Tichys Einblick
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„Desinformationskampagnen“: Jagt die Bundesregierung ein Phantom?

Die Bundesregierung gibt viele Millionen Euro aus, um gegen Desinformation im Netz vorzugehen. Die Ergebnisse sind jedoch äußerst mager. Die AfD spricht von einem „Vorwand“ zur Zensur. Heikel: Zwei Grünen-Politiker stimmten sich zwischen Twitter und Justizministerium zur Zensur ab.

Desinformationskampagnen sind zu einem Steckenpferd der Bundesregierung und der ihr angehörenden Parteien geworden. Auch im aktuellen Fall um das Habeck-Meme sprechen grüne Vertreter bereits von einer Desinformationskampagne, die den guten Ruf Robert Habecks beschädigen soll. Renate Künast etwa.

Dass Desinformation wie „Delegitimierung des Staates“ oder „Hass und Hetze“ zu Formeln geworden sind, unter deren Deckmantel sich mittlerweile eine ganze Reihe von Freiheitseinschränkungen verstecken, besonders der Meinungsfreiheit, hat sich mittlerweile herumgesprochen.

Da stellt sich zu recht die Frage: Welche Ergebnisse haben die jahrelange Untersuchung von Desinformationskampagnen und die Förderung von Netzprogrammen gebracht, die Desinformation bekämpfen wollen? Schließlich werden die Behörden nicht müde, insbesondere die Gefahr zu betonen, die von russischen Akteuren ausginge.

Dabei müsste man vorgewarnt sein: Schon in der Causa „Doppelgänger“ zeigt sich, dass die Behörden weniger sauber arbeiteten, als man sich das wünschen würde. So behauptete das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, publizistische Unternehmen wie Tichys Einblick würden „russische Narrative“ verbreiten und sich der Desinformation schuldig machen. Später musste sich das Amt korrigieren, dass der russische Fake-Betreiber lediglich einen regierungskritischen TE-Artikel aus dem Zusammenhang gerissen und verbreitet habe.

Die AfD-Bundestagsfraktion hat deswegen eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Dabei kam heraus, dass im Themenfeld „Desinformation“ rund 31 Millionen Euro an NGOs ausgeschüttet wurden. Mehrere Gremien wurden organisiert, so auch eine „Task Force“.

Auf die konkrete Nachfrage, welche gesteuerte Desinformationskampagne man bisher identifizieren konnte, hält sich die Regierung bedeckt. „Doppelgänger“ wird zwar genannt. Ansonsten bleibt es bei diffusen „Stellen“ und „Akteuren“ aus China und Russland. Aktivitäten seien zwar etwa zur EU-Wahl registriert worden. Eine echte „Kampagne“ im Sinne einer großangelegten und geplanten Aktion kann sie aber nicht identifizieren. Sie ließen sich nicht „trennscharf voneinander unterscheiden“. Eine juristische Verfolgung gab es nicht. Obwohl immer wieder der Begriff der „Desinformationskampagne“ von Politikern gegen inländische Medien und Akteure gerichtet wird, behandelt die Bundesregierung das Thema als Auslandsthema – sie erfasst keine inländischen Desinformationskampagnen.

Der medienpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Renner, brachte es so auf den Punkt: „Man jagt einen imaginären Geist.“

Der Verdacht erhärte sich, so der AfD-Politiker, dass nur ein Vorwand gesucht werde, um „immer weitreichendere Zensurmaßnahmen im Netz zu rechtfertigen“. „Und zwar nicht nur seitens der Bundesregierung, sondern auch auf EU-Ebene, wie durch den unsäglichen Digital Services Act (DSA) bewiesen.“

Renner weiter: „Auf diese Weise wird jede Häufung kritischer Meinungsäußerungen zur angeblichen ‚Desinformationskampagne‘ verklärt und als solche bekämpft. Es ist kein Zufall, dass dieses Phänomen nach Lesart der Bundesregierung ausgerechnet zur Corona-Pandemie, zu EU- oder Bundestagswahlen oder zum Ukraine- oder Nahostkonflikt verstärkt aufgetreten ist.“

Tatsächlich gibt es noch weitere Aspekte, die aufhorchen lassen. Etwa, dass die Bundesregierung Gespräche mit den großen Plattformen wie YouTube, Facebook und TikTok über Desinformation führte, und in den Zeiten, in denen X noch Twitter hieß, es eine enge Abstimmung gab zu DSA und Hasskriminalität. Kontaktperson war Nina Morschhäuser, für das Bundesjustizministerium fungierte Staatssekretär Gerd Billen.

Beide Personen sind TE-Lesern bekannt. Nina Morschhäuser, „Head of Public Policy, Government and Philanthropy“ von Twitter, war von 2006 bis 2015 Medienreferentin der Grünen im Bundestag und mimte Twitters Cheflobbyistin. In den letzten Jahren vor ihrem Abschied bei Twitter widmete sich Morschhäuser der Zensur unliebsamer Meinungen zum Thema Klima und Corona.

Gerd Billen war von 1993 bis 2005 Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbund Deutschland (NABU) und von August 2007 bis Ende 2013 im Vorstand der Bundeszentrale Verbraucherschutz. Er wechselte danach als beamteter Staatssekretär ins Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Dort blieb er als Staatssekretär mit grünem Parteibuch bis zum Ende der Großen Koalition. Die Gespräche mit ihm fanden zwischen 2018 und 2021 statt. Notiz am Rande: Billens Nachfolger bei der Bundeszentrale Verbraucherschutz wurde Klaus Müller, heute Chef der Bundesnetzagentur und für die Meldestellen verantwortlich.

Das Bild über den Kontakt zwischen Twitter und Justizministerium bzw. Morschhäuser und Billen muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Eine ehemalige grüne Fraktionsreferentin und ein grüner Staatssekretär reden miteinander über „Desinformation“ und „Hass“ auf Twitter in der Ära vor Elon Musk; die eine Person auf der Seite der einflussreichen Internetplattform, die andere als Staatssekretär im Justizministerium. Das leitete damals noch Christine Lambrecht.

Auffällig: Seit der Übernahme Twitters und Transformation zu X haben die Treffen abgenommen.

Renner bekräftigte, dass sich seine Partei weiterhin gegen Zensurmaßnahmen wehren werde. „Wir werden jeden Vorstoß in dieser Richtung genauestens beobachten, kritisieren und parlamentarisch bekämpfen. Die Mär von allgegenwärtigen Desinformationskampagnen, dem omnipräsenten Angriff auf unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Demokratie, kann keiner näheren Betrachtung standhalten“, betonte der AfD-Politiker.

Lesen Sie demnächst bei TE, wer die nicht-staatlichen Nutznießer der „Bekämpfung von Desinformation“ sind, die sich am Millionenbudget bedienen.

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