Die Medien in der AfD-Sackgasse

Die AfD hat in Magdeburg ihre ersten Kandidaten für die EU-Wahl gewählt. Das kann sich aber aufgrund des Wahlrechts in der Partei noch ziehen. Derweil rücken erstmals die Inhalte der AfD in den Mittelpunkt der Berichterstattung.

IMAGO / Sven Simon

Redaktionskonferenz einer Lokalzeitung in Rheinland-Pfalz. Ein Reporter will über einen Antrag der AfD berichten, die seit einem Jahr im Landtag sitzt. Die Chefs lehnen das Thema ab: Dabei würde die AfD zu gut wegkommen. Das Wort führt dabei eine alternde Führungskraft, die noch jeden Floh ins Blatt gebracht hat, den ihm sein Einflüsterer aus der SPD ins Ohr gesetzt hat.

Es ist eine Szene aus deutschen Redaktionen. Willkürlich ausgesucht. Aber dann halt doch nicht. Denn sie sagt viel aus über die Berichterstattung, mit der die allermeisten deutschen Medien die AfD in den zehn Jahren ihres Bestehens begleitet haben. Diese Berichterstattung hat sie nun in eine Sackgasse geführt. Zehn Jahre lang haben sie sich als Vertreter des „Haltungsjournalismus“ als Gegner der AfD positioniert. Nun steht die stabil bei über 20 Prozent in den Umfragen, stellt einen ersten Landrat und Bürgermeister. Die gleichen Journalisten wollen diesen Erfolg nun analysieren – werden aber halt nicht als kundige Beobachter gesehen, sondern als Gegner. Und deren Analysen kommen dann halt zum Ergebnis, dass die AfD schlecht ist … Nein! Doch. Ohhh …

Parteitag in Magdeburg
Die Tage der AfD
Nun lässt sich durchaus kritisch über die AfD berichten. Wenn man Journalist geblieben ist. So wählt die Partei in Magdeburg ihre Liste für die EU-Wahl. Da fällt der Scheinwerfer automatisch auf das Thema Europapolitik. Ein durchaus heikles Thema für eine nationale Partei. Als es darum geht, ob sich die AfD der europäischen Sammlungspartei ID fest anschließen soll, melden sich durchaus Delegierte des Parteitags zu Wort: Die AfD sei eine Partei von Deutschen für Deutsche, da passe es nicht, sich einer europäischen Partei unterzuordnen.

Oder der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla. Er wird von ARD-Journalisten an die Kernforderung der Partei erinnert, den Euro abschaffen zu wollen. Nun muss er zwischen Wünschen der Basis und vermarktbaren, gemäßigten Positionen hin und her rudern: „Was wir wollen als AfD ist eine stabile Währung, ähnlich wie es die D-Mark auch war: Und wenn es mit dem Euro möglich ist, natürlich auch mit dem Euro.“ Paradox: Immer dann, wenn Haltungsjournalisten ihre Meinung über die AfD aufs Volk herabposaunen, verhallt das ungehört. Lassen sie Chrupalla reden, kommen seine Widersprüche ganz von alleine raus.

Doch das fällt den Haltungsjournalisten so unglaublich schwer. Vor allem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da ist dieser Moderator, der auf Phoenix zwar nahezu alles wegmoderiert, aber fürs Hauptprogramm einfach nicht gut genug aussieht, sodass sich am Ende keiner seinen Namen merken will. Das ganze Jahr versteht er sich auf den Parteitagen von Linken bis zur CSU als serviler Stichwortgeber. Gegenüber der AfD will er nun beweisen, dass er mehr kann als nur Spartensender. Nur scheint er vergessen zu haben, wie kritischer Journalismus geht, also versucht er das darzustellen, was er von kritischem Journalismus erinnert: Er fällt ins Wort, wirft Stichwörter rein, die nicht passen und kommentiert nach, wenn er zuvor den AfD-Gesprächspartner nicht gescheit stellen konnte. Also nahezu immer. Das wirkt ein bisschen wie eine Hausmaus, die an der Cola genascht hat und nun ihre Energie nicht kanalisieren kann.

Nach den Gruppenvergewaltigungen in Berlin
Die CDU bringt uns um unsere Sicherheit
Dabei lässt sich die AfD viel besser entspannt zurückgelehnt schildern. Etwa die ständige Besorgtheit ihrer Mitglieder, diese „German Angst“, die sie lustigerweise viel stärker mit ihrem ideologischen Hauptgegner verbindet, als den Mitgliedern lieb sein kann: nämlich mit den Grünen. Wie die Grünen auch sind die AfD-Mitglieder in erster Linie skeptisch. Vielleicht bei anderen Themen, aber nicht mal das durchgehend.

Sich einer europäischen Sammlungspartei anschließen, ist nur ein Punkt, der in der AfD Skepsis hervorruft. Ein anderer sind Delegierte, die sich wählen lassen wollen, etwa fürs Parteigericht, aber bereits für einen Abgeordneten arbeiten. Oder Mitgliedschaften, die Bewerber vor ihrer AfD-Zeit hatten. Oder Medien, die über den Parteitag berichten. Die solle man ausschließen, um sich mal unter sich unterhalten zu können. Und dann elektronische Wahlgeräte. Die könnten manipuliert werden. Deswegen lehnen sie die Delegierten ab. Eine Diskussion, die es vor gut zehn Jahren genauso bei den Grünen gab. Am Ende wählt der Parteitag 30 Bewerber für das EU-Parlament handschriftlich. Das zieht sich. Deswegen braucht die Partei zwei volle Tage für die Liste – vielleicht muss sie nächste Woche die Wahl noch fortsetzen.

96 deutsche Abgeordnete ziehen ins EU-Parlament ein. Pro Prozentpunkt gibt es also etwa einen Abgeordneten. 30 Kandidaten sind angesichts von Umfragewerten um die 20 Prozent gar nicht mal so unrealistisch. Zumal eine Partei in einer fünf Jahre dauernden Wahlperiode auch Nachrücker braucht. Außerdem könnten bei dieser EU-Wahl einige Parteien außen vor bleiben, weil zum ersten Mal eine Zwei-Prozent-Klausel für dieses Parlament gilt.

Wahlen ändern die Gewählten nicht
Welche Partei kanzlert, ist egal: jede Regierung agiert "grün"-woke
Die umständliche Wahl auf dem Parteitag reicht der Bild für eine Geschichte über das Wahlchaos bei der AfD. Über die lachen die Delegierten. Aber auch die Beobachter, die sich den Parteitag selbst anschauen. Umständlich ist das Wahlverfahren definitiv. Es zieht sich auch hin, das durchaus. Aber chaotisch ist es eigentlich nicht, zumindest nicht chaotischer als bei anderen Parteien. Nur das darzustellen, wäre ein bisschen komplizierter. „Chaos“ scheint auf der Empörungstastatur aber auf F4 abgespeichert und für die eigenen Leser leichter zu verdauen, also verkündet der Bericht Chaos. Den eigenen, immer überschaubarer werdenden Leserkreis mag die Bild damit bedienen. Wer sich auskennt, lacht über sie.

Neben der ablehnenden Haltung ist es diese permanent überspitzte Sprache, die es den meisten Medien schwermacht, über die AfD zu berichten. Als rechts haben sie die Partei schon geframt, als Professor Bernd Lucke noch vor den Folgen der grenzenlosen „Euro-Rettung“ gewarnt hat. Wie wollen sich die Haltungsjournalisten jetzt, zehn Jahre danach, noch ausdrücken? Da die Partei Maximilian Krah zum Spitzenkandidaten für die EU-Wahl gemacht hat, gegen den Lucke wie ein woker Grüner wirkt.

Das RBB24-Inforadio behilft sich damit, dass die AfD „Vertreter des äußersten rechten Lagers“ zu Spitzenkandidaten gewählt hätte. Wer den Zustand der Dauerpanik liebt, ist beim RBB noch gut aufgehoben. Wer selber denkt, amüsiert sich über eine Berichterstattung, in der die als rechtsextrem unter Extremismusverdacht stehende Partei äußerst rechte Kandidaten wählt. Das schreckt nicht ab, sondern macht Lust auf mehr sprachliche Spreizereien.

Die Haltungsjournalisten im RBB geben keinen Halbsatz preis, um ihre Verachtung gegenüber der Partei auszudrücken. Da wollen mindestens „150 Leute einen Posten“. Bei den Linken, der SPD, den Grünen, der FDP und der CDU kandidieren Menschen fürs Parlament laut RBB – in der AfD wollen Leute einen Posten. Habt ihr’s verstanden, RBB-Volk: Die AfD ist böse und ihr sollt sie nicht wählen. Wer so schon in den Nachrichten framt, dem wartet keiner mit Verstand den Kommentar ab – er weiß eh, was darin vorkommt.

Dabei ließe sich über Spitzenkandidat Krah schon einiges sagen. Den 46-Jährigen sehen in der eigenen Partei manche als „Zeitbombe“, ob seinen Verstrickungen in Skandale. Etwa um den Vorwurf, die Vergabe eines Auftrags manipuliert zu haben. Zweimal hat ihn die ID-Fraktion wegen solcher Vorwürfe suspendiert. Auch habe der EU-Abgeordnete international nicht die Kandidaten der ID unterstützt, sondern noch radikalere. Der Jurist gilt zudem als jemand, der harte Mittel einsetzt, um Konkurrenten auszubooten. TE bedrohte er ob der kritischen Berichterstattung mit Klage.

Durch die Berichte der letzten drei Tage zieht sich der rote Faden, dass Thüringens Parteichef Björn Höcke dabei sei, die Partei auf seine Machtübernahme vorzubereiten. Er setze seine Leute in entscheidende Positionen. Chrupallas Co-Vorsitzende Alice Weidel dulde er vorerst nur als Tarnung, damit die Partei weniger radikal wirke, als sie sei. Da ist was dran. Darüber werden wir weiterhin berichten. Nüchtern. Denn wer dauernd nur pauschal und panisch seine Ablehnung verkündet, dem hört halt irgendwann niemand zu.

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Kommentare ( 86 )

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Inana
1 Jahr her

Die eigentliche AfD-Falle ist eher was ganz anderes. Durch die Etablierung der AfD und der Dämonisierung durch die Medien fehlt der CDU die bürgerliche Machtoption und damit wird die zum Steigbügelhalter der Linksgrünen.
Und das ist auch der Grund warum die Medien die AfD so dämonisieren. Sie zielen dabei nicht auf die potentiellen AfD-Wähler, die eh nicht zuhören- sondern im Wesentlichen auf die CDU. Ihr wird so die nicht-linke Machtoption genommen werden – womit zum Steigbügelhalter der Linksgrünen wird.

Fritz Goergen
1 Jahr her
Antworten an  Inana

Exakt so ist es.

Der Ketzer
1 Jahr her

Nicht vergessen! Die AfD stellt nicht lediglich einen ersten Landrat, sondern mit ihm zugleich den ersten zertifizierten Demokraten! Welche andere Partei kann das von sich behaupten?

Michael Grieme
1 Jahr her

Andere sog. ehemalige Leitmedien großer deutscher Verlage erleben gerade nach ihrer Magdeburg Berichterstattung, dass die Leser in den Kommentarspalten mit großer Mehrheit Partei für die AFD ergreifen, auch wenn sie sich nicht alle mit ihr solidarisieren. Woran könnte das wohl liegen?

gladius
1 Jahr her

Die AfD ist m.E. aktuell die einzig wählbare Partei.

Schade, Herr Thurnes.

Julian Schneider
1 Jahr her

100prozent richtig. Sehe ich genauso. Oder schreiben Sie mal etwas differenziertes zu Russland, das keine Lobhudelei für Putin ist. Der Fanatismus ist ähnlich der Klimajünger. Differnzieren ist genauso unmöglich wie auf der anderen Seite. So scheint der Mensch heutzutage zu sein. Schlecht für alle, die analytisch und lösungsorientiert und eben differenziert denken.

Julian Schneider
1 Jahr her

Um Gottes Willen. Ich habe mir lange angesehen, wohin ich umziehe. Und ja. Ich bin ins Ausland. In Thüringen und Sachsen hat mich die Mischung aus tatsächlich rechtsextremen und immer noch der DDR nachweinenden Menschen dann davon abgehalten. Und wer nach 40 Jahren kommunistischer Unterdrückung immer noch Russland und Putin toll findet, ist wohl dem Stockholm-Syndrom anheim gefallen.

Walter Eiden
1 Jahr her

„Wir brauchen mit Sicherheit keine neue Meinungsdiktatur von der anderen Seite.“

Diese wäre sicherlich nicht wünschenswert. Ich bin mir aber nicht sicher ob es nicht genau das wäre was wir bräuchten. Denn der Meinungsaustausch ist de facto abgeschafft und gegen die permanent im Einsatz befindliche rechte Nazischwurblerkeule kommt man auch mit der sachlichsten und faktischsten geäußersten Meinung nicht an.

Kraichgau
1 Jahr her

Mann könnte auch ganz neutral sagen,das der mit den bestem Landtagsergebnissen logischerweise auch national mitsprechen darf…ist bei der CDU genauso

Der Michel
1 Jahr her

Ich habe inzwischen viele Kommentare zu Thurnes‘ Artikel gelesen. Ja, es gab deutliche Kritik (auch von mir), aber – und das ist der Unterschied zur Kritik, die von linksgrün kommt – nie ad personam, sondern stets am Inhalt der Aussagen. Wenn Ihnen das schon zu heftig ist, dann sollten Sie vielleicht nach Bullerbü auswandern. (War das jetzt auch schon wieder zu viel?)

Diogenes
1 Jahr her

Na ja, – dieser Krah ist mutmaßlich nicht gerade der Typ den die Freunde der AfD in Ost und West begeistert beklatschen würden, sofern sie überhaupt jemals was von ihm gehört haben. Aber was soll’s. In Brüssel spielen sowieso andere Qualitäten eine Rolle als in der zerfledderten Heimat. Vielleicht ist er dort der Richtige, aber den echten, starken, national bewußten Parteien der „Südstaaten“ kann er sicher nicht das Wasser reichen. Hauptsache er spielt dort, in dem fiktiven Staat der abgehalfterten, für die Heimat nichtsnutzigen Leute, keine keine U-Boot Rolle, indem er der Heimatpartei möglicherweise schaden möchte. Man kann manchen Menschen… Mehr