Der harte Kampf um das Auto

Immer mehr chinesische Marken drängen auf den deutschen Automarkt. Auch international sind die europäischen Marken unter massivem Druck. Die Industrie muss ihre Stellung verteidigen – oder abwandern.

IMAGO / Xinhua
Fabrik des chinesischen Herstellers von Elektrofahrzeugen (EV) Li Auto Inc. in Changzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu, 15. Februar 2023

Der Fahrzeugbau ist der letzte Rest eines einst stolzen Kontinents von Fabriken und Schornsteinen, Stahl, Schiffsbau, Chemie und Pharmazie: Von ihnen sind nur noch Reste übrig. Deutschland liefert entscheidende Teile wie Schiffsdiesel-Motoren, vom Stapel fahren aber nur noch wenige Schiffe. Bayer stellt sein Aspirin noch in Bitterfeld her, bis zu 90 Prozent aller Antibiotika werden aber in Indien oder China produziert. Insulin kommt oft noch aus Europa, vor allem aus Dänemark, Frankreich oder Deutschland. Fiebermedizin ist aber in Europa knapp, denn aus China kommt nicht genug nach Europa.

Gut 775.000 Bürger sind in Deutschland direkt in der Autoindustrie beschäftigt – zahllose weitere hängen vom Konsum dieser meist sehr gut bezahlten Arbeitnehmer ab. Die Autobauer und Zulieferer erwirtschaften 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, beschäftigen aber nur 2 Prozent der Erwerbstätigen. Ohne Auto ist Deutschland ein armes Land.

Wenngleich die Bedeutung des Autobaus in anderen europäischen Ländern geringer ist, ist er trotzdem wichtig. In Frankreich hängen gut 100.000 Arbeitsplätze direkt am Autobau, in Italien sind es sogar 287.000 Arbeitsplätze. 6,2 Prozent der Wirtschaftsleistung Italiens kommt vom Fahrzeugbau.

Europa ist bald nur noch Tourismusziel

Es ist also keine Überspitzung, wenn ein Autoboss sagt: „In zehn Jahren werden wir chinesische und amerikanische Touristen in Europa mit Kaffee bedienen“, wenn die Entwicklung in Deutschland so weiter ginge wie jetzt. Dieser Autoboss ist Carlo Tavares, CEO von Stellantis. Stellantis entstand 2021 durch die Fusion von Fiat Chrysler und Peugeot.

Tavares ist laut und unbequem, eine Eigenschaft, die deutschen Automanagern ausgetrieben wurde. Die Situation ist ernst, Tavares spricht von einer „Invasion“ chinesischer Autobauer. An anderer Stelle spricht er von einer „extrem starken Offensive“. Nach den Wellen der japanischen und koreanischen Konkurrenz drängen nun eben die früher belächelten Chinesen auf den Markt. Markige Worte, doch sie beschreiben die Situation gut.

Die Konkurrenz drängt auf den Markt. Noch sind sie unbekannt, aber wachsen schnell. MG Roewe zum Beispiel konnte in den Neuzulassungen in Deutschland in den ersten sechs Monaten 0,7 Prozent Marktanteil erobern – ein Plus von 140 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr. Das sind immerhin 11.638 Fahrzeuge. Im gleichen Zeitraum wurden 23.260 Volvos und 22.453 Citroens zugelassen. MG Roewe ist der erfolgreichste Chinese in Deutschland – Lotus, Build Your Dreams Auto, Great Wall Motor, Polestar, Link & Co.: Noch sind diese Marken größtenteils unbekannt, setzten tausend, hunderte oder gar nur einzelne Autos ab. Und trotzdem drängen sie immer weiter auf den Markt. Das ist in Deutschland. In China drängt MG Roewe auf 2 Prozent Marktanteil – das sind zwanzig bis vierzigtausend Fahrzeuge, die monatlich abgesetzt werden.

Die Industrie in Europa ist beunruhigt. Sie haben etwas verloren, was ihnen die Konkurrenz bisher vom Hals gehalten hat: den „Vorsprung durch Technik“, wie ihn Audi einst propagierte. Deutsche Autobauer im Speziellen und europäische im Allgemeinen sind Meister des Verbrennungsmotors. Getriebe, Motor, Antriebsstrang sind das Herz des europäischen Autobaus.

Doch das ist nun hinfällig: Das Elektroauto übernimmt den verregelten Markt. Die Autobauer werden gezwungen, Elektroautos abzusetzen, um Flottengrenzwerte des CO2-Ausstoßes einzuhalten. Ab 2035 dürfen nur noch Elektroautos verkauft werden.

Kein Vorsprung mehr

Im Elektroauto sind andere Faktoren entscheidend für einen „Vorsprung durch Technik“.

Tesla ist dabei das eine Extrem. Der Autobauer aus den USA ist vor allem ein Software-Unternehmen. Europäische Autobauer machen Softwareupdates jetzt auch auf ihren Fahrzeugen, aber diese konzentrieren sich oft auf das Infotainment – Tesla hingegen verbessert so Fahrleistung, Bremseigenschaften und Fahrassistenz. Europäer versuchen hier wieder aufzuholen, doch wegen der blutleeren Software-Industrie Europas müssen sie dabei mit einem Handicap hinterher humpeln.

Das andere Extrem ist ein Vorsprung durch Batterietechnik. Hier sind die deutschen noch entspannt: Industrieinsider sagten gegenüber TE, dass man keine Leistungsunterschiede erkennen könne. Toyota verkündete zwar erst kürzlich einen Durchbruch in der Batterietechnologie, mit der verbrennerartige Reichweite erreicht werden sollen, mit nur 10 Minuten Ladezeit. Doch es ist nicht das erste Mal, das Toyota dies verkündet und bisher ist daraus nie etwas geworden.

Doch dieser Mangel aus Vorsprung ist eben das entscheidende Problem. Denn europäische Autos müssen sich an europäische Regeln halten: Ultraeffiziente Motoren, immer mehr Sicherheitsfeatures fordern ihren Preis. Seit kurzem muss in jedem Auto eine Simkarte eingebaut werden, die Rettungsdienste informiert, wenn das Fahrzeug einen Unfall registriert. Knautschzonen und Vorgaben, wie Passanten beim Aufprall fallen, sind alle sinnvoll, machen aber die Autos teurer – und damit international weniger konkurrenzfähig.

Und dazu kommt, dass die Produktion hierzulande massiv teurer ist. Lohnkosten, Energiekosten, andere Produktionskosten summieren sich. Doch im Elektroauto werden diese eben nicht mehr durch ein besseres Produkt ausgeglichen.

Die Financial Times zitiert Carlo Tavares so: „Wir sehen uns mit einem unglaublich brutalen Szenario konfrontiert. Einerseits müssen wir mit chinesischen Rivalen konkurrieren, die 25 Prozent günstiger sind. Andererseits müssen wir die 40 Prozent höheren Kosten tragen, die durch die Elektrifizierung der Mobilität getrieben werden“.

Er will die Lohnkosten drücken: „Es gibt nur einen Weg, das Problem zu lösen“ … “Wir müssen den Wettbewerb akzeptieren. In Frankreich sage ich etwas sehr Unpopuläres: Ihr müsst mehr arbeiten!“ Damit soll die Bürokratie und Technokratie der Europäischen Union ausgeglichen werden. Ein frommer Wunsch, ist doch der Regelungswut von Beamtenapparaten keine Grenze gesetzt.

„Die machen, was Geld bringt“

Motorenbauer Fritz Indra beschreibt die Probleme der deutschen Autobauer ganz ähnlich im Tichys- Einblick-Interview. Über Jahre habe man in China mit ansässigen Unternehmen zusammengearbeitet, um zu produzieren und zu forschen. Auch, weil das so vorgeschrieben war durch die Regierung. Nun haben die Ingenieure dort gelernt, was es zu lernen gab. „Die machen, was Geld bringt“ und: Der Vorsprung im Verbrennermotor sei längst aufgeholt.

Die Zulieferer zumindest gehen den Autobauern von der Fahne. Sie erleben einen doppelten Preisdruck: Die Autobauer können immer weniger zahlen, doch gerade die Zulieferer haben mit den hohen Energiekosten zu kämpfen. Die Aufträge der europäischen Unternehmen stagnieren, die Nachfrage aus China steigt seit Jahren immer weiter, berichten Bosch, ZF und Continental.

Auch seien die chinesischen Autobauer innovativer im Einsatz neuer Technologien, berichtet das Handelsblatt. Da liegt es nahe, die Fabriken nach China zu verlegen. Doch wenn die Zuliefererinfrastruktur in China steht, warum sollten VW, FIAT, BMW noch im teuren Europa, fernab der Märkte bauen? So geht die Aushöhlung der Industrie des Kontinents weiter.

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Kommentare ( 64 )

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mediainfo
1 Jahr her

Irgendwer schrieb kürzlich in einem Artikel unverblümt und beiläufig, als sei das eine allseits bekannte Tatsache, dass die vielfältigen negativen Entwicklungen, denen sich Deutschland gegenübersieht, Folge von „friendly fire“ sind, eines Wirtschaftskrieges gegen Deutschland, der die langfristige Schwächung zum Ziel hat, bei gleichzeitig langfristigem Profit für das eigene Land und seine Wirtschsft. Tipp: Ich meine nicht Putin.

Edwin
1 Jahr her

Deshalb wird das e-Auto propagiert, weil dies weniger Baugruppen hat als ein Verbrenner und damit leichter zu fertigen ist. Komplizierte Mechanik können die Chinesen nämlich nicht. Deshalb sind sie überall dort, wo viel Software, aber wenig Mechanik eingesetzt sind, sehr erfolgreich. Ein anderes Beispiel sind Smartphones, ebenfalls ein recht einfaches Produkt.
Böse Zungen könnten nun behaupten, das hat alles System, das hat alles Plan und dient letztlich der Vernichtung der deutschen Industrie, die eben die Mechanik revolutioniert hat. Das lässt sich dann auch auf andere Branchen, wie Chemie und Pharmazie, sinngemäß übertragen.

Sani58
1 Jahr her

Planen die Chinesen nicht in Europa mehrere Motorenwerke für Verbrenner?
Entwickeln sie nicht gerade eine neue Generation , mit hoher Verdichtung und Selbstzündung, und Motoren für synthetische und alternative Kraftstoffe ?
Ja, das tun sie.
Geht das den Leuten, den Mechanikern, Meistern, den Ingenieuren in der Autoindustrie nebst Zulieferern nicht auf?
Gut, mancher Zulieferer wird dann zu chinesischen Bedingungen produzieren dürfen. Mehr wie Mindestlohn wird dabei nicht raus springen.
Aber, alles keine neuen Erkenntnisse.
Da hab ich nun kein Mitleid mehr. Zumal, das mit dem „Bürgergeld“ und deren Höhe auch nicht in Stein gemeißelt ist.

Ralf Poehling
1 Jahr her

Dann macht doch einfach die Tür zu. Protektionismus und Strafzölle sind politisch legitim. Trump hat das auch gemacht und damit die US Wirtschaft stabilisiert. Können wir auch. aber irgendwie scheint das keiner bei uns begreifen zu wollen, dass man hin und wieder auch mal Grenzen aufzeigen muss und die Globalisierung eben nicht nur Vorteile hat. Die Nachteile kann man aussperren. Man muss es nur tun. Geht auch bei der Fachkräftezuwanderung: Wer JEDEN reinlässt, der bekommt eben nicht nur Mitarbeiter für die Wirtschaft und damit den Wohlstand, sondern auch Sozialhilfeempfänger, die die Wirtschaftsleistung dieses Landes ruinieren. Aber in Deutschland geht anscheinend… Mehr

mediainfo
1 Jahr her

Seit kurzem muss in jedem Auto eine Simkarte eingebaut werden, die Rettungsdienste informiert, wenn das Fahrzeug einen Unfall registriert.

Ich weiss, diese Technik ist nur zu meinem Besten. Nur gefragt werde ich nicht, und mich gegen diese segensreiche Funktion entscheiden oder sie deaktivieren kann ich auch nicht, wenn ich einen Neuwagen fahren will.

Last edited 1 Jahr her by mediainfo
Anglesachse
1 Jahr her

…mal eine andere Frage:
ab 1950 wurden im Nachkriegs-D-Land Fahrzeuge gebaut und ausgedacht, die kompakt, einfach, robust und billig waren.
Der „jüngste“ war eben der VW-Golf und sogar in der Ostzone ein Wunsch der „Priveligierten“.
Nun haben wir fernost-chip-gesteuerte Hightec-Panzer, die für Leute bebaut werden, die simpelste Fahr-Eigenschaften nicht begreifen.
Ein „Sternchen“-Auto, welches bei defekter Tachoanzeige abgeschleppt und in den Service muss, gehört nicht zu einem Erfolg!

Ich möchte mein Lloyd & Trabbi wiederhaben….made in germany.
Kost nix..fährt fix.

Werner Burstel
1 Jahr her
Antworten an  Anglesachse

Die Komplexität heutiger Autos schließt vielfach eine „Kubanisierung“ (d.h. Nutzung weit über die geplante Lebensdauer hinaus) aus.
Als Fahrzeug bei einem kompletten Zusammenbruch der Zivilisation oder auch nur der Wirtschaft taugen sie also nicht.

Boris G
1 Jahr her

Ob Bürotechnik (in den Olympia-Werken glaubte man nicht an die Zukunft von Druckern/Textverarbeitung, sondern tüftelte weiter an der elektrischen Schreibmaschine bis sich die Werkstore in Wilhelmshaven schlossen), Unterhaltungselektronik, Schiffbau oder Pharmazie: Die Asiaten machen es schneller und billliger. Ein Blick auf die TIMSS-Pyramide Mathematik/Naturwissenschaften und die besonderen Charaktereigenschaften der Nordostasiaten lehrt, woher dieser Vorsprung rührt. Auch wenn das eine narzisstische Kränkung für die Europäer darstellt, muss man es zur Kenntnis nehmen und verdauen, bevor man über Gegenstrategien nachdenkt.

Peterson82
1 Jahr her

ich zerstöre ihren Traum nur ungern, aber in dem Moment in dem Deutschland irgendwelche überzogenen Zölle auf China-Produkte einzuführen, passiert in China genau das Gleiche. Und dann ist hier Feierabend. China kann perfekt ohne Deutschland, wir können nichts mehr ohne die Welt-Werkbank China. Protektionismus ist das Eingeständnis davon dass man nicht mehr konkurrenzfähig ist.

Thorsten Lehr
1 Jahr her

? Mit einem Freund habe ich eine große Halle angemietet und räume gerade junge Gebrauchtwagen mit Dieselmotor und wenig Laufleistung hinein. ? Mit der gerade erfolgenden Kubanisierung ein todsicheres Geschäft in nicht allzu ferner Zukunft wenn sich die Erkenntnis über den aktuellen Wahnsinn Bahn bricht. ?

Werner Burstel
1 Jahr her
Antworten an  Thorsten Lehr

Nachdem ja mittlerweile fast alle Neuwagen „fernabschaltbar“ sind, hoffe ich, dass man Verbrennerverbot nicht irgendwann auf diesem Weg durchsetzt, oder eventuell sogar ein Abschaltdatum in der Firmware hinterlegt.

ComCom
1 Jahr her

Was soll das Gejammer, Fritz Indra und Walter Röhrl sind sicher, dass das E-Auto keine Zukunft hat. Also können uns die Chinesen nichts anhaben, da diese nur im Bau von E-Autos einen Vorsprung haben. Vertrauen wir den Altvorderen, diese sind weise in irren nicht.

alter weisser Mann
1 Jahr her
Antworten an  ComCom

Diese Automobil-Weisen haben gar nicht auf ihrer Karte, dass Ideologen das Auto nicht wollen, weder den Verbrenner noch dessen komplette Ersetzung durch Elektro. Individualverkehr gehört eingedampft, das ist das Ziel.