Die SPD ist zum Regieren gezwungen

Die SPD führt aktuell das Stück auf: „Die Braut, die sich nicht traut“. Doch es gilt eine Regel. Wenn bei Verhandlungen ein Dienstwagen vor der Tür wartet, steigt ein Sozialdemokrat am Ende auch ein. Die SPD ist zum Regieren gezwungen. Koste es, was es wolle – zur Not 800 Milliarden Euro neue Schulden.

picture alliance / Andreas Gora | Andreas Gora

Der Spiegel am Montag nach der Wahl in Hamburg. Selbst das von Bill Gates mitfinanzierte Blatt macht auf seiner App mit einem halben Dutzend Geschichten über die Oscar-Verleihung auf, statt den „Sieg der SPD“ zu feiern. Der bedeutet rund sechs Prozent Verlust und eines der historisch schlechtesten Ergebnisse in der Stadt von Helmut Schmidt. Da kommen selbst Spiegel-Redakteurinnen nicht mehr an der Erkenntnis vorbei, dass jeder Hollywood-Film bessere Unterhaltung bietet als der Berliner Komödiantenstadl. In dem führt die SPD aktuell das Stück „Die Braut, die sich nicht traut“ auf. Die Friedrich Merz die Hochzeit verweigern will. Öde. Schlechte Darsteller und jeder weiß: Wenn bei Verhandlungen ein Dienstwagen vor der Tür wartet, dann steigt ein Sozialdemokrat am Ende auch ein. Sie können auch nicht anders. Die SPD ist zum Regieren gezwungen. Mehr denn je.

Keine Angst. Nicht aus Verantwortung angesichts der Entwicklungen in den USA. Nicht, um die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, um für ein handlungsstarkes Europa zu sorgen, oder gar um „unsere Demokratie“™ zu verteidigen. Das sind alles nur Sprachregelungen. Erdacht, um die deutlich peinlicheren Hintergründe zu verschleiern, aus denen heraus die SPD zum Regieren gezwungen ist. Die Sehnsucht nach der Rückbank im Dienstwagen ist zwar eines der Motive. Sicherlich. Doch es geht um mehr als nur um Pfründe.

In ihrer Machtstrategie haben sich die Sozialdemokraten längst vom Wähler verabschiedet. Oder um es präziser zu sagen: vom freien Wählermarkt. Sie setzen auf institutionelle Wähler. Auf solche, die sie sich mit staatlichem Geld kaufen lassen: Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes oder das personelle Umfeld der staatlich subventionierten „Nicht Regierungsorganisationen“. Ergebnisse um die 30 Prozent schafft die SPD nur noch in Städten und Ländern, in denen sie lange schon regiert. Wo sie weit weg vom Regieren ist, droht der Sozialdemokratie bereits jetzt das Abrutschen unter die Fünf-Prozent-Hürde. Etwa in Bayern.

Der einstige Ministerpräsident Kurt Beck hat intern einmal verkündet: Im rheinland-pfälzischen Gesundheitswesen dürfe kein wichtiger Job an jemanden gehen, der nicht in der SPD sei. Das haben er und seine Nachfolger Malu Dreyer und Alexander Schweitzer dann auch durchgezogen. Wobei das Gesundheitswesen pars pro toto für andere Branchen in Rheinland-Pfalz steht. Vom Staatsfernsehen über das Glücksspiel bis zur Verwaltung. Würden im März 2026 alle die nicht wählen dürfen, die ihren Job mittelbar oder unmittelbar der SPD verdanken, die Zahl der Stimmberechtigten würde zwischen Mosel und Rhein um die Hälfte zurückgehen.

Die SPD ist zum Regieren gezwungen, um sich diese Art der Unterstützung zu sichern. Das gilt besonders für den Bund, in dem sich die SPD in den letzten 27 Jahren volle 23 Jahre in der Regierung gehalten hat.

Das Regieren sichert einem nicht nur die Macht, Wählern Jobs zu geben, um sie so an die Partei zu binden. Es ermöglicht einer Partei ganz andere Zugriffe. Keiner nutzt diese so schamlos aus wie die Innenministerin Nancy Faeser. Sie hat im Staatsfernsehen verkündet, dass schon die „gesellschaftliche Mitte anschlussfähig für Rechtsextremismus“ sei. So weitet sich ihr „Kampf gegen Rechts“ denn auch auf das gesamte politische Spektrum außerhalb der SPD und ihrer bevorzugten Koalitionspartner Grüne und Linke aus. Wer den schwachköpfigsten Vorwand liefert, dem schicken von der SPD inthronisierte Staatsanwälte morgens um 6 Uhr die Polizei ins Haus. Wer sich in seiner Kritik an der Regierung penibel an die Gesetze hält, dem hetzt eben diese Regierung halt den Inlands-Geheimdienst auf den Hals.

Für diese Gegner haben Faeser und ihr CDU-Erfüllungsgehilfe Thomas Haldenwang den Tatbestand der „Delegitimierung des Staates“ ersonnen – um Beschnüffelung zu rechtfertigen. Etwa über die Kontenbewegungen der Kritiker. Wenn sich dann immer noch nichts finden lässt, vernichtet der Staat seine Kritiker, indem eben diese Kontenbewegungen in den staatlichen und staatsnahen Medien auftauchen – verkauft als Skandal und als „exklusive Investigativrecherche“. Faeser hat selbst gesagt, dass sie die Grenzen der Gesetze und Verfassung erweitern will – so offen hat noch nie ein verantwortlicher Politiker einen Machtmissbrauch angekündigt.

Die SPD ist zum Regieren gezwungen. Um sich diese Möglichkeiten zum Machtmissbrauch zu erhalten – und um zu verhindern, dass „die Falschen“ als Nachfolger diese Untaten aufdecken könnten.

Zugegeben. Die CDU macht es der SPD einfach, am Ende doch mit ihr am Traualtar aufzutauchen. Friedrich Merz kapituliert schneller als die italienische Armee. Die Schuldenbremse einzuhalten, versprach die Union vor der Wahl. Der Hahn musste sich mit seinem dritten Krähen beeilen, um dem Verrat an diesem Versprechen zuvorzukommen.

Und wenn Friedrich Merz schon mit seinem Geschwätz von gestern aufräumt, startet er in die ungebremste Neuverschuldung nicht mit 100 Milliarden Euro. Oder mit 200 Milliarden Euro. Es sollen 400 Milliarden Euro für die Aufrüstung werden und noch einmal 400 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur. Macht 800 Milliarden Euro neuer Schulden. Das entspricht dem Umfang von einem und drei Viertel Bundeshaushalten. Das erhöht die gesamte staatliche Verschuldung um ein zusätzliches Drittel. Arbeitnehmer, die ein Haus bauen, kennen den Moment, in dem sich die Kosten von 200.000 auf 267.000 Euro erhöhen. Es ist der Moment, in dem einem klar wird, dass man selbst als Rentner noch diesen Kredit wird abbezahlen müssen. Wobei das noch eine komfortable Situation ist. Im Vergleich. Angesichts der schrumpfenden deutschen Wirtschaft muss Friedrich Merz klar sein: Er macht gerade Schulden, die dieses Land niemals zurückzahlen kann. Das ist die Vision des Mannes, der 20 Jahre lang die Kanzlerschaft von Angela Merkel ausgesessen hat, bis sie endlich ihm in den Schoss gefallen ist.

Der SPD kann’s egal sein. Solange sie regiert, kann sie davon ausgehen, dass staatliche und staatsnahe Medien bereit sein werden, jede Nebelkerze zu werfen, die nötig ist, um von der Überschuldung des Staates abzulenken. Irgendein Land auf der Welt hat immer noch mehr Schulden. Und wenn gar nichts mehr hilft, geht man mal wieder Haltung zeigen gegen Rechts. Kein Problem. Zumal jetzt das Wetter wieder besser wird.

Wenn die SPD nicht mehr an der Macht ist, wird es ihr nicht egal sein, dass sie ein überschuldetes Land hinterlässt. Es wird in ihrem Sinne sein. Wenn der Staat unregierbar wird, sehen ihre Nachfolger vielleicht genauso schlecht aus wie die Sozialdemokraten – was nun wirklich keine einfache Aufgabe ist. Kommt dieser Moment und die SPD ist eine relevant lange Zeit nicht an der Regierung, wird sie auch im Bund zu der Splitterpartei, die sie in Bayern oder Baden-Württemberg bereits ist. Um das abzuwenden, ist die SPD zum Regieren gezwungen.

Am Ende steht Lars Klingbeil mit Friedrich Merz am Traualtar. Alles dazwischen sind Verwicklungen. Nicht die unterhaltsamen, romantischen des Hollywood-Kinos. Sondern die drögen und verkopften des deutschen Subventions-Kinos. Im für Sozialdemokraten besten Fall kann die SPD die Union noch ein wenig demütigen. Etwa, indem Merz seine Anfrage zur staatlichen Finanzierung der „Nichtregierungsorganisationen“ zurückziehen muss. Die staatlichen und staatsnahen Medien unterstützen die SPD dabei, indem sie allen Ernstes eine Kampagne fahren: Angaben über staatliche Ausgaben einzufordern, unterstütze den Rechtsextremismus in Deutschland. Was zeigt, dass diese Art von „Journalisten“ Schoßhündchen sind, die sich für keine Pirouette zu stolz sind, die Frauchen ihnen abverlangt. Schon allein deshalb ist die SPD zum Regiergen gezwungen – um diese Schoßjournalisten am Tanzen zu halten.

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Kommentare ( 28 )

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Hugohugo
12 Tage her

Eine verbrecheriche Schuldenorgie zu Lasten meiner Kinder. Reichen denn 1,3 Billionen Rüstung der Nato gegen die 110 Mrd der Russen nicht. Die schaffen ja nicht mal die Mini Ukraine. Und während russische Rohstoffe nach China und Indien gegen und die Ukraine von den USA geplündert wird bezahlen die Europäer die Zeche. Dummheit und grenzenlose Arroganz.

Rasparis
13 Tage her

„Angesichts der schrumpfenden deutschen Wirtschaft muss Friedrich Merz klar sein: Er macht gerade Schulden, die dieses Land niemals zurückzahlen kann.“
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Wie wahr – zurückzahlen soll diese Schulden Rußland – deswegen darf es eben auch keinen Sieg Putins geben.
Andernfalls der gross“€U“ropäischen Wohlstandssphäre a la Bruxelles ein 14 Juillet.

Siggi
13 Tage her

Zum Regieren gezwungen? Wohl eher zum Versagen gezwungen. Warum sollten die Versager es jetzt besser können?

„Man“ wird eine Billionen Euro Schulden machen, die dann im blinden Aktionismus primär in die Migration gehen, dann die Infrastruktur, was bedeutet, Wohnraum für die Zusätzlichen, und der klägliche Rest geht in das Fass ohne Boden, die Ukraine.

alter weisser Mann
13 Tage her

So viele Worte um die simple Wahrheit, dass die sozialdemokratischen Bonzen eine traditionelle Affinität zu den Plätzen am Trog haben.
Seit der Weimarer Republik, siehe Hans Fallada „Bauern Bonzen und Bomben“ (1931).

Peter Gramm
13 Tage her

System Parteienstaat ein Vehikel zum Ausrauben der Untertanen. Das Interview zwischen Frau Kosubek und Frau Kotre ist sehr aufschlussreich wenn nicht sogar erschreckend. Zeigt aber überdeutlich den von mir schon mehrfach geäußerten Verdacht lediglich pekuniären Interessen unserer Volksvertreter.

PK110
13 Tage her

Wahrscheinlich wird Merz Kanzler und die SPD bestimmt die politische Richtung.

Michael Palusch
13 Tage her

Arbeitnehmer, die ein Haus bauen, kennen den Moment, in dem sich die Kosten von 200.000 auf 267.000 Euro erhöhen

Wo kann man denn noch ein Haus für 200.000€ (270.000€) bauen?

hansgunther
13 Tage her

Wo die BILD recht hat, hat sie recht: Schon wieder! Der nächste Ortskräfte-Flug aus Afghanistan nach Deutschland – in dem aber kaum Ortskräfte sind! Nur 2 von 157 der ankommenden Afghanen (davon 13 Angehörige) haben tatsächlich für die Bundeswehr und für das Entwicklungshilfeministerium gearbeitet. Bei den anderen sind die Identitäten „in vielen Fällen zweifelhaft oder sogar vollständig ungeklärt.“ Das kann, das darf einfach nicht mehr sein! Jetzt ist die Politik gefragt: Fast-Kanzler Friedrich Merz hat den Wählern im Wahlkampf die Migrations-Wende versprochen, titulierte die noch laufende Aufnahme von weiteren afghanischen Ortskräften als „wahnsinnig“. Nur 2 von 157 sind OrtskräfteAm Mittwoch… Mehr

Boris G
13 Tage her

Lieber Herr Thurnes, sie beschreiben wunderschön bissig das Dilemma der medialen Demokratien, in denen Parteien sich ihre Wähler kaufen müssen. Aktuell ist das Pendel in Deutschland weit nach links ausgeschlagen, aber in unseren Nachbarstaaten kann man staunend sehen, wie rasch dieses Pendel wieder nach rechts schwingen kann – trotz medialer Übermacht der Linken. Wenn SPD und CDU sich einer rationalen Lösung unserer Probleme verweigern (die Schweiz zeigt wie das geht: Staatsverschuldung 22%, Staatsquote 33%) und stattdessen den letzten Stabilitätsanker der Euro-Zone lichten wollen, dann werden die Kapitalmärkte den Daumen senken. 800 Milliarden sind bei schrumpfender Wirtschaft und schrumpfender biodeutscher Erwerbsbevölkerung… Mehr

Mikmi
13 Tage her

Sollten SPD und CDU dieses Sondervermögen noch in den nächsten drei Wochen durchziehen, dann kann ich der AfD und den Linken nur empfehlen, blockiert alles was dann kommt, das ist ja dann auch demokratisch legitim.