Die FDP ist in der Ampel inhaltlich erledigt

Maßhalten in der Pandemie, die Normalität zurückbringen. Das waren die Themen, für die Menschen FDP gewählt haben. Nach acht Monaten Ampel hat sie diese aufgegeben, ist inhaltlich erledigt. Die nächsten drei Jahre sind liberales Verwesen.

IMAGO / photothek

Von Justizminister Marco Buschmann macht ein Meme die Runde. Es zeigt den FDP-Politiker mit einem Zitat von ihm: „Es gibt ein absolutes Ende aller Maßnahmen und alle Maßnahmen enden spätestens mit dem Frühlingsbeginn am 20. März 2022.“ Gestern hat Buschmann den Weg frei gemacht für die Maskenpflicht für Elfjährige in Schulen, für Erwachsene in Kneipen und im Freien für alle. Ausgenommen sind die, die sich alle drei Monate eine Nadel verpassen lassen und damit Karl Lauterbach (SPD) die Impfdosen abnehmen, die er im Kaufrausch bestellt hat.

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Buschmann ist eingeknickt. Und Lauterbach hat das ganze Land daran teilhaben lassen, wie er den liberalen Justizminister vorgeführt hat: Das für die FDP so wichtige Thema wurde in Buschmanns Urlaub verkündet. Lauterbach gab als Erster die Richtung vor. Und der Minister aus Leverkusen konnte auf Twitter die Gängelungen feiern, die er durchgesetzt hat, um Menschen unter Druck zu setzen, die sich nicht alle drei Monate eine Nadel spritzen lassen wollen. Die Biontech-Aktie hat gestern um mehr als 10 Euro zugelegt.

Das alles musste Buschmann in den Tagesthemen erklären. Aus dem Home-Office. Mit ungünstiger Gesichtsfarbe. Der Justizminister wirkte so, wie er so oft bei öffentlichen Auftritten wirkt: wie ein Schüler, der schon nicht zu den coolen Partys eingeladen wird und jetzt obendrein der Lehrerin erklären muss, dass er die Hausaufgaben auch nicht gemacht hat. Genauso gut könnte Buschmann sein gebrochenes Versprechen mit der Größe und den klaren Worten Adenauers rechtfertigen, dass ihn sein „Geschwätz von gestern“ nicht interessiere. Doch Buschmann ist nicht groß, und klare Worte spricht er erst recht nicht. Seine Aussagen sind so kompliziert, dass ihre Interpretation ein kniffliges Thema für eine Abiprüfung hergeben würde.

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Buschmann hat drei Verteidigungslinien: Die erste lautet, Lockdowns oder Ausgangssperren seien mit dem Infektionsschutzgesetz ausgeschlossen. Dass Maskenpflicht in Kneipen und Restaurants oder sogar draußen, an der frischen Luft, Lockdowns durch die Hintertür gleichkommen, sagt Buschmann nicht. Kritische Nachfragen in der ARD muss er an der Stelle auch nicht fürchten.

Seine zweite Verteidigungslinie ist, dass viel nun in der Macht der Länder liege. Womit Buschmann den Schwarzen Peter weitergibt. Was der Hund bei den Hausaufgaben ist, sind für den Justizminister bei Corona-Maßnahmen die Länder. Und drittens sagt Buschmann, dass ja ohne die FDP noch alles viel schlimmer gekommen wäre. Es ist die Verteidigungslinie, zu der es offensichtlich eine weit verbreitete Sprachregelung in der FDP gab. Mit ihrer Version von „Es war nicht alles schlecht“ sprechen sich die Liberalen in den sozialen Netzwerken Mut zu. Es sind vor allem die Liberalen, die von der Politik leben müssen. Diejenigen, die einem echten Beruf nachgehen, schweigen weitgehend – die FDP ist ihnen an diesem Tag peinlich.

2017 war die FDP in den Bundestag zurückgekehrt. Ihr Chef Christian Lindner verhandelte eine Jamaika-Koalition, ließ sie dann aber ohne Vorwarnung platzen. Das sorgte für Irritation – bei Wechselwählern, weil Lindner sich nicht traute, den Grund öffentlich klar zu nennen, warum er die Verhandlungen platzen ließ: Weil er erkannt hatte, wie sehr Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Land abwirtschaftet und er sich an diesem Prozess nicht beteiligen wollte. Parteimitglieder waren irritiert, dass Lindner die Regierungsbeteiligung ausschlug. Viele von ihnen sind Lobbyisten – Betreiber von PR-Agenturen, andere Unternehmer, Funktionäre in halbstaatlichen Organisationen und Verwaltungsmitarbeiter. Sie erwarten von ihrer Partei keine liberale Politik. Sie erwarten von ihrer Partei Aufträge, Einfluss und Posten. Eine FDP in der Opposition bringt ihnen nichts.

Aufstellung
Die Liste der gebrochenen FDP-Versprechen wird täglich länger
Lindner kriselte. Fast die gesamte Wahlperiode über schaffte es die FDP in Umfragen kaum über 5 Prozent. Ob der Vorsitzende noch eine Zukunft hat, wurde öffentlich spekuliert. Doch dann kam die Pandemie. Die erste Welle, in der es hieß, man wisse zu wenig über den Virus und müsse Zeit gewinnen, um Informationen zu sammeln. Die zweite Welle, in der das Land immer noch nicht weiter war. In der ein vierwöchiger „Wellenbrecher-Lockdown“ angekündigt wurde, der dann acht Monate dauerte. Mit nächtlichen Ausgangssperren, vereinzelt Maskenpflicht im Freien und mit jeder Menge Schulausfall. Dass dies bei Kindern und Jugendlichen zu Bildungsverlust führte, ist bewiesen. Ebenso dass die Zahl psychischer Erkrankungen bei jungen Menschen durch die Pandemie-Politik und Panikmache à la „Absolute Killervariante“ explodierte. Ob solche Maßnahmen geholfen haben, den Virus einzudämmen, wissen wir immer noch nicht, musste Buschmann im Juni verkünden: Wie ein Schüler, der schon nicht zu den coolen Partys eingeladen wird und jetzt obendrein seiner Lehrerin erklären muss, dass er die Hausaufgaben auch vergessen hat.

Die Pandemie ist zu Ende, wenn es Impfstoffe gibt. Hieß es. Die Pandemie ist zu Ende, wenn es Mittel zur Behandlung gibt. Hieß es. Die Pandemie ist zu Ende, wenn eine Grundimmunisierung erreicht ist. Hieß es. Das alles gibt es nun. Und entsprechend beendet Europa die Corona-Maßnahmen. In Großbritannien, in Spanien, in den Niederlanden, in Frankreich, in Österreich … Nur nicht in Deutschland. Wo eine liberale Partei mitregiert, die versprochen hat, sich wieder um Normalität zu kümmern, dort gilt weiter der Lauterbachsche Panikmodus und werden die Zügel nach einem kurzen Sommer wieder angezogen. Wo eine ehemalige Rechtsstaatspartei mitregiert, wackelt faktisch sogar die Demonstrationsfreiheit. Weniger liberal als die Ampel könnte eine Regierung kaum sein.

Der "Shooting-Star"
FDP-Justizminister Buschmann mausert sich zum pseudoliberalen Chefideologen
Trotz Lindners Krise nach 2017 hat die FDP 2021 um 0,8 Prozentpunkte zugelegt. Es war der Erfolg eines Versprechens: Maßhalten in der Corona-Politik, das Land zurück in die Normalität führen. Diesem Versprechen verdankt die FDP ihr gutes Ergebnis vom September. Keinem anderen Thema, keiner hippen PR-Agentur und erst recht keinem Christian Lindner im Unterhemd. Die FDP hatte ein Versprechen und das hat sie gebrochen. So wie 2009, als die Liberalen Steuersenkungen versprachen, aber nicht lieferten. 2013 flogen sie aus dem Bundestag raus.

Auch weil die FDP kein anderes Thema hat. Wenn die Liberalen die Lippen spitzen, pfeifen sie zwar das Lied von der Digitalisierung. Doch die ist Fiktion in Deutschland. Die Realität sieht anders aus und heißt zum Beispiel Nachweisgesetz. Während die anderen EU-Länder Vorgänge digitalisieren und Unternehmen in der Verwaltung entlasten, geht Deutschland exakt in die andere Richtung – mehr Aufwand in der Verwaltung, Digitalisierungsverbot und die Pflicht, alles handunterschrieben vorzulegen. In Deutschland regiert die FDP mit, doch das Land wird von Tag zu Tag weniger liberal.

Neue liberale Feigheit
Gründe für den Absturz: Die FDP handelt feige und falsch
In keinem für Liberale wichtigen Thema liefert die FDP. Im Gegenteil. In jedem für Liberale wichtigen Thema hilft die Partei der Ampel, das Land in die andere Richtung zu führen: In der Wirtschaftspolitik nimmt die FDP hin, dass der Staat immer mehr in die Unternehmen hinein regiert. In der Rechtspolitik akzeptiert die FDP, dass der Staat immer stärker seine Bürger online bespitzeln kann. Auch die unbescholtenen. Und in der Finanzpolitik steht Christian Lindner wie noch kein anderer zuständiger Minister vor ihm fürs Schuldenmachen. Auch wenn er es „Sondervermögen anlegen“ nennt.

In einem Thema hat sich Buschmann selbstbewusst gezeigt. Als es um die Familiensituation von Trans-Menschen ging. Dass es hohe Strafen gibt, wenn man eine Person mit dem gefühlt falschen Namen anspricht, stört den liberalen Minister nicht. Er freut sich zu sehr darüber, dass Zeit und Süddeutsche Nettes über ihn geschrieben haben. Wie ein Schüler, der immer noch nicht zu den Partys der coolen Clique eingeladen wird, aber von deren Teilnehmern auf dem Schulhof mal in Ruhe gelassen wurde.

Lindner und Buschmann sind im Auftritt nur blass. Als Verfechter liberaler Positionen sind sie sogar ein Totalausfall. „Es war nicht alles schlecht“, reicht nicht als Position. Bliebe noch Verkehrsminister Volker Wissing. Er hat immerhin einen Etat rausgehandelt, um alte Autobahnbrücken neu zu bauen. Doch unterm Strich ist die Partei tot und wartet auf die Abwahl.

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Kommentare ( 205 )

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Betreutes Denken
2 Jahre her

Hier braucht sich niemand zu beklagen. Die FDP führt das auf, was sie am besten kann und jahrzehntelang vorgelebt hat: umzufallen. Dabei wäre eine wirklich liberale Partei in Deutschland dringend notwendig.

Rene Meyer
2 Jahre her

Heute habe ich bei einem Bekannten einen gelb-blauen Spülschwamm mit blauer Aufschrift „FDP“ entdeckt. Und der Bekannte versicherte mir, dass er diesen Spülschwamm benutzt und dieser auch gut funktioniert. Man kann also getrost sagen, dass nicht alles von der FDP schlecht ist – aber fast alles. Viele Menschen haben ihr Vertrauen in den Staat verloren. Dies ist zurzeit das gesellschaftliche Hauptproblem in Deutschland. Und was macht die FDP? Den letzten Rest Hoffnung zerpulvern.

MaximilianMueller
2 Jahre her

Ich höre zu viele Menschen, die sagen, sie hätten FDP gewählt, um Rot Grün etwas entgegen zu setzen. Die AfD hätte Rot Grün etwas entgegen gesetzt. FDP zu wählen, um Rot Grün aufzuhalten ist, als ob man sich die Hand abschneidet, weil der Fuß weh tut. Wer FDP gewählt hat, versteht das Maß der Korruption unserer Parteien nicht.

JuergenR
2 Jahre her

Alles passt zusammen: Habeck als Staatsverweser, Buschmann als FDP-Verweser.
Damit das Ganze nicht so ernst vonstatten geht, reaktiviert Claudia Roth vielleicht auch noch die Überreste der Band „Ton Steine Scherben“. In Berlin wurde jetzt übrigens der Kreuzberger Heinrichplatz nach deren Sänger Rio Reiser (bürgerlich: Ralph Möbius) in Rio-Reiser-Platz umbenannt.
Wobei, die genannte Band war durchaus staatskritisch. Zu schade, dass heutzutage jegliche staatskritische Aktivität als rechts bis rechtsextrem gilt. Aber die Methode für diese Verdehung der Wahrheit ist bekannt: „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unkenntnis ist Stärke“ (George Orwell, 1984).

Juergen Schmidt
2 Jahre her
Antworten an  JuergenR

Rio Reiser finde ich gar nicht schlecht. Besonders gefällt mir sein Song
MACHT KAPUTT WAS EUCH KAPUTT MACHT!
Aktueller als je zuvor. Auch wenn es heute nicht mehr nur »die Arbeiter« sind, die »den Stiefel im Gesicht« haben.

the NSA
2 Jahre her

Die FDP wird bei der naechsten Wahl Fast Drei Prozent sein.
Die Leute, welche bis heute noch an die FDP glauben, sind selbst schuld.
Lindner ist doch das Paradebeispiel fuer den OPPORTUNISTEN, der grosse Sprueche klopft, je nachdem in welcher Glotze er auftritt, aber es geht ihm immer nur um schoene Ministerpoestchen. Auf diese Partei kann man wirklich verzichten.

KAB
2 Jahre her

Man fühlt sich nur noch verar… . Ich habe die FDP als regulierende Kraft in der
zu erwartenden Koalition gewählt – ohne zu ahnen, welche Flitzpiepen dann in der Regierung das sagen haben. Wohin man sieht in dieser Regierung: unfähige Gestalten, die in der freien Wirtschaft nicht einmal als Lehrlinge (oder „Azubi“) eingestellt worden wären… sie bleiben also überwiegend Figuren ohne abgeschlossene Berufsausbildung, wollen uns aber sagen wo es langgeht. So wird Deutschland gesichert vor die Mauer gefahren, weil gekonntes Krisenmanagement von diesen Leuten nicht zu erwarten ist.

Flaneur
2 Jahre her
Antworten an  KAB

sie haben in vollem bewusstsein eine partei gewählt, die seit 20 jahren nichts gebacken bekommt, bei denen von „steuersenkungen für alle“ ein „..nur für hotelliers“ übrig bleibt, die seit 20 jahren pünktlich zum wahlkampf dinge aus der mottenkiste holt, die danach wieder dort verschwinden, und deren personal nur eine kernkompetenz benötigt: keinen drehschwindel zu bekommen, so oft wie man sich wendet..
wie können sie sich da verar… vorkommen? haben sie die letzten 20 jahre unter einem stein gelebt? es war doch alles offensichtlich.

Turnvater
2 Jahre her

Es ist doch nichts neues:

Ballade vom Effdepele – Wolfgang Neuss – 1966

Iso
2 Jahre her

Inhaltlich war der Umstieg der FDP auf Wahlplakate in Signalfarben der größte Wurf. Alles andere waren Kalendersprüche.

Franz Reinartz
2 Jahre her

Man soll ja eigentlich nicht ad personam debattieren, aber dass die ReGIERenden (d/w/-) von eher mäßigem Verstand sind, trifft wohl besonders auf deren Juristereiende (d/w/-) zu. Das Impfabo im vorläufigen Drei-Monats-Turnus spielt ja zweifellos dem Kernklientel der fdp in die Karten und dass deren Spitzenvertretende (xxx) zweifellos ihre Fettlebe nach überstandener Koalitionsbeteiligung besser dotiert und zudem noch alimentiert fortsetzen können, steht wohl außer Frage. Diese Kernkompetenz lässt sich nicht bestreiten.

Emmanuel Precht
2 Jahre her

Die FDP ist der Schwanz am Ampel-Hund, der wackelt, um zu zeigen, wie sehr sich der Ampel-Hund freut.
Wohlan…