Nur ein knappes Drittel vertraut den Medien

Das Misstrauen gegen Medien ist gewaltig: Nur noch ein knappes Drittel der Leser und Zuschauer vertraut in der Flüchtlingsfrage der Berichterstattung. Über 42 Prozent sagen, dass negative Nachrichten weggelassen werden, so eine Exklusivumfrage für TE.

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Nehmen wir den Fall von offenkundig unberechtigten Kindergeldzahlungen nach Osteuropa, auf die neben anderen Betroffenen der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link hingewiesen hat: Sofort hagelte es Kritik an dieser Feststellung – nicht am offenkundigen Missbrauch. Nicht der Sachverhalt wurde kritisiert – sondern der Überbringer der Nachricht: So die Süddeutsche Zeitung: Nur aus bösartigem „Sozialneid” würden Menschen „diskreditiert, die hier in der Pflege, auf dem Bau oder saisonal als Erntehelfer arbeiten. Sie tun das meist für wenig Lohn und müssen außerdem noch ohne ihre Kinder leben. Wie traurig.“

Traurig ist, was sich geändert hat in den Medien, so der Journalist Claudio Casula: „Früher deckten die Medien Skandale auf und die Politik wiegelte ab. Heute beklagen Lokalpolitiker massenhaften Kindergeldabgriff und die Medien reden den Skandal klein.“

Heute beklagen Lokalpolitiker massenhaften Kindergeldabgriff und die Medien reden den Skandal klein.

Vierte Gewalt, my ass.

— Claudio Casula (@shlomosapiens) August 10, 2018

Haltung statt Fakten zählt. Doch die Leser reagieren anders als erwartet: Sie wenden sich von solchen Medien ab. Nur noch Lachen löst das Gerede von der „Fachkräfteeinwanderung“ aus oder die Zahlentricksereien, die steigende Gewaltkriminalität, Messer­attacken und Vergewaltigungen mit Fahrraddiebstählen verrechnen, um nur ja eine sinkende Kriminalität auszuweisen. Chiffren der Verschleierung bei Gewaltverbrechen wie „Einzelfall“, oder verschwiegene Täterbeschreibungen („Mann überfällt 56-Jährige“) lösen regelmäßig Hohn und Spott aus – und zerstören die Glaubwürdigkeit von Medien.

Der Politik mag dies hilfreich scheinen bei der Durchsetzung einer Politik, die von großen Teilen der Bevölkerung nicht geteilt wird. Viele Journalisten verstehen sich als freiwilli­ge Helfer dieser Politik. Sie verstehen ihre Aufgabe darin, die Leser zu belehren. Doch die Wachsamkeit der Leser und Zuschauer wird unterschätzt. Kein Wunder, dass über 42 Prozent der be­fragten Deutschen sagen: „Ich bin mir sicher, dass Nachrichten, die Zuwande­rer in einem schlechten Licht darstel­len, von einigen politischen Akteuren und Medien bewusst nicht verbreitet werden.“

Nur knapp jeder Dritte (31 Pro­zent) teilt diesen Vorwurf nicht. Männer (47 Prozent) teilen diese kritische Sicht auf die Medien häufiger als Frauen. Besonders politisch stark Interessierte (51 Prozent zu 38) unterstützen die These von der Nichtverbreitung von Nachrichten, die Zuwanderer in einem schlechten Licht dastehen lassen. Dagegen glauben politisch überhaupt nicht Interessierte (21 Prozent zu 17) und Befragte mit Migrationshintergrund (37 Prozent zu 28) noch eher den Medien.

Wähler der AfD (76 Prozent), der FDP (47 Prozent), der CDU/CSU (43 Prozent) und der Linken (40 Prozent) sind kritischer gegenüber den Medien als Wähler der SPD (35 Prozent) und der Grünen (35 Prozent). Bei Rot-Grün verneint damit eine Mehrheit die These, dass Nachrichten bewusst nicht verbreitet werden, um Zuwanderer nicht in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen. Hier bestätigen die mehrheitlich im rot-grünen Lager verhafteten Journalisten die gleichgerichtete Erwartung ihrer Leser.

„Dass nicht einmal jeder Dritte den Medien und den politischen Akteuren im Zusammenhang mit der Bericht­ erstattung über Zuwanderer vertraut, müsste ein Weckruf sein, verloren ge­gangenes Vertrauen wieder zurückzu­gewinnen“, sagt dazu der Meinungs­forscher Hermann Binkert, dessen Institut INSA die Untersuchung erstellt hat.

In der Umfrage geht es nur um „Flüchtlingspolitik”. Beobachter konstatieren eine vorurteilsgetriebene Berichterstattung auch zu anderen Themen. In jeder Zeitung, so der Medienwissen­schaftler Mathias Kepplinger in der Würzburger „Tagespost“, fänden sich schlecht recherchierte Beiträge, „aktu­ell etwa zur Dieselaffäre“.

Das gilt generell für eine regierungskritische Berichterstattung, die häufig einem neuen Bestätigungsjournalismus Platz gibt. Doch woran liegt es, dass Journalisten sich als Regierungssprecher verstehen und Fakten zu Gunsten einer ominösen „Haltung“ unterschlagen? In vielen Fällen ersetzt politische Überzeugung Recherche. Der WDR-Journalist Georg Restle machte sich jüngst zum Fürsprecher eines „Haltungsjournalismus“, der sich vom „Journalismus im Neutralitätswahn“ abgrenzen solle:  Der Monitor-Moderator will, dass Journalisten wieder „mutiger und entschiedener werden: Nicht als Zyniker, sondern als Humanisten.“ Faktenorientierten Journalismus als „Neutralitätswahn“ abzuwerten, entspricht der Aufgabe bisheriger journalistischer Werte.

Allerdings: Journalisten als Meinungstransformatoren, als „Treibriemen“ (Lenin) zwischen einer ihnen durch die Partei/Regierung offenbarten Wahrheit und einer zu belehrenden Volksmasse zu definieren, ist nicht neu und Merkmal sowohl des NS- wie DDR-Journalismus. Lange äußerte sich das deutlich abgemildert in einer generellen, aber nicht ausschließlichen Linkslastigkeit des Journalismus:

Totschweigen und Skandalisieren
Die De-Professionalisierung von Journalisten nimmt immer noch weiter zu
Nochmal Kepplinger: „Mit der deutschen Einheit zerbrach die Idee des demokratischen Sozialismus, der die linke Mehrheit der Journalisten an­hing. Das war eine schwere und lange nachwirkende Niederlage. Die Migran­tenkrise bot die Chance, die linke Mei­nungshoheit wiederherzustellen und zugleich die alte Forderung nach einer multikulturellen Gesellschaft durchzu­setzen. Die Flüchtlingsfrage wurde des­wegen moralisch überhöht und tabui­siert. Diese Position wird seitdem mit Zähnen und Klauen verteidigt.“

Hinzu tritt das wohlige Schuldgefühl eines linken Bürgertums, der „bobos“ (bourgeois bohemiens), wie man sie in Frankreich nennen würde, so der Historiker Ronald G. Asch: Die Linke entwickelte eine Identiätspolitik anstelle der bisherigen Klassenkampftheorie, die seither auch von vielen Journalisten propagiert wird. „Es ist die Vorstellung, dass die Gesellschaft aus Opfergruppen und aus Tätern besteht. Täter sind, ein wenig überspitzt for­muliert, vor allem weiße heterosexuelle Männer, Opfer fast alle anderen, also Frauen, ethnische Minderheiten, Homo­sexuelle oder Personen, die sich selbst einem dritten Geschlecht zuordnen. Aufgabe der Täter ist es, sich schuldig zu bekennen und rituell Buße zu tun, oder aber, noch wichtiger und erfreu­licher, noch nicht bußfertige Täter zu ermahnen und permanent zu belehren, während die Opfer Fürsorge verdienen und ein Anrecht auf Vorzugsbehand­lung haben.“

Und so werden Wahrheiten gemacht, statt über sie zu schreiben. Dumm nur, dass die Leser diese Form der Bevormundung zunehmend merken – und ablehnen.

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