Die Schäden der Euro-Rettung: Zerstörung des Geldsystems

Wer gehofft hat, mit dem Amt komme der Verstand und die Bereitschaft, sich in den europäischen Geleitzug einzuordnen, sieht sich getäuscht: Der Ton gegenüber den internationalen Geldgebern ist weiterhin angriffslustig, selbstbewusst und zu Recht: siegesgewiss. So hat der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras am Donnerstag im griechischen Parlament versprochen, der Austeritätspolitik der Europäischen Union „ein für alle Mal ein Ende zu bereiten“ und harte Verhandlungen über neue Bedingungen für Griechenland zu führen.“ Griechenland wird keine Befehle mehr akzeptieren, erst recht keine, die per E-Mail kommen“, sagte er.  Nachdem jetzt faktisch die EU einknickt, wird klar: Griechenland hat sich durchgesetzt; aber der eigentliche Schaden kommt nicht vom Geld, sondern von der Zerstörung unserer Währungsordnung.

Fensterreden in Berlin

In Berlin hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble noch seinen griechischen Gegenspieler auflaufen lassen und sich gar nicht erst auf die Debatte über einen mehr oder weniger maskierten Schuldenschnitt eingelassen. „Wir stimmen überein, dass wir nicht übereinstimmen“, hat Schäuble gesagt.

Muss er auch gar nicht. Die Europäische Zentralbank versorgt Griechenland mit Barem, der Rest kommt aus Brüssel, und über die bekannten Hintergrund-Kanäle landet die Rechnung beim deutschen Steuerzahler, trotz aller Fensterreden. Die finanzielle Bilanz zieht Frank Schäffler.

Aber dabei ist das Schlimme gar nicht das Geld. Dass Griechenland jemals seine Schulden zurück zahlt, ist ohnehin nicht zu erwarten, und die vermeintliche Härte der geprellten Geldgeber nur der Versuch, die Bilanz zu beschönigen. Griechenland ist pleite, aber darf nicht so genannt werden, damit nicht deutlich wird, dass Deutschland dafür zahlt.

Das eigentlich Schlimme an der derzeitigen Situation ist, dass sie das groteske Scheitern der Euro-Rettungspolitik offenbart. Denn seit 2010 wurde die Geld-Verfassung in Europa dramatisch geändert. Die ursprüngliche „No-Bail-Out-Klausel“ wurde aufgelöst – also das Prinzip, dass jedes Land für seine eigenen Schulden haftet, wurde durch einen Haftungsverbund ersetzt, faktisch eine gewaltige Umverteilungsmaschine. Die Bereitschaft der Europäischen Zentralbank, den Euro unbegrenzt zu verteidigen, hat zu einer gewaltigen fiskalischen Interventionspolitik der EZB geführt. Zuletzt hat sie im Januar beschlossen, für die sagenhafte Summe von 1,14 Billionen Euro Anleihen zu kaufen. Damit hat sie die Finanzierung der Staaten und maroder Banken auf sich gezogen. Längst schaut die EZB tatenlos zu, wie sich griechische Banken mit Schrottanleihen Geld besorgen, die sie dann bei der griechischen Staatsbank einreichen und zu Euros machen; ähnlich macht es auch der griechische Staat. Damit erfolgt die gesamte Finanzierung des bankrotten Landes aus der Notenpresse. Fiskalpakt, Haushaltsüberwachung, „Six-Pack“ – im erfinden toller Namen waren die Retter erfindungsreich. Geholfen hat nichts von alledem. Der Euro hat damit seinen Charakter geändert: Ursprünglich war er nach dem Muster der Deutschen Mark konstruiert und sollte Frankfurt als Sitz der EZB diese Tradition symbolisieren. Bleibt man im Bild, dann ist die EZB heute eine Art italienische Zentralbank mit Sitz in Frankfurt. Wir sollten ihn nicht mehr Euro nennen, sondern Leuro; die Konnotation Lira entspricht den schlichten Tatsachen.

Die Zerstörung der Geldordnung und des Europäischen Gedankens

Der Preis für die Rettungspolitik ist die Zerstörung der fiskalischen und monetären Ordnung – aber was die Sache so schlimm macht: Griechenland ist nach vier Jahren Rettung so pleite wie zu vor – mit einem Unterschied: Es ist gelungen, die Verantwortung einseitig auf Deutschland abzuwälzen. Die Phase der friedvollen, sich vertiefenden europäischen Einigung ist einer gereizten Atmosphäre gegenseitiger Vorwürfe gewichen; die Sprache des Hasses der unmittelbaren Nachkriegszeit ist zurückgekehrt, und so wird Angela Merkel mit Hitler-Bärtchen symbolisiert und Deutschland als das 4. Reich dämonisiert. Der Euro hat dazu beigetragen, den europäischen Gedanken zu schwächen – vielleicht sogar irreparabel. Statt mehr Einigung, die sich viele erhofften, wächst nur die Uneinigkeit. Und nachdem sich Griechenland durchgesetzt hat, wird der Spaltpilz seine Wirkung erst entfalten: Warum sollte die Regierung in Spanien ihren unpopulären Reformkurs durchhalten, wenn doch die Mehrkosten populärer Sozialleistungen, die Gehälter ebenso überflüssiger wie korrupter Beamter, Mindestlöhne und Weihnachtsgeld für Rentner, ohnehin von den Deutschen bezahlt werden? Europa ist damit einem Mechanismus ausgeliefert, der es zerstört.

Nun konnte man das alles wissen. Gegner der Euro-Rettungspolitik haben diesen Weg ins Verderben mehr oder weniger präzise vorausgesehen; wobei es meist schlimmer kam, als die schlimmsten Pessimisten sich das ausgedacht haben. Sie wurden als Europafeinde beschimpft, aus Ämtern entfernt, oft genug als neue Nazis gebrandmarkt. Das ist die innenpolitische Bilanz der Euro-Rettung.

Dabei ist den Rettern gar nicht so sehr der Vorwurf zu machen. Die Gefahr, dass sich ganz Europa die griechische Pest an Bord holt, war nicht von der Hand zu weisen. Deshalb habe ich auch immer die Rettung kritisiert, nicht die Retter: Es ist schon klar, dass Politik, die am Ende die Verantwortung übernehmen muß, sich am liebsten auf das Durchwursteln besinnt, harte Entscheidungen ablehnt und Risiken vermeidet – und sich damit größere einhandelt. Genau vor diesem Dilemma steht jetzt Bundeskanzlerin Angela Merkel: Spätestens jetzt sieht man, dass ihre Rettungsaktionen nicht alternativlos waren, sondern einfach falsch. Sie haben mit viel Geld und Geduld das Geldsystem zerstört; Europa geschwächt, die europäische Einigung gefährdet, die Zukunftschancen reduziert. Sie steht buchstäblich vor den Scherben ihres Bemühens. Alternativlos. Dazu ein Beitrag aus dem Mai 2010. . Er zeigt das Währungs-ABC: Gestartet als Teure über den Weuro (2010) zu seiner vorläufigen Höchstform.

Vor diesem Hintergrund drängt sich eine Lösung auf, die 2010 abgelehnt, vielleicht sogar abgelehnt werden musste, weil sie zu riskant erschien: Das Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone. Denn Griechenland braucht also zweierlei: Einen Schuldenschnitt und die Rückkehr zu eigenen Währung, die es dann gemäß seiner reduzierten Leistungsfähigkeit abwerten kann. Eine Ansteckungsgefahr besteht nicht mehr. Griechenland ist ein failed State am Rande Europas. Das ist die Tatsache, um die man sich nicht mehr herumdrücken kann. Mit mehr Geld und Zerstörung der Rechtsordnung ist dem aber nicht beizukommen.

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