht mittelbar, sondern unmittelbar aus.“
Von allen drei Sätzen stimmt faktisch das Gegenteil. Wir sind ein Parteinstaaat mit Parteiwahlen zur mittelbaren Auswahl von irgendwelchen vorgesetzten Parteileuten, die selten was anderes machen, als im Dienste ihrer Partei zu handeln.
Herr Manfred Hettlage, es würde mich doch schon sehr verwundern wenn Reaktionäre Retorte des Berufsopportunismus, auf einmal mit einem Republikpolitischen Grundrechtverständnis aufwarten würden. Man stelle sich das mal vor, Politiker die mit dem Art.21 GG etwas anzufangen wüssten, dann wäre in der Nomokratie aber mal eine Wahnsinnige Stimmung angesagt.
„Partei ist der Wahnsinn der Vielen zum Vorteil von Wenigen.“ – Alexander Pope
„Wahnsinn schafft kein Recht.“ – Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social
mfg
Wahlen sind generell undemokratisch. Sie setzen sog. „Eliten“ voraus und bringen sie gleichzeitig hervor. Die Möglichkeit der politischen Einflussnahme durch die Bürger beschränkt sich auf die Stimmabgabe. Das wussten schon die Erfinder der Demokratie: Im alten Athen wurden die meisten politischen Ämter nicht gewählt, sondern ausgelost. Das hat Jahrhunderte lang gut funktioniert und würde auch in der heutigen Zeit funktionieren. Denkanstöße in diese Richtung gibt es zum Beispiel in dem Buch „Gegen Wahlen“ des Niederländers David van Reybrouck.