Der Kabarettist Dieter Nuhr hat im Auftrag der DFG einen Beitrag produziert, in dem Werbung für die Wissenschaft gemacht wird. Doch einigen Twitterern gilt er als kontaminiert. Die DFG ist sofort eingeknickt.
Wenn sich die Richtigen empören, ist der in ihren Augen Falsche schnell weg vom Fenster. Der Ober-Richtige war in diesem Fall der Alpha-Soziologe Armin Nassehi und der Falsche war der Kabarettist Dieter Nuhr. Letzterer ist in weiten Medienkreisen schon lange nicht mehr wohlgelitten, da er aus der linken Reihe tanzt, und immer wieder die Regierenden in Deutschland und die Denkschablonen der Mehrheitsmeinung auf die Schippe nimmt – für Kabarettisten offenbar eine Ursünde, die man nicht mehr loswird.
Irgendjemand in der Öffentlichkeitsabteilung der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG hatte dies wohl noch nicht ganz realisiert, und Nuhr mit einem Beitrag für eine Image-Kampagne („Für das Wissen entscheiden“) beauftragt – aus Anlass des 100. Geburtstages der nach dem Ersten Weltkrieg als „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“ gegründeten wichtigsten Geldverteilungsorganisation Deutschlands für forschende Wissenschaftler.
Der Beitrag selbst ist von der Website schon getilgt. Warum? Nun, das twittert die DFG ganz offen: „Liebe Community, wir nehmen die Kritik, die vielen Kommentare und Hinweise ernst und haben den Beitrag von Dieter #Nuhr von der Kampagnenwebsite http://dfg2020.de entfernt.“
screenprint / dfg
Dieser Entscheidung war ein so genannter Shitstorm vorangegangen, der nicht nur von Aktivisten und Wissenschaftsjournalisten wie Christian Schwägerl, sondern nicht zuletzt auch von Armin Nassehi angefacht wurde.
Was hat Nuhr verbrochen? Im ankündigenden Tweet ist der Beitrag noch zu hören:
„Wissen bedeutet nicht, dass man sich zu 100 Prozent sicher ist, sondern dass man über genügend Fakten verfügt, um eine begründete Meinung zu haben. … Wissenschaft ist gerade, dass sich die Meinung ändert, wenn sich die Faktenlage ändert. … Wissenschaft ist keine Heilslehre, keine Religion, die absolute Wahrheiten verkündet. Und wer ständig ruft: Folgt der Wissenschaft!, der hat das offensichtlich nicht begriffen. …“
Mit diesen nicht Begreifenden war offenkundig die Klimaschutz-Protest-Bewegung gemeint. „Listen to Science/Scientists!“, gehört zu den häufigsten Parolen von Greta Thunberg und anderen Aktivisten. #FollowtheScience ist ihr Schlachtruf auf Twitter.
Dieser implizite Vorwurf von Nuhr allerdings, den er in dem DFG-Beitrag nicht zum ersten mal erhob, sorgte für Zorn. Allerdings folgte seltener eine argumentierende Kritik an Nuhrs Aussagen selbst. Die sind, wie Nassehi twittert: „ebenso banal wie richtig“. Es ging auch fast nur gegen seine Person. In zahlreichen Tweets wurde er als „Wissenschaftsleugner“ bezeichnet und ihm „verschwörungsideologische Statements“ vorgeworfen. Nassehi etwa twittert: „Ob die @dfg_public gut beraten ist, die durchaus richtigen Sätze von jemandem sagen zu lassen, der mehrfach demonstriert hat, zugunsten einer Pointe den Stand der Wissenschaft geradezu verfälscht darzustellen, darf bezweifelt werden.“
Den Antriebsstoff der Kritiker offenbarte schließlich noch nach dem Einknicken der DFG der Wissenschaftsjournalist Christian Schwägerl: „Dass Nuhr mit dem Satz „Wer ständig ruft ‚Folgt der Wissenschaft‘, der hat das nicht begriffen“ nicht Karl Popper zitiert, sondern einmal mehr das AfD-Argument von der ideologiegetriebenen „Klimareligion“ verbreitet, hätte vorher auffallen müssen.“
Wir lernen: Das, was (nicht Popper, sondern) Karl Jaspers „Wissenschaftsaberglauben“ nennt, ist de facto eben doch obligatorisch, wenn es der richtigen Sache dient. Und wir lernen vor allem: Es kommt nicht so sehr darauf an, ob das Gesagte wahr ist, sondern wer es gesagt hat.
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Das kleine Gretchen die in der Flut der eindimensionalen infantilen Ideologie schwimmt, begreift bis heute nicht, dass sie ihre eigene Existenz der Klimaerwärmung, die ohne Menschen, ohne Autos, ohne Kohle, ohne nicht mal einem Keimling einer Zivilisation entstanden ist, verdankt.
Vor 30.000 Jahren haben sich die Gletscher 2000 km nach Norden zurückgezogen und der Meeresspiegel ist um 100 m gestiegen. Wäre das nicht passieren, hätten wir Gretchen heute nicht, weil Skandinavien unter 200 m. dicker Eiskappe liegen würde. Diese Undankbarkeit von Greta ist erschreckend. Shame on you, Gretchen!
Die Frage nach der Unabhängigkeit der Wissenschaftler ist zwar theoretisch korrekt, praktisch aber unhaltbar. Das Problem liegt daran, dass man eben immer dem Meinungsgegner, ob nun zu Recht oder Unrecht, irgend welche Abhängigkeiten vorwerfen kann. Das führt weg von der Sachfrage. Denn selbst wenn ein Wissenschaftler in Abhängigkeit von Job und Vertragsverlängerung, Förderung etc. eine Aussage tätigt, kann diese zutreffend sein oder auch nicht. Wer sich aber an den gegenseitigen Korruptionsvorwürfen abarbeitet, wird in der Sache nicht mehr voran kommen.
Der Text von Nuhr ist einfach gut und prägnant … so, wie Wissenschaft sein sollte. Das Wirrköpfe eine andere Meinung haben, sei ihnen unbenommen, immerhin sollten wir Meinungsfreiheit haben. Aber das die DFG den Beitrag zurück zieh erfüllt mich mit abgrundtiefen Zorn. Was ist denn das für ein Haufen? Wie kann man zulassen, dass ein derartig rückratloser Verein Gelder verwatet? Wenn sie den Beitrag nicht ebenso gut fanden wie ich, oder zumindest unter der Meinungsfreiheit ihn stehen lassen wollen, hätten sie ihn eben nicht bringen dürfen. Jetzt aber zurückzuziehen, weil Wirrküpfe eine andere Meinung haben, ist schäbig.
Zürnen Sie nicht, das war schon immer so. Wie wurde zum Beispiel zu Anfang die Quantentheorie (besonders von kommunistischer Seite, aber auch von Einstein) befehdet – oder auch die Urknall-Theorie des Astronomen (und Priesters) Le Maître. Die Ideen einer inhärenten Undeterminiertheit der Welt und eines „Beginns“ passten überhaupt nicht ins Konzept der „Gemeinde“.
Wissenschaft ist und bleibt eine menschliche Veranstaltung. Jeder der mitmacht weiß das…?
Herr Nuhr lernt gerade, dass mit den Wölfen heulen einen nicht mehr vor dem Gefressenwerden schützt.
Die Wissenschaft ist halt auch nicht mehr das was sie mal war, vor allem seit die in Religion macht … wer ständig lügt, wie die Klimafuzzis, der muss halt draufhauen, damit auch alle bei der Stange bleiben.
Juli 2020: Kühl und Nass … Heizen ist sogar ab und an nötig gewesen … außer man lebt in einer Stadt wie Stuttgart, wo alles abgeholzt wird, wegen einer Bahn, die in angeblichen Coronazeiten keiner braucht … zum Glück ist lachen gesund!!!
PS. Nuhr outet sich als der typische „aufgeklärte Rationalist“, der selbst kein Wissenschaftler ist und der – eben deshalb? – „Wissenschaft“ in einem naiven Glauben idealisiert. Wäre er Physiker (oder Mathematiker wie ich), wüsste er, welche Glaubenskämpfe zum Beispiel um die String-Theorie geführt werden. In weniger strengen Wissenschaften toben noch wildere Glaubenskriege…
Für Nuhr (und viele „Rationalisten“ seiner Art) ist Wissenschaft Religion, weil Religion für ihn archaische (Vor-) Wissenschaft ist. Mit anderen Worten, weil er das Wesen von Religion verkennt [siehe Kommentar].
Wenn es in der realen Wissenschaft Glaubenskämpfe gibt, nicht nur unterschiedliche Ansichten im wissenschaftlichen Diskurs, dann ist dies sicher nicht dem Ideal der Wissenschaft entsprechend. Warum aber sollte man sich an den Fehlern, nicht aber an den Verdiensten und Idealen orientieren? Für Nuhr ist Wissenschaft eben nicht Religion … und das ist auch gut so!
So so…
Wie ich sie verstehe, wollte Marie-Jeanne Decourroux (i.w.) sagen, dass sie sich wundert, dass Nuhr sich wundert.?
Und dass dies nur mit einer idealisierenden Sicht von Wissenschaft zu erklären ist, die ihrerseits quasi religiös anmutet.
(Das Ideal stellte sie nicht in Frage, sie wundert sich nur über den überraschenden Idealismus von Nuhr, der sonst eher das zynische Weltkind spielt.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Frau Kollegin Becker, als Wissenschaftler kann ich jede Zeile des Kommentars von Herrn Nuhr unterschreiben. Es deckt sich mit meiner Auffassung von Wissenschaft, insbesondere auch der Rolle bei der menschlichen Wahrheitssuche. „Wir können niemals ganz sicher sein, dass wir die Wahrheit, die wir suchen, gefunden haben“ sagte Karl Popper und jetzt auch Dieter Nuhr in seinen Worten. Ich schäme mich, daß die Organisation, die nach eigener Aussage “ der Wissenschaft in allen ihren Zweigen“ dienen will, sich von Ideologen, also unabhängig von jeglichem etwa erworbenen Universitätsabschluss, überzeugten Nichtwissenschaftlern, dazu hat bewegen lassen, eine solche… Mehr
u.d.: leider sind wir mit einer Ideologie konfrontiert, die alles, was der Mensch wissen muss unumstößlich geschrieben als einzige Wahrheit zwischen den beiden Buchdeckeln des Koran weiß – und sich davon bis ans Ende aller Tage auch nicht abbringen lassen darf.
Ich nehme an, dass der Wind daher weht – und wir hier gerade den Dreh in die Dualität zurück gewiesen werden (sollen).
Der Koran spielt hier eben keine Rolle, oder sollte sie nicht spielen. Die Wissenschaftstheorie ist von Nuhr korrekt wiedergegeben worden. Die Wurzeln des wissenschaftlichen Denkens reichen bis in die Antike. In Scholastik und Aufklärung wurden sie weiter entwickelt. Nun aber gibt die DFG all das preis, für das sie stehen sollte.
Nuhr ist auf dem Index der radikalen Linken,die haben sich auf ihn eingeschossen, er kann auch sagen, „ich esse morgens gerne einen Apfel mit Haferflocken weil das gesund ist“ würde das sofort hergenommen werden als Aussage für irgendwelche Parolen aus der Nazizeit, das ein gesunder Geist nur in einem gesunden Körper stecken kann oder irgendwas mit Volksgesundheit usw. Herr Nuhr seien sie Stolz darauf das diese Kreaturen sie zum Feind erklärt haben, bezeugt es doch nur das Sie noch in der Lage sind so nah wie möglich an der Wirklichkeit ihren Humor zum Besten zu bringen. Ich erinnere gerne an… Mehr
Die DFG hätte ihn gar nicht erst fragen sollen.
Warum nicht?
Es sind dieselben, die meinen, dass man beim Klimaschutz den Wissenschaftlern folgen soll und dass man beim Schutz gegen Corona nicht den Wissenschaftlern folgen soll. Auf der einen Seite glauben sie, dass die Erde demnächst untergeht, wenn es nicht mehr Klimaschutz gibt und auf der anderen Seite, dass Corona nichts anderes als eine Art Grippe ist.
Richtig ist, dass sich in beiden Fällen Wissenschaftler auf den Pro- und Contra-Seite befinden.