Doppelt so viele Unternehmer wie bisher planen den Umzug ins Ausland

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer hat ihr jährliches „Energiewende-Barometer“ veröffentlicht. Das Vertrauen in die deutsche Energiepolitik ist eingebrochen, doppelt so viele Unternehmer denken an den Umzug ins Ausland.

IMAGO / Köhn
Hohe Energiepreise belasten deutsche Unternehmen (Symbolbild)

Achim Dercks ist kein Lautsprecher. Bevor er das „Energiewende-Barometer“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) vorstellt, schickt er voraus, dass die Kammer dieses seit über zehn Jahren erstellt. Es sei seinem Haus nicht darum gegangen, Unternehmen gezielt abzufragen, um den Schock des letzten Jahres darzustellen.

Die Zahlen, die der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer vorstellt, sind allerdings schockierend. Zumindest für die Vertreter der Ampel: 32 Prozent der Industriebetriebe plant oder realisiert bereits eine Verlagerung von Produktion ins Ausland. Im vergangenen Jahr waren es 16 Prozent – eine Verdopplung innerhalb eines von bisher zwei Ampeljahren. Die USA sei für viele Unternehmen ein interessanter Markt. Zumal die Staaten derzeit deutsche Unternehmen gezielt abwerben würden. Bekomme Deutschland aber seine Energiepreise nicht in den Griff, könnten auch Nachbarländer wie Frankreich als Ziel für eine Abwanderung interessant sein.

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Die Ursachen sind vielfältig. Eine der wichtigsten ist die Energiewende. Für das Barometer sollen die Unternehmen die Frage beantworten: „Wie beurteilen Sie insgesamt die Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens?“ 3500 Unternehmer haben geantwortet. Fünf Prozent mehr als bisher. Sie können die Energiewende auf einer Skala benoten, die bei Minus 100 anfängt und bei Plus 100 endet. Die Unternehmer erteilen der Energiewende eine Minus 27 – im vergangenen Jahr war es noch eine Minus 7.

Zwischenzeitlich hätten die Unternehmer die Energiewende sogar positiv gesehen, sagt Dercks. Sie hätten sich durch die damit verbundenen Investitionen gute Geschäfte erhofft: „Doch heute sehen die Unternehmer weniger die Chancen und eher die Risiken.“ Vor allem die hohen Preise hätten den Glauben an die Energiewende einbrechen lassen.

An diesem Dienstag berät die Ampel über den „Industriestrompreis“. Die Idee von „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne): Unternehmen müssten nur noch einen staatlich festgelegten Strompreis bezahlen. Die Differenz zum Marktpreis übernimmt der Steuerzahler. Dieses Instrument könne jetzt helfen, sagt Dercks. Aber: „Der Industriestrompreis springt zu kurz.“ Es sei niemandem geholfen, wenn der Staat einige ausgewählte Unternehmen für einige Jahre unterstütze – und danach habe sich nichts geändert.

Zumal ein Blick auf die weiteren Fragen im Barometer zeigt: Die Unternehmer sehen die hohen Preise nicht einmal als das größte Problem in der „Transformation“ zu mehr Klimaschutz. Es sind nur 30 Prozent der Unternehmer, die diesen Punkt angeben. Letztes Jahr waren es noch 38 Prozent.

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Die „langsamen Genehmigungen“ sehen aber mittlerweile 46 statt 37 Prozent der Unternehmen als Problem. „Zu viel Bürokratie“ sagen 58 statt 55 Prozent. Nach „fehlender Planbarkeit“ hatte die DIHK im vergangenen Jahr noch gar nicht gefragt. Die fehlende Planbarkeit stellt jetzt mit 59 Prozent das Hauptproblem der Unternehmer mit der Energiewende dar.

Aus den Ergebnissen liest sich die Arbeit einer Bundesregierung heraus, die den Unternehmen das Überleben schwermacht: „Die Unternehmen sehen sich zunehmend mit Vorgaben konfrontiert, die in der Praxis kaum umsetzbar sind“, sagt Dercks. Die Auflagen würden immer kleinteiliger, regelten immer mehr Details. Die bürokratischen Vorgaben gehen mittlerweile so weit, dass die Unternehmen nicht einmal mehr zugriffen, wenn der Staat Geld an sie verschenkt. Deshalb hätten manche auf Ansprüche durch die „Energiepreisbremsen“ verzichtet. „Hinzu kommen Einsparziele aus dem Energieeffizienzgesetz, von denen niemand sagen kann, wie sie ohne ein Herunterfahren der Produktion erreicht werden können.“

Außerdem warnt Dercks vor einem Effekt, den der Industriestrompreis haben könnte, wenn er wie geplant nur an 2000 Unternehmen ausgezahlt werde: Die Stimmung in der Wirtschaft sei jetzt schon „extrem schlecht“. Wenn jetzt Unternehmer zusehen müssten, wie andere Steuergeld bekommen, während sie selbst hohe Energiepreise zahlen und mit schlechten Gewinnmargen leben müssten, könnte das zu viel sein.

Wichtiger als der Industriestrompreis sei daher, „Energiepreise durch höheres Angebot zu senken“, fordert die DIHK. Die Preise könnten wieder wettbewerbsfähig werden, wenn die Ampel Steuern und Abgaben auf Energie senkt. Zudem müsse mehr Wasserstoff produziert werden und zur Verfügung stehen, Planungssicherheit gelten, Bürokratie ab- und das Stromnetz ausgebaut werden. Hier zeigt sich, wie weit die Ampel ihren eigenen Plänen hinterherläuft: 12.000 Kilometer an neuen Stromleitungen sind laut DIHK für die Energiewende notwendig – 9000 Kilometer seien bisher noch nicht einmal genehmigt.


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Kommentare ( 26 )

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thinkSelf
1 Jahr her

Zwischenzeitlich hätten die Unternehmer die Energiewende sogar positiv gesehen.“
Ich hatte nicht direkt erwartet das die Unternehmer noch um Größenordnungen blöder sind als das Produkt aller Grünen. Aber wirklich überraschen tut mich das nun auch nicht.

Donostia
1 Jahr her

Ca 80% wählt (SPD,CDU,FDP, Grüne) diese grüne Politik. Die Unternehmer stellen nicht 80% des Wahlvolkes. Höchstens ein paar %. Also haben wohl die Arbeitnehmer und Beamte das gewählt was wir jetzt haben.

Andreas Bitz
1 Jahr her

Unternehmenslenker, Firmeninhaber, aber auch Angestellte und Arbeitnehmer: Geliefert wie bestellt (Danisch), Ihr habt so gewählt und bekommt nun die Deindustrialisierung. Das gefällige Betteln um Subventionierungen bedeutet nichts anderes als die Belastung und Ausblutung des Mittelstands.

Alex_2023
1 Jahr her

Wenn die nur darüber nachdenken und noch immer nicht mit den Füßen abgestimmt haben, dann haben sie eigentlich schon mit den Füßen abgestimmt zu bleiben. Man sieht die Pleiten-Überschriften und denkt sich nur, your choice.

Monika
1 Jahr her
Antworten an  Alex_2023

Vielleicht hoffen einige ja noch darauf, bei der Transformation zum deindustrialisierten Shithole noch die eine oder andere Subvention abgreifen zu können. Denn mit dem Geldrauswerfen scheint die Regierung ja noch nicht fertig zu sein, ist wohl noch zu viel da bei den Bürgern. Mit etwas Geschick können die Unternehmer sich so den Umzug ins Ausland noch vom Steuerzahler finanzieren lassen. Gerade große Firmen sind in dieser Hinsicht ja manchmal recht findig. Und die Shareholder freuen sich.

Maria KH
1 Jahr her
Antworten an  Alex_2023

Ich vermute, im aktuellen Klima legt nicht jeder gern seine Fluchtpläne offen, sondern bereitet wie ein Verwandter bei einem grossen Automobilzulieferer so eine aufwändige Verlagerung ganz in Ruhe und ohne öffentliche Kommunikation vor. Und gibt die Sache erst bekannt, wenn alles sicher eingestielt ist. Ärger hier gibt es dann immer noch genug.

W aus der Diaspora
1 Jahr her

Planungssicherheit existiert in Deutschland schon länger nicht.
Der Strompreis wäre ganz einfach zu senken. CO2-Abgabe auf Null senken. Hätten alle was davon, nur der Staat bekäme weniger. Könnte somit weniger verteilen.
Aber, Jede Firma, die in der Nähe der Grenze ist, wird derzeit überlegen, einfach auf die andere Seite der Grenze zu wechseln.
Die Arbeitnehmer werden oft gerne mitgehen!

ExternerBlick
1 Jahr her

Der Unternehmer Horst Lüning meinte letzte Woche: „Die ganz großen Unternehmen sind schon weg. Jetzt gehen die 100 Mio.-Umsatz-Unternehmen weg.“ Es geht wahrscheinlich nicht nur um die ganz großen Unternehmen, wie hier im Artikel angesprochen (Hauptproblem: Strompreis). Fragt man hier im europäischen Ausland, warum deutsche Unternehmer zu uns gezogen sind, fällt interessanterweise oft die Aussage: „Die CDU, die einmal den Mittelstand vertreten hat, vertritt nicht mehr unsere Interessen.“ Das Ganze habe „begonnen unter Merkel“, einer „Frau ohne Wirtschafts-Sachverstand“. Und unter Merkel sei die CDU zu einer „grün-sozialistische Blockpartei“ geworden. PS: Carsten Linnemann aus Paderborn/Ostwestfalen, „einem Landstrich mit tüchtigen Unternehmern“ halten… Mehr

Der Person
1 Jahr her

„Die USA sei für viele Unternehmen ein interessanter Markt. Zumal die Staaten derzeit deutsche Unternehmen gezielt abwerben würden.“ Die haben halt ihren Sun Tzu gelesen… „Wer es versteht, Krieg zu führen, bezwingt fremde Heere ohne zu kämpfen, nimmt fremde Befestigungen, ohne sie zu belagern, und zerschlägt ein fremdes Reich ohne langwierige Feldzüge […] Die höchste Kunst besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne Kampf auf dem Schlachtfeld zu brechen. Nur auf dem Schlachtfeld ist die direkte Methode des Krieges notwendig; nur die indirekte kann aber einen wirklichen Sieg herbeiführen und festigen. Zersetzt alles, was im Lande des Gegners gut ist.… Mehr

Andreas aus E.
1 Jahr her

„Wichtiger als der Industriestrompreis sei daher, „Energiepreise durch höheres Angebot zu senken“, fordert die DIHK.“ Richtig! Skandalöserweise kommt der Ausbau der Windenergie nur schleppend voran. Hier könnten die Vereine der Fußballbundesliga ein vorbildliches Zeichen setzen und in jedem Anstoßkreis ihrer Stadien eines dieser modernen Geräte installieren lassen. „Zudem müsse mehr Wasserstoff produziert werden und zur Verfügung stehen, Planungssicherheit gelten, Bürokratie ab- und das Stromnetz ausgebaut werden.“ – Sehe ich nicht so. Die Bürokratie sollte vielmehr noch erheblich ausgebaut werden. Denn dann benötigten Büromenschen mehr Blusen, Hemden, Blazer, Jackets und Kostüme, deren Stoffe im Wasser gewaschen werden müssen, was ganz zwanglos… Mehr

MisterX
1 Jahr her

Da geht sie hin, die Industrie. Und mit ihr all die Versprechen, die die Politik an den Sozialstaat gemacht hat. Abwandernde Industrie bedeutet weniger Steuereinnahmen, weniger Arbeitsplätze, weniger Sozialversicherungsbeiträge usw.
Dass der Steuerzahler wieder mal die Zeche für die Unfähigkeit der Regierung übernehmen soll, ist mehr als frech. Ich hoffe die Quittung kommt.
Zu mehr als Geld und Zeit verblödeln ist diese Regierung ohne Mehrheit wirklich nicht in der Lage.

OplongFizzOplong
1 Jahr her

Das zeigt das ganze Dilemma von Funktionärskritik auf: „Zudem müsse mehr Wasserstoff produziert werden und zur Verfügung stehen, Planungssicherheit gelten, Bürokratie ab- und das Stromnetz ausgebaut werden. Hier zeigt sich, wie weit die Ampel ihren eigenen Plänen hinterherläuft: 12.000 Kilometer an neuen Stromleitungen sind laut DIHK für die Energiewende notwendig – 9000 Kilometer seien bisher noch nicht einmal genehmigt.“ So ganz will man es sich nicht verscherzen durch sachliche Kritik und so signalisiert man grundsätzlich befürworte man den eingeschlagenen Weg der Energiewende. Was würde wohl Heinrich Mann über ein solches Verhalten schreiben?! Mit der DIHK haben wir zwar keinen Vertreter… Mehr

Last edited 1 Jahr her by OplongFizzOplong