Ziehen AfD und FDP in den Bundestag ein, bleibt faktisch nur noch die Fortsetzung der Großen Koalition, was die SPD in die Lage versetzt, der Union weitgehend ihre Inhalte zu diktieren oder Neuwahlen in Kauf zu nehmen. Überspitzt formuliert: AfD-Wahlerfolge bewirken auf mittlere Sicht, dass die Politik der Republik inhaltlich weiter nach links gerückt wird.
Der PolitSeismoGraph wird seit Oktober 2009 monatlich erstellt und diente bislang in der internen Arbeit der FoGEP der Beobachtung der Stimmungslage der Wahlbürger. Für Tichys Einblick stellen wir die aktuelle Stimmungslage im März 2016 vor.
Zustimmung zu den Parteien
Der Politseismograph zeigt für März 2016 eine interesssante Entwicklung: Während alle Parteien gegenüber Februar marginal zulegen und damit stabil sind, ist die Union die einzige Partei, die in der Stimmung der Bürger weiterhin Verluste hinnehmen muss.
Die FDP nähert sich zusehends der Fünf-Prozent-Hürde und könnte – würden im März Neuwahlen anstehen – darauf hoffen, wieder in den Deutschen Bundestag einzuziehen. Die AfD liegt – wie seit Dezember vergangenen Jahres – mittlerweile deutlich vor der PdL (Die Linke). Allerdings scheint ihre Zuwachsdynamik dem Ende entgegen zu gehen.
Die März-Zahlen sehen im Einzelnen wie folgt aus (in Klammern die Veränderung zum Vormonat in Prozentpunkten):
Union 36,6 % [- 1,2 Pp] • SPD 24,9 % [+0,4 Pp] • Grüne 10,8 % [+0,1 Pp] • AfD 10,5 % [+0,2 Pp] • PdL 7,9 % [+0,4 Pp] • FDP 4,9 % [+0,6 Pp]
Der Blick auf die langfristige Entwicklung zeigt, dass die Union seit September 2015 deutlich verliert. Stand sie zuvor über Jahre durchgehend im Segment zwischen 40 und 45 Prozent, ist bislang kein Ende des Abstiegs auf unter 35 Prozent absehbar. Es ist offensichtlich, dass die Verluste der Union vorrangig in Richtung AfD und FDP gehen. Die Union verliert gegenwärtig sowohl Zustimmung im kleinbürgerlichen Proletariat wie im Bürgertum.
Größter Gewinner des Monats ist die FDP, mit einem Zugewinn von 0,6 Prozentpunkten steht sie an der Spitze. Ob es derzeit jedoch zum Einzug in den Bundestag reichen würde, darf noch in Frage gestellt werden.
Gleichzeitig machen die eher marginalen Änderungen insbesondere der Parteien links der Union deutlich, dass diese Parteien von der aktuellen Schwäche der Union nicht profitieren können.
Verteilung im Bundestag ohne FDP
Wären im März Wahlen, so ergäbe sich auf Basis der Stimmungslage für die Besetzung des Deutschen Bundestages auf Basis der gegenwärtig 631 Sitze rechnerisch folgende Sitzverteilung (Konstellation A – in Klammer Veränderung gegenüber Ist-Stand):
Union 244 [-66] • SPD 177 [-16] • Grüne 77 [+14] • AfD 75 • PdL 56 [- 8]
Rechnerisch regierungsfähig wären unter Berücksichtigung des Ausschlusses einer Koalition zwischen AfD und politischer Linken folgende Koalitionen:
- Union und SPD mit 421:208 Sitzen
- Union und Grüne mit 321:308 Sitzen
- Union und AfD mit 319:310 Sitzen
Verteilung im Bundestag mit FDP
Sollte die FDP über die 5-Prozent-Hürde kommen, ergäbe sich folgende Sitzverteilung (Konstellation B):
Union 231 [-79] • SPD 168 [-27] • Grüne 73 [+10] • AfD 71 [+71] • PdL 53 [-3] • FDP 34
Bei einer solchen Konstellation wäre unter der oben genannten Prämisse lediglich die Koalition aus Union und SPD möglich. Sie käme auf 399:231 Sitze.
Betrachtung
Der aktuelle PSG zeigt auf, dass in Deutschland trotz der Unions-Verluste eine Politik links von CDU/CSU weiterhin nicht mehrheitsfähig ist. Gleichzeitig kann die SPD trotz langfristig leichter Verluste in der Wählerzustimmung als der eigentliche Gewinner des Erstarkens der AfD gelten. Die knappen Regierungsmehrheiten von Union und Grünen bzw. Union und AfD in der Konstellation A legten es den im Bundestag vertretenen Parteien nahe, die Koalition zwischen den beiden großen Fraktionen fortzusetzen.
Sollte neben der AfD auch die FDP in den Bundestag einziehen, bliebe faktisch nur noch die Fortsetzung der gegenwärtigen Koalition, womit die SPD in die Lage versetzt würde, der Union weitgehend ihre Inhalte zu diktieren oder Neuwahlen in Kauf zu nehmen. Überspitzt formuliert: Derzeit sorgt die AfD dafür, dass die Politik der Republik inhaltlich weiter nach links gerückt wird.
Anmerkung: Der PolitSeismoGraph der FoGEP basiert auf den Befragungsergebnissen von rund 2.000 Wahlberechtigten und berücksichtigt im Trend die längerfristigen Bindungen der Wähler. Er versteht sich ausdrücklich nicht als Prognostik im Sinne der Wahlvorhersage, da kurzfristige politische Einflüsse als kurzfristige Stimmungslagen vorsätzlich abgefangen werden. Der PSG gibt vielmehr die jeweilige politische Tendenz zum jeweiligen Monatsanfang wieder und dient so vorrangig der Feststellung langfristiger politischer Entwicklungen.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein