„Montagsspaziergänge“: Hunderte Demonstrationen in ganz Deutschland

Mindestens 50.000 Menschen demonstrierten am Montag in Hunderten deutschen Städten im ganzen Bundesgebiet. Proteste in dieser gesellschaftlichen Breite sind ein Novum. Die Übersicht.

IMAGO / Nicolaj Zownir
Karlsruhe am 27.12.2021

Zehntausende demonstrierten am Montag in ganz Deutschland gegen die Corona-Maßnahmen und insbesondere die Impfpflicht. Die genaue Zahl ist schwer zu beziffern: Denn die Proteste fanden nicht nur in Großstädten wie Köln, Dresden oder München statt, sondern auch in Hunderten Kleinstädten in der ganzen Bundesrepublik – von Rostock an der Ostseeküste bis Ravensburg unweit des Bodensees.

In Rostock demonstrierten nach Polizeiangaben 6.500 Menschen, in Schwerin knapp 3.000 Menschen, in Magdeburg schätzt die Polizei 5.000 Menschen, in Halle und in Halberstadt jeweils rund 1.500, in Wittenberg 1.900, in Bitterfeld 1.100 Demonstranten, in Gera 2.000, in Altenburg 1.300, in Saarbrücken 3.000, in Pforzheim 1.200, 2.100 in Bamberg, 4.700 in Nürnberg, 1.400 in Bayreuth, in Cottbus 3.000, im südlichen Brandenburg allein insgesamt rund 9.000 Menschen, in Fulda 1.000, in Braunschweig 1.700, in Wolfsburg rund 800, 1.500 in Kaiserslautern, 1.200 in Koblenz. Addiert man allein die Zahlen nach Polizeiangaben über die größeren Demonstrationen, sind das über 50.000 Bürger an einem Montag auf der Straße. Dazu kommen Hunderte kleinere „Spaziergänge“, die kaum erfasst werden können. Da die Proteste nicht angemeldet waren, sind die Polizeischätzungen oft sehr grob oder gar nicht vorhanden.

In vielen Städten blieb es friedlich, oftmals löste die Polizei die „Spaziergänge“ auf. In Bautzen wurden Teile der Demonstranten gewalttätig, als die Polizei versuchte die Aufzüge zu stoppen. Nach Polizeiangaben seien Teilnehmer im vorderen Drittel des Zuges „eher dem extremistischen Spektrum zuzuordnen“. Es wurden mehrere Beamte verletzt. Es sei zu Angriffen mit Pyrotechnik und Flaschenwürfen gekommen, die Polizei setzte Schlagstöcke und Reizgas ein.

In zahlreichen Kleinstädten hatten die Proteste tatsächlich eher den Charakter eines Spaziergangs. Ältere Ehepaare, Familien zogen durch die Städte, teils sogar ohne Transparente. Die Botschaften sind überwiegend harmlos, man skandierte immer wieder „Frieden, Freiheit, keine Diktatur“ oder in Anspielung an Olaf Scholz: „Wir sind die rote Linie“.

Doch machen Sie sich selbst ein Bild. Wir haben Leserzuschriften, Bilder und Videos von den Protesten gesammelt:


Aus Bergisch Gladbach schreibt uns Leser A.:

„Die gute Nachricht: Es werden immer mehr! Heute waren wir 100 Leute mehr als in der Vorwoche. Das hebt die Stimmung!

Treffpunkt war wieder der Platz vor dem Rathaus. Dann ging es in einer 8 durch die Innenstadt. Zweimal! Etliche Leute, die vor oder in den Restaurants saßen oder vor oder in den Geschäften standen, schauten verdutzt, fragend. Ein Paar mit Kaffeefilter vor der Nase fragte hörbar, ob es wohl da vorne, in Richtung des Stroms, irgendwo was gäbe.. Vielleicht.. Möglicherweise eine Bratwurst und was dazu? Nun ja.

Der Gang verlief friedlich, viele hatten ein Licht dabei, ob als Lichterkette um den Hals oder als Kerze in der Hand, egal. Man hört hier einen Satzfetzen, da einen.. Das Thema ist klar. Die Stimmung ist gut.

Am Ende des Spaziergangs angelangt, gehen nicht alle sofort nach Hause. Heute wird erstmal geklatscht. Für den Mut, für die wachsende Zahl der Teilnehmer, für das gute Gefühl. Es ist schön, es fühlt sich gut an, es tut gut. Hier noch ein kurzer Schwatz mit dem Paar von letzter Woche, mit der Dame aus dem Nachbarstadtteil, da noch ein Schwätzchen mit einer Dame aus dem gleichen Stadtteil. Kontaktiere mich doch mal per PN. Klar, mach ich. Später im Kanal wird auch daraus noch ein Pläuschchen, eine Verabredung zum Kaffee. Menschen sind soziale Wesen.

„Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein“, kommt mir dazu in den Sinn. Das als Schlusswort.“

Aus Aalen schreibt uns Leser Werner S. und sendete uns diese Bilder:

„Start der Veranstaltung war um 18:00 Uhr. Dauer ca. 2 Stunden. Teilnehmerzahl nach meiner Schätzung zwischen 1.000 und 2.000 Teilnehmer. Wenig Polizei vielleicht 20 Mann stark. Keine Auschreitungen, kein Gegenspaziergang. Habe keine Plakate gesehen. Vereinzelt Leute mit Kerzen. Altersstruktur: vorwiegend mittleren Alters zwischen 30 und 60 Jahren. Vereinzelt auch jugendliche Gruppen. Keine Extremisten, weder Linke noch Rechte. Am Start der Veranstaltung fragte die Polizei nach dem Leiter oder der Leiterin der Versammlung. Insgesamt 3 Mal kam diese Durchsage. Gemeldet hat sich natürlich niemand.“

Aus Gera schickt uns ein Leser diese Zeilen:

„Eine kleine Impression vom Montagsspaziergang in Gera, am
27.12.2021 kurz nach 19.00 Uhr. Alle waren sehr brav, die
Gegendemonstranten projizierten ein Video auf das Theater (Start
Spaziergang), bei dem ein Enkel vom qualvollen Ersticken seiner an Covid
erkrankten Großmutter in einer Intensivstation berichtete, verbunden mit
der Bitte, jetzt Verantwortung zu übernehmen und nach Hause zu gehen.
Ein Kameramann in der Menge, mutmaßlich(!) ÖR, wurde von der hinter ihm
stehenden Reporterin angewiesen, auf die Gesichter der Demonstranten zu
filmen, „wir müssen zeigen, keiner trägt eine Maske, kein Abstand und
so…“

Leser Wolfgang K. schickt aus Biberach:

„Heute Abend in 88400 Biberach ca 200 bis 300 Spaziergänger auf dem Marktplatz wo sonst der Weihnachtsmarkt ist. Alle friedlich singend und mit Kerze. Schön war’s.“

Und weiter geht es auf Twitter:

Zu Ausschreitungen kam es bei der Demonstration in Bautzen, bei der mehrere Polizisten verletzt wurden:

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Kommentare ( 243 )

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kasimir
2 Jahre her

Super, Leute! Wir dürfen jetzt nicht locker lassen. Nächstes Mal bringe ich auch noch 2 Arbeitskollegen mit. Wir sind stark und wir werden immer mehr…:-))
Einen Guten Rutsch der Redaktion und allen Tichy-Lesern!
Mit besten Grüßen aus Österreich…
K.

H.Arno
2 Jahre her

Zu den Montags-Demos gegen die Diktatur – W. Biermanns Ermutigung:
„Wir wollens nicht verschweigen – In dieser Schweigezeit
Das Grün bricht aus den Zweigen – Wir wollens allen zeigen
Dann wissen sie Bescheid – Dann wissen sie Bescheid“

Julius Schulze-Heggenbrecht
2 Jahre her

Mir hat mal ein AntiFant vor Jahren erklärt, wie Linksextreme ein Versammlungs- und Demonstrationsverbot knacken: Erstens werden immer mehrere Sammelpunkte geplant, von denen dann gleichzeitig losmarschiert wird. Im Zeitalter der Mobiltelefone kann man so etwas prima abstimmen, sagte er. Zweitens zerstreuen sich die losmarschierenden Gruppen, sobald die Polizei massiv vorzugehen beginnt. Dabei ziehen sich die „Zerstreuten“ an vorher festgelegte Sammelpunkte zurück, und das Spiel geht von vorn los. Drittens – und ich bitte darum, so etwas auf keinen Fall nachzumachen, weil es eine Straftat ist! – würden von den Linksextremen immer dann, wenn die Polizei die Oberhand zu gewinnen droht,… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Julius Schulze-Heggenbrecht
andreas donath
2 Jahre her

Grundaussage völlig korrekt, aber nicht die Zahl. 50.000 ist eine derart gewaltige Untertreibung, dass ich es kaum fassen kann. Rechnen Sie doch bitte einfach mal nach: Es waren mehr als 1.200 Spaziergänge in ganz Deutschland am Montag, darunter recht viele im Bereich von tausend plus, manche mit vielen tausend Leuten und Rostock sogar mit fast 20.000 Teilnehmern. Lege ich Ihre 50.000 zu Grunde, wären das im Schnitt knapp 42 Leute pro Veranstaltung gewesen. Lustig! Und ich sage Ihnen eines. Ich lebe in der hintersten Provinz, in den düsteren (noch) Märchen-Wäldern Nordhessens, in einem ganz menschenarmen Landkreis. Allein hier gab es… Mehr

humerd
2 Jahre her

„München untersagt Corona-Protestzüge“„Man werde robuster und konsequenter vorgehen, sagte ein Polizeisprecher dazu. „ kenn ich noch aus vergangenen Zeiten. Die Polizeibeamten werden wieder „aufgeheizt“, auch das gabs früher schon. Diesmal wurden Polizisten aus dem Weihnachtsuralub zurück beordert. Die haben natürlich einen Groll … und dann ist da noch die „Sorge“ um die Kinder. “ Die Eltern müssten sich aber ihrer Verantwortung für ihre Kinder bewusst sein.“ Wenn Kinder von Migranten seit 2015, in Lagern in Griechenland und aktuell an der belarussischen / polnischen Grenze missbraucht werden, sinds immer die armen Kinder. Innerhalb Deutschlands die bösen Eltern. Ich selbst finde es auch blöd, wenn… Mehr

Donostia
2 Jahre her

Ich versichere Ihnen, dass auf dem Spaziergang den ich gesehen hab, keine Extremisten unterwegs waren. Zumindest hab ich keine gehört oder gesehen.

Nibelung
2 Jahre her

Das ist das sichtbare Zeichen, daß sie sich auf Dauer nicht halten können, denn wer die Massen so gegen sich aufbrngt wird dabei verlieren und die Bürger die daran teilnehmen, haben nun die Strategie gewechselt, dezentral, was von den Protagonisten nicht mehr zu beherrschen ist, oder sie rufen den Notstand aus und dann würden sie dem letzten Zweifler gleichzeitig mitteilen, wie es um unsere Demokratie bestellt ist, denn wer gegen jede Gesetzgebung das Demonstrationsrecht auf diese Weise aushebeln würde, der zeigt entgültig sein wahres Gesicht und so werden wir abwarten müssen, wie sich alles weiterentwickelt und die Teilnehmerzahlen sind ja… Mehr

Andreas aus E.
2 Jahre her
Antworten an  Nibelung

Im „grünen“ Staatsfunk, dem DLF, redete eben wieder irgendsoein „Experte“ daher, daß das ja alles lautstark, aber Randerscheinung sei.
Die Propaganda dreht immer mehr frei, daran meine ich zu erkennen, daß es der Obrigkeit mulmig wird.

Thomas
2 Jahre her
Antworten an  Nibelung

-rufen den Notstand aus-
Vielleicht hat Scholz den Corona General deswegen berufen.

Donostia
2 Jahre her
Antworten an  Nibelung

Notstand gibt es schon in BW. Ausgangssperre von 22:30 bis 5:00 Uhr.

Demokratius
2 Jahre her

Jetzt hat das BVG die Regierung verpflichtet, verbindliche Regelungen zur Triage zugunsten der Behinderten zu treffen, um den Ärzten diese moralische Last von den Schultern zu nehmen. Bezüglich der Alten gilt das nicht. Besser wäre es gewesen, die Regierung zu verpflichten, den ständigen Abbau der Intensivbetten, die Schließung von Krankenhäusern und den Ärztemangel im ländlichen Raum endlich durch geeignete Maßnahmen zu beenden.

Kassandra
2 Jahre her
Antworten an  Demokratius

Wie will man in eine Regel, gar in Gesetze packen, was vor Ort individuell nach Sachlage vielleicht in Sekunden entschieden werden muss?
Immer mehr Aufreger-Themen werden uns vor die Nase gesetzt um von dem, was wirklich vor sich geht, abzulenken.

Nibelung
2 Jahre her
Antworten an  Demokratius

Das ist eine Beruhigungspille in gegenseitiger Absprache und der Abbau ist das Hauptproblem und das wollen sie nicht benennen und deshalb wieder so ein verschwurbeltes Urteil, was keinesfalls Salomischer Art ist, sondern Gefälligkeitsdenken einer verbandelten Elite, wie es schlimmer nicht mehr sein kann.

Jokaste
2 Jahre her

Habe heute folgendes bei deimelbauer.at gelesen:
Die Politik rudert bereits vorsichtig zurück und kündigt an, die Impfpflicht wird nur dann kommen können, wenn ein Vakzin tatsächlich – auch gegen Mutationen wie Omikron – wirksam ist. Wenn die Impfung nicht wirkt ist auch ein Impfpflicht nicht verfassungskonform, erklärte Österreichs Verfassungsministerin Karoline Edtstadler gegenüber der APA, wie in den Tageszeitungen berichtet wurde.

Jokaste
2 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

habe ich nicht gelesen aber danke ist immerhin ein Lichtblick

elly
2 Jahre her

„Auch sogenannte „Spaziergänge“ müssen angemeldet werden“https://www.br.de/nachrichten/bayern/auch-sogenannte-spaziergaenge-muessen-angemeldet-werden,SstEXJP
Jetzt stelle ich mir vor, dass ganz viele Leute im Lande ihre Spaziergänge bei ihren zuständigen Landratsämtern anmelden. Jeden Tag soll der Mensch ja spazieren gehen. ?

Andreas aus E.
2 Jahre her
Antworten an  elly

Gute Idee. Bei Hundehaltern kommen da meist drei anmeldungsgeeignete Spaziergänge zusammen, hinzu kommt noch der Spaziergang zum Bäcker/Supermarkt. Das wären dann sogar gleich zwei Spaziergänge, hin und zurück. Gilt Post aus Briefkasten holen auch schon als Spaziergang? Wer zum Einkaufen mit dem laternengeparkten PKW unterwegs ist, bringt es auf noch mehr anmeldungspflichtige Spaziergänge: Erst zum Auto, dann Spazierfahrt, dann vom Parkplatz Spaziergang ins Geschäft. Im Anschluß das Ganze retour… Man sollte das tatsächlich mal machen, Behörden würden die Sinnlosregelung nach zwei Stunden kippen. Vermutlich würde auch mancher Büttel, der heimlich mit dem Widerstand sympathisiert, vor Lachen vom Stuhl kippen. Merke:… Mehr

Kassandra
2 Jahre her
Antworten an  Andreas aus E.

Schwejk würde uns aus dem Himmel zulächeln! 😉

Donostia
2 Jahre her
Antworten an  elly

Wie man oben im Bericht aus Aalen lesen konnte, fragte die Polizei nach dem Leiter oder der Leiterin der Versammlung. Gemeldet hat sich niemand.

Mein Onkel
2 Jahre her
Antworten an  elly

Sehr geehrter Herr Landrat,
hiermit melde ich meinen sonntäglichen Verdauungsspaziergang für den 2. Januar 2022 zwischen 15:00 und 16:00 Uhr an.
Die genaue Route weiß‘ ich selber aber noch nicht.
Hochachtungsvoll
Mein Onkel

:-))