Deutschland: „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf“

Die Berliner Regierung würde eher ein Denkmal für Rudi Dutschke enthüllen als für Axel Springer oder Ronald Reagan.

© MIKE SARGENT/AFP/Getty Images
US President Ronald Reagan, commemorating the 750th anniversary of Berlin, addresses on June 12, 1987 the people of West Berlin at the base of the Brandenburg Gate, near the Berlin wall. Due to the amplification system being used, the President's words could also be heard on the Eastern (Communist-controlled) side of the wall. "Tear down this wall!" was the famous command from United States President Ronald Reagan to Soviet leader Mikhail Gorbachev to destroy the Berlin Wall. The address Reagan delivered that day is considered by many to have affirmed the beginning of the end of the Cold War and the fall of communism. On Nov. 9-11, 1989, the people of a free Berlin tore down that wall. West German Chancellor Helmut Kohl is 2nd-right.

Eigentlich müssten die Berliner ein großes Denkmal für Ronald Reagan und für Axel Springer enthüllen – zwei Männer, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass Deutschland heute wiedervereinigt ist. Aber die Berliner Regierung würde eher ein Denkmal für Rudi Dutschke enthüllen als für Springer oder Reagan.

Ohne Reagans Nachrüstungspolitik wäre es nicht zur Wiedervereinigung gekommen. Und es wäre nicht zur Wiedervereinigung gekommen ohne jene Wenigen, die konsequent – und gegen den Zeitgeist – am Ziel eines vereinten Deutschlands festgehalten haben. Der Wichtigste unter ihnen war der Verleger Axel Springer.

Axel Springer – sie nannten ihn den „Brandenburger Tor“

Springer war fest davon überzeugt, dass eines Tages der Kommunismus zusammenbrechen und Berlin und Deutschland wiedervereinigt würden. Im Januar 1977, als sich die meisten Deutschen mit der Teilung ihres Landes abgefunden hatten, prophezeite er: „Wenn wir nur wollen, wenn wir alles wagen, dann ist die Freiheit kein Märchen. In Deutschland nicht. In Polen nicht. In Ungarn, Rumänien, der Tschechoslowakei und den baltischen Staaten nicht. Und nicht in Russland.“ Im gleichen Jahr sagte er voraus: „Jenes von Marx entworfene Denkgebäude ist in toto … am Zusammenstürzen.“

Schon im Jahr 1959, der Kalte Krieg zwischen Russland und den Westmächten spitzte sich immer mehr zu, legte er den Grundstein für eine Druckerei und ein Verlagsgebäude direkt an der Grenze zwischen dem Ost- und dem Westteil Berlins, genau an der Linie, an der zwei Jahre später die Mauer gebaut werden sollte. Im Mai jenes Jahres lief das Berlin-Ultimatum der Sowjetunion ab. Zwei Tage vor dem Ablauf dieses Ultimatums rief Springer an einem strahlenden Tag zu drei Hammerschlägen auf den Grundstein des Neubaus: „Einigkeit und Recht und Freiheit!“ Auf die Frage, warum er ausgerechnet in Berlin sein Verlagsgebäude errichte, also in einer Stadt, an deren Zukunft viele Menschen nicht mehr glaubten, antwortete er: „Ich glaube an Deutschland mit der Hauptstadt Berlin. Aber ich glaube nicht nur an Deutschland, sondern ich will es eben auch. Und deshalb baue ich in Berlin.“

Viele Menschen lachten ihn aus, sie nannten Springer spöttisch den „Brandenburger Tor“. Während Ende der 60er-Jahre in der Bundesrepublik die Kapitalismuskritik populär wurde, stritt er für die Marktwirtschaft. Zu einer Zeit, als es als „reaktionär“ galt, die DDR als Diktatur zu bezeichnen und von der Unterdrückung in den kommunistischen Staaten zu sprechen, als der Begriff „Antikommunist“ gleichbedeutend war mit „rückschrittlich“, da bezeichnete er sich stolz als Antikommunist und prangerte die Menschenrechtsverletzungen in der DDR an. Er ordnete an, dass in allen seinen Zeitungen die „DDR“ nur in Anführungszeichen geschrieben werden dürfe, denn diese sei weder deutsch noch demokratisch noch eine Republik. All dies brachte ihm den Hass der politischen Linken ein. Aber historisch hat Axel Springer Recht behalten.

Die SED regiert wieder in Berlin mit

Mir fällt aber am Jahrestag des Mauerfalls noch ein anderes Zitat ein: „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf“, meinte Erich Honecker. Hat vielleicht doch Honecker Recht behalten? Was hätte Ihnen 1989 jemand gesagt, wenn Sie prophezeit hätten, dass in 30 Jahren die SED (unter anderem Namen) in Berlin mitregieren und die Politik entscheidend gestalten wird – und zwar ganz im Sinne der DDR-Politik? Und was hätten Sie gesagt, wenn man Ihnen vorhergesagt hätte, dass 30 Jahre nach dem Mauerfall mit Unterstützung der (mehrfach umbenannten) SED in der deutschen Hauptstadt ein Referendum zur Enteignung und Verstaatlichung von Immobilienunternehmen abgehalten und die SED-Politik fortgesetzt wird – und zwar auf Basis eines eindeutig verfassungswidrigen Gesetzes?

Die beiden Grundkomponenten der heutigen Berliner Wohnungspolitik, nämlich Mietenstopp und (faktische) Enteignungen, wurden bereits in der sozialistischen DDR ausprobiert. Den Mietenstopp gab es in Deutschland sogar noch früher — er wurde am 20. April 1939 als Geschenk Adolf Hitlers an das deutsche Volk verkündet. In der DDR galt der Mietenstopp weiterhin — bis zu ihrem Ende im Jahr 1989. Die Ergebnisse waren katastrophal.

  • 1989 wurden 65 Prozent aller DDR-Wohnungen (die 3,2 Millionen Nachkriegsbauten eingerechnet) mit Kohleöfen beheizt.
  • 24 Prozent hatten keine eigene Toilette.
  • 18 Prozent hatten kein Bad.
  • 40 Prozent der DDR-Mehrfamilienhäuser galten als schwer geschädigt, 11 Prozent waren gänzlich unbewohnbar. 200 Altstadtkerne in der DDR waren akut gefährdet.

Die Bürger mussten viele Jahre warten, bis sie eine der begehrten Plattenbauwohnungen zugeteilt bekamen. Die Altbausubstanz in Mehrfamilienhäusern in Leipzig, Dresden, Ostberlin, Erfurt und anderen ostdeutschen Städten war so zerfallen, dass nach der Wiedervereinigung mit einem massiven Steuerprogramm — dem sogenannten Fördergebietsgesetz — viele Milliarden Euro in die Sanierung gesteckt werden mussten. Doch nicht nur alte Gebäude, sondern auch die DDR-Plattenbauten mussten im großen Stil saniert werden. Zusätzlich war ein erheblicher Neubau notwendig, um den Wohnungsmangel in Ostdeutschland zu beseitigen. Insgesamt wurden in den 90er-Jahren mithilfe steuerlicher Förderungen 838.638 Wohnungen in den neuen Bundesländern und Ost-Berlin fertig gestellt. Die Kosten beliefen sich auf 84 Milliarden Euro.

Auf dem Weg in die Planwirtschaft

Trotz dieser katastrophalen Folgen der DDR-Politik entwickelt sich die Politik in der Bundesrepublik Deutschland immer mehr in Richtung einer Planwirtschaft, nicht nur in der Wohnungspolitik. Nach dem Scheitern der Trabi-Wirtschaft (wussten Sie, dass man in der DDR 12,5 bis 17 Jahre auf seinen Trabi warten musste?) wird die deutsche Automobilindustrie unter dem Vorwand der Bekämpfung des Klimawandels faktisch in eine Planwirtschaft umgewandelt: Nicht mehr die Konsumenten bestimmen, was produziert wird, sondern der Staat. Die Energiewirtschaft wurde ja bereits in eine Planwirtschaft umgewandelt. Und der Begriff „Markt“ taucht heute in Politikerreden in Deutschland sehr viel häufiger in einem negativen als in einem positiven Kontext auf. Die Lehren der Geschichte werden von Ideologen ignoriert.
Im geistigen Bereich treten an Stelle von freier Rede zunehmend Tabus und die Sprechverbote der Political Correctness. Die Menschen in Ostdeutschland sind dafür besonders sensibel, denn sie haben erlebt, was es heißt, wenn man seine Meinung nicht mehr sagen darf. Freilich: Ich bin auch dagegen, wie dies manche Kritiker der herrschenden Politik tun, die DDR und die Bundesrepublik gleichzusetzen, denn es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man für abweichende Meinungen ins Gefängnis kommt oder sozial geächtet wird. Aber beides ist verwerflich und man muss den Anfängen wehren – leider sind wir über die Anfänge weit hinaus.

Die Lehren aus der DDR heißen: Konsequentes Eintreten für

– geistige Freiheit
– Marktwirtschaft
– Rechtsstaat

Alle drei Bereiche sind auch heute in Deutschland hochgradig gefährdet. Und die meisten Politiker, die heute die deutsche Einheit feiern, wollten in den 80er Jahren entweder nichts davon wissen oder waren sogar entschiedene Gegner der Einheit, wie Jens Hacker in seinem glänzenden Buch „Deutsche Irrtümer“ beweist. Sie lagen damals so falsch wie heute.

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Kommentare ( 34 )

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Thomas Riessinger
5 Jahre her

„Ich bin auch dagegen, wie dies manche Kritiker der herrschenden Politik tun, die DDR und die Bundesrepublik gleichzusetzen, denn es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man für abweichende Meinungen ins Gefängnis kommt oder sozial geächtet wird.“ Jeder fängt mal klein an. Heute wird man geächtet und verprügelt, morgen verhaftet und verurteilt.

Thorsten
5 Jahre her

Also die Justiz urteilt schon schon politisch: eine Straftat mit politischen Absichten wird ziemllich unterschiedlich geurteilt, je nachdem ob sie links, rechts oder islamistische Täter hat.

Thorsten
5 Jahre her

Inreressant ist auch zu wissen, dass Rudi Dutschke zwar von einem Westberliner Polizisten erschossen wurde, der ABER ein IM der Stasi war. (er war aber nicht beauftragt worden dies zu tun)

Wenn das rausgekommen wäre, wäre wohl die Geschichte anders verlaufen.

Hegauhenne
5 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Sie verwechseln da was.
Rudi Dutschke wurde Opfer eines versuchten Attentates durch einen Rechtsextremisten.
Die Ärzte konnten sein Leben retten, er trug aber schwere neurologische Schäden davon. Er starb erst 11 Jahre später in Dänemark.
Der „Stasi-Polizist“ erschoss bei einer Anti-Schah-Demo Benno Ohnesorg.

Stoerenfried
5 Jahre her

Unfassbar, dass die Mauermörderpartei wieder einen derartigen Einfluss hat, und ausgerechnet die Bürgerdrangsalierer und -einschließer faseln ständig etwas von Menschenrechten.

WandererX
5 Jahre her

Das größte Hindernis für einen früheren Mauerfall war der Westen selbst – und zwar seine Elitenjugend: die brauchte den Gegenpol „die Linke“ gegen den alt kalt empfundenen Rationalismus des kulturellen Wiederaufbaustils und des Erziehungsstils der 1950er Jahre – da lebte der Elitarismus der 1930er Jahre unerträglich fort. Also rettete man sich in den Romantizismus „linken Aufbruchs“ und Utopien – als mächtig ausbaubaren Gegenpol. Die neue jugendliche westliche linke Macht signalisierte dem Ostblock – wenn auch eher indirektund zu 90% völlig ungewollt: Ihr im Osten seid schon weiter in der Fortschrittsentwicklung als der Westen selbst, wo die Jugend leidet. Westjugend legitimierte… Mehr

Dr. Michael Kubina
5 Jahre her

Dass man auch in der DDR allein für abweichende Meinunge i.d.R. nicht ins Gefängnis kam, jedenfalls zumindest unter Honecker nicht mehr, haben viele hier schon zurecht angemerkt. Insofern sind die Ähnlichkeiten schon größer, als mancher wahr haben will. Das liegt aber weniger daran, dass die SED und ihre Nachfolger sich immer mehr durchsetzen, es liegt auch nicht an Merkel, sondern an denen, die sie Wählen. Wahlen werden in Westdeutschland gewonnen. Allein NRW hat soviele Wähler wie alle mitteldeutschen Ländern zusammen. Die Alt-BRD war längst auf dem Weg ins Heute, mit Lafontaine als SPD-Chef und linksraddikaaleen Grünen. Nur der Zusammenbruch des… Mehr

bkkopp
5 Jahre her

Ähnlich wie ein Donald Trump, sind Immobilienunternehmer zumindest “ schwierige “ Vertreter von Freiheit, Marktwirtschaft und Rechtsstaat. Sie werden nicht umsonst in allen sprachen als “ Haie “ bezeichnet. Freiheit bedeutet für sie sehr oft rücksichtslosen Egoismus, Marktwirtschaft steht für leistungslose und möglichst steuerfreie Wertsteigerung und Rechtsstaat bedeutet die Manipulation der Gesetze zugunsten der Besitzer – ob mit “ Pflege der politischen Landschaft “ oder wie auch immer. In Bayern ist es den Immobilienbesitzern sogar gelungen, einen Artikel der Bayerischen Staatsverfassung praktisch außer Kraft zu setzen. Der kommunistische Backlash in Berlin ist zwar idiotisch, und wirtschaftlich schädlich, kommt aber nicht… Mehr

Thorsten
5 Jahre her
Antworten an  bkkopp

Die USA sah es als Chance dem Ostblock einen wichtigen Eckpfeiler und Bollwerk zu entreissen. Immerhin war die DDR für Ostblockverhältnisse ein Leistungsträger.

Insgesamt können wir der Sowjetunion danken, dass sie ein wiedervereinigtes Deutschland nicht als Bedrohung angesehen hat. Und damit die Dynamik der Ereignisse total unterschätze.

der Doc
5 Jahre her

„Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf“…

Da hatte Honnecker einmal in seinem Leben Recht!
Es sind ja ausschließlich Ochsen und Esel, die an den Sozialismus „glauben“ und ihn durchsetzen wollen.

AUFHALTEN müssen ihn schon intelligente und freiheitsliebende MENSCHEN !

Ben Goldstein
5 Jahre her

Oder ob man mit anderen Vorwänden dergleichen schon praktiziert.

Karl-Otto
5 Jahre her

Alles ok. Aber die Elektrizitätswirtschaft war auch im Westen nie Marktwirtschaft. Der Wettbewerb war bewusst ausgesetzt in diesem Sektor. Schließlich musste jedes Jahr soviel mehr an Strom produziert werden, wie ein großes Atomkraftwerk produziert hat. Das war mit Markt und Wettbewerb nicht zu machen. Mit Windkraft sowieso nicht. Der Erfolg der Stromwirtschaft liegt aber genau darin, das geleistet zu haben. Für alle bezahlbar, für unseren Wohlstand (und den unserer Mitbürger im ehemaligen „DDR“-Gebiet dazu), ökologisch sicher bedenklich, aber deutlich sauberer als in jedem Sozialismus. Nur so nebenbei.