Die Linke: „So stark wie möglich absteigen“

Janine Wissler und Martin Schirdewan haben verkündet, dass sie im Oktober nicht mehr als Vorsitzende der Linken antreten. Zwei Wochen vor den wichtigen Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Die Linken trudeln Richtung Abstieg.

picture alliance / Chris Emil Janßen | Chris Emil Janssen

Da bist du Martin Schirdewan. Seit zwei Jahren Vorsitzender der Linken. Du weißt, von dir wird kaum etwas in Erinnerung bleiben. Am ehesten noch dein Abgang. Also versau den nicht. Wenn gleich dein Wagen anhält, stehen da Journalisten mit Kameras und wollen ein Statement von dir. Sag ihnen, dass du noch dafür kämpfen wirst, dass die Linken bei den anstehenden Landtagswahlen stark abschneiden werden. Ganz einfach. Stark abschneiden. Das klingt optimistisch. Stark abschneiden. Da sind die Journalisten, die Kameras, also los, Martin, sag deinen Spruch auf: „Wir gucken jetzt aber erst mal darauf, dass wir in den drei ostdeutschen Bundesländern, wo Landtagswahlen anstehen… so stark wie möglich absteigen. Abschneiden.“ Damned! Verbockt.

Zwei Jahre war Schirdewan zusammen mit Janine Wissler Vorsitzender der Linken. In den zwei Jahren ging es für die Partei nur noch bergab: Keine drei Prozent bei der bundesweiten EU-Wahl, Schirdewan war der Spitzenkandidat. Als ehemaliger Ostpartei droht ihr im September der Rauswurf aus den Landtagen in Sachsen und Brandenburg. Die bisherige Hochburg Thüringen, in der Bodo Ramelow der erste und einzige linke Ministerpräsident der bundesdeutschen Geschichte war, steht davor, geschliffen zu werden – und die Linke auf Platz vier abzurutschen. Noch hinter das Bündnis Sahra Wagenknecht, das die einstige Vorsitzende der Kommunistischen Plattform in der PDS aus dem Fleisch der Linken heraus gegründet hat. Die größte aller Niederlagen Wisslers und Schirdewans.

Wissler war länger Vorsitzende der Linken als Schirdewan. Wie lange eigentlich? Ein Blick auf Wikipedia überrascht: Es waren nur drei Jahre. Gefühlt kam es einer Epoche gleich. Einer Epoche des Niedergangs. Andere haben 40 Jahre gebraucht, um eine Partei so hoffnungslos vor die Wand zu fahren wie die Hessin. Wissler erklärt in die Kameras, dass sie weiter für die Linke kämpfen werde. Was sich für die Genossen eher wie eine Drohung anhört, meint aber letztlich nur, dass sie ihr Mandat im Bundestag behält. 11.300 Euro Gehalt und 5.000 Euro steuerfreie Unkostenpauschale jeden Monat kassieren – so macht auch der Klassenkampf Spaß.

Die Abspaltung des Bündnis Sahra Wagenknecht aus der Linken. Das Abrutschen im Bund auf 4,9 Prozent bei den Wahlen. Die 2,7 Prozent bei der EU-Wahl. Die krachenden Niederlagen bei den Landtagswahlen, etwa im eigenen Bundesland Hessen. Dazu die inhaltliche und personelle Lehre der Linken. Eine Partei, die nur noch eine wirr nachplappernde Kopie der Grünen ist. Die in der Pandemie bewiesen hat, wo sie im Zweifelsfall steht: an der Seite der Mächtigen. Nicht an der Seite des Volks. Die Lücke, die Wissler hinterlässt, ist charismatischer als Wissler selbst.

Wissler flötet wie Schirdewan die Sprachregelungen ins Mikrofon. Immerhin verhaspelt sie sich nicht, beim „bestmöglich abschneiden“. Aber das ist schon alles an Gutem, was sich über sie sagen lässt. Die beiden hätten sich den Austritt lange durchdacht, sagt sie. Ach ja? Lange durchdacht, solide geplant und dann zwei Wochen vor wichtigen Wahlen hingeschmissen? Das Amt nach nur zwei beziehungsweise drei Jahren fluchtartig verlassen? Wenn so die langen durchdachten Entscheidungen von Wissler und Schirdewan aussehen, möchte man die unüberlegten Entscheidungen gar nicht erst kennenlernen. Wobei, vielleicht doch. Schlechter kann es kaum werden.

Bis zum Parteitag im Oktober bleiben Wissler und Schirdewan im Amt. Das gibt ihnen voraussichtlich die Gelegenheit, ihre Gesichter dazu herzugeben, wozu die sich am besten eignen und als was sie sich längst bewährt haben: als die Gesichter zur Niederlage. Der Spiegel handelt Jan von Aken als potenziellen Nachfolger. Ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter, verurteilt wegen Aufforderung zu einer Straftat. So wird der Klassenkampf zum Abstiegskampf.

Fans haben die Linken nur noch in den Medien. Etwa im Spiegel. Der schreibt angesichts des Verzichts von Wissler und Schirdewan vom möglichen Biden-Moment der Partei. Doch bei aller Kritik an Joe Biden. Der Mann war Präsident und Vizepräsident der USA. Er ist ein Schwergewicht. Ihn mit Wissler und Schirdewan zu vergleichen, ist eine Unverschämtheit gegenüber Biden. Der überhastete Rückzug der beiden zwei Wochen vor wichtigen Wahlen ist ein Peter-Knäbel-Moment: Ein Nottrainer, den man zwei Monate vorm Abstieg verpflichtet und einen Monat davor feuert, weil es mit ihm noch schlimmer geworden ist. So gesehen hat Martin Schirdewan ein Ziel erreicht. Mit ihm und Wissler ist die Linke „so stark wie möglich“ abgestiegen.

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Kommentare ( 32 )

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32 Comments
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Warte nicht auf bessre zeiten
28 Tage her

Namenswechsel gehört praktisch zur DNA dieser Partei. Gegründet 1919 als KPD (Spartakusbund) war sie kurze Zeit später nur noch eine kleine Splitterpartei, nachdem die Kommunstische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) sich von der moskauhörigen Partei abgespalten und den Großteil der Mitglieder mit sich genommen hatte. Nur durch den Zusammenschluss mit dem linken Flügel der USPD wurde sie wieder eine Massenpartei. Nun nannte sie sich Vereinigte Kommunistsche Partei Deutschlands (VKPD). Das V lies man bald wieder weg, die Mitglieder und Wähler hatte man. 1945 zeigte sich, dass die KPD in freien Wahlen keinen Blumentopf gewinnen konnte, da wurde man mit der SPD zur… Mehr

alter weisser Mann
28 Tage her

Schirdewan hat sich immerhin neben der nicht so ganz dolle geflogenen Rackete doch kurz vorm „verantwortungsbewussten Rücktritt“ nochmal für ein paar Jahre ein warmes Plätzchen im Europaparlament gesichert. Da kann er prima herumtönen.

Ulrich
29 Tage her

Wenn man sich für Thüringen die Prognosen so anschaut, dann haben die Genossinnen und -nossen alles richtig gemacht: die Fraktionsgemeinschaft Linke/BSW kommt auf 35% und kann schon einmal die Landesmutter/-vater stellen. Von den Wahlplakaten lächelt zwar Frau Wagenknecht, aber die zur Wahl stehenden Kandidaten sind altbewährte Funktionsträger der Linke wie die OB von Eisenach Wolf. Und von großen innerparteilichen Zerwürfnissen war die Thüringer Linke nun nicht geprägt. Also: getrennt marschieren, vereint schlagen. Und der Mario von der Blockpartei wird sicher das machen, was er die letzten Jahre auch schon gemacht hat: Gehacktesbrötchen essen und den Genossen zustimmen.

Kassandra
28 Tage her
Antworten an  Ulrich

Ja. Bei t-online berichten sie äußerst wohlwollend über den Auftritt der Wagenknechtpartei in Eisenach: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100471426/wagenknecht-wahlkampfauftakt-in-thueringen-ich-waehle-afd-oder-bsw-.html
Die uns Zugemuteten und das Gesamtgefüge allein durch ihr Dasein zerstörenden scheinen dabei gar nicht vorzukommen – und Länderpolitik scheint sie gar nicht erst anzusprechen, die Gründerin.
Wissen die Wähler, dass sie ihr Landesparlament wählen – und dass Wagenknecht da gar nicht angekreuzt werden kann – sondern linke wie ein gewisser Schütz und Wolf?

Der-Michel
29 Tage her

Die einzig wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist lediglich die, wer zukünftig von den versteckten SED – Geldern profitiert. Oder wurden diese Gelder mittlerweile erfolgreich „privatisiert“?

Dr. Thomas Schimpff
29 Tage her

Endlich einmal ein gute Nachricht. Und das zum Wochenbeginn. Der SED-Nachfolgerpartei geht die Puste endgültig aus. Schön.

Julischka
28 Tage her
Antworten an  Dr. Thomas Schimpff

Der SED-Nachfolgepartei geht nicht die Puste aus, die hat nur eine Namensänderung vorgenommen, BSW!

Dr_Dolittle
29 Tage her

Das ist die Kehrseite der Häutung zu BSW.

Biskaborn
29 Tage her

Die Linke braucht niemand, übrigens das BSW auch nicht, dieses ist nichts weiter als die Linke nur intelligenter verpackt! Was aber mehr als erstaunt, eine ansonsten zurecht im Niedergang begriffene SPD wollen in Brandenburg tatsächlich noch 20% wählen. Ist der SPD Ministerpräsident tatsächlich so gut , das die Brandenburger ihn behalten wollen?

Dr. Rehmstack
29 Tage her

Fans haben die Linken nur noch in den Medien. Etwa im Spiegel.“ und im ÖRR, PHÖNIX ist ein sicherer Hort für die Linke, der Finanzverwalter des SED Vermögens, Herr Bartsch, wird sehr gerne dort zum Gespräch gebeten. Ganz nebenbei, schon das Berliner Kabarett „Die Insulaner“ wussten zu singen: „Der Schirdewan, der Schirdewan, der richtet nur noch Schaden an.“ Gemeint war da allerdings der Opa, Ordens geschmücktes Mitglied des SED Politbüros.

Jens Frisch
29 Tage her

Die Wahlumfrage in Sachsen lässt meiner Phantasie freien Lauf: Ein Landesparlament ohne Linke, Grüne, SPD und FDP. Die CDU steht vor der Wahl: Mit der AfD oder den Kommunisten? Mal schauen, was an der Basis los ist, wenn die Parteispitze meint den Wählerwillen ignorieren zu können!

fatherted
29 Tage her

Ähm?…“Eine Partei, die nur noch eine wirr nachplappernde Kopie der Grünen ist. Die in der Pandemie bewiesen hat, wo sie im Zweifelsfall steht: an der Seite der Mächtigen. Nicht an der Seite des Volks.“….seit wann stand die SED auch nur irgendwann an der Seite des Volkes? Es handelte und handelt sich doch nur um die Erben des DDR Apparatschik Regimes, dass von der UDSSR eingesetzt, die Ostdeutschland vierzig Jahre lange terrorisierte und beherrschte….die eigentliche Frage ist doch….warum diese Partei nach dem Fall der Mauer weiterhin Bestand haben konnte? Warum hochrangige FunktionärINNNNNEN aus dieser Partei ohne Widerstand in die demokratischen Parteien… Mehr