Demonstrationen gegen die Energie- und Wirtschaftspolitik der Ampel

100.000 Menschen demonstrierten laut offiziellen Zahlen in Deutschland. Die Demonstranten und ihre Forderungen sind vielfältig und umfassen das gesamte politische Forderungsspektrum von Corona über Bildung zu Migration und Russland-Sanktionen.

IMAGO / Bernd März
Protestumzug in Plauen, 06.11.2022

In Plauen im sächsischen Vogtland demonstrierten am Sonntag erneut tausende Bürger gegen die aktuelle Regierungspolitik.

Dabei wurden auch russische Flaggen gezeigt. Und solche der Kleinpartei „Freie Sachsen“, die manchen als rechtsextremistisch gilt.

In Bernburg an der Saale gingen Bürger unter dem Motto „Bernburg steht auf“ auf die Straße. Auch in Greiz im südöstlichen Thüringen demonstrierten Bürger hinter dem Motto „Wir sind die rote Linie“ als trotzige Replik auf Olaf Scholz.

Im brandenburgischen Fürstenwalde forderten die Demonstranten unter anderem „Grüne Ideologie raus aus der Regierung“ sowie eine „regierungsunabhängige freie Wissenschaft, Presse und Justiz“. Das größte Transparent besagte allerdings schlicht: „Wir frieren nicht für eure Politik“.

In Chemnitz hieß es „Tut es für den Mittelstand“ – wiederum ohne die Grünen.

In Hanau sorgen sich die demonstrierenden Bürger vor allem um Altersarmut und Steuerverschwendung.

In Mönchengladbach demonstrierten Bürger für den Erhalt der Demokratie. Beteiligt war auch eine Gruppe, die sich per Transparent als „echte Antifa“ betitelte und „gegen Impfzwang, Ausgrenzung & digitale Kontrolle“ auftrat, wie man es linken Anarchisten zu allen Zeiten zugetraut hätte.

Auch in Kiel stand neben der Corona-Maßnahmenprotest die Wirtschaftspolitik der Regierung im Mittelpunk: „Diese Politik führt alle in die Armut.“ Auf anderen Transparenten riefen die Demonstranten für die gemeinsame Entscheidung zur „Veränderung“ auf – nicht gerade ein extremistisches Auftreten.

In Hannover zeigten sich die Demonstranten als betont bunter Zug aus Wahrheitssuchern, Friedens- und Freiheitsfreunden.

Auch in Berlin ging es vor allem um Frieden in der Ukraine, aber auch um die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs für Deutschland.

In Augsburg demonstrierten schon am Samstag zahlreiche Bürger für Friedensgespräche, gegen die „ruinierenden Maßnahmen der Politik“ und „für ein bezahlbares Leben“, so die Transparente. Steuergelder sollten nicht im Ausland eingesetzt werden.

Auch im baden-württembergischen Reutlingen hatte man am Samstag den Eindruck, dass der Zorn über die Politik – angefangen beim Maskenwahn, nicht endend bei der aktuellen Wirtschaftspolitik – wächst.

Versammlungsbehörden: Jede Woche 100.000 Menschen auf der Straße

Seit September hat es laut der Welt am Sonntag  mehr als 4.400 Demonstrationen gegeben, die sich entweder gegen die anhaltenden Corona-Maßnahmen richteten oder die Ukraine- und Energiepolitik der Bundesregierung kritisierten. 100.000 Menschen gehen demnach jede Woche wegen dieser Themen auf die Straße, wie aus Zahlen der Versammlungsbehörden hervorgeht. Absurd ist allerdings, diese Proteste in den Zusammenhang von „Volksaufständen“ und „bedrohlichen Sicherheitslagen“ zu stellen und auf ihnen beständig nur „Rechtsextreme“, „Reichsbürger“ und „Staatsdelegitimierer“ zu vermuten. Denn um solche Zuweisungen zu rechtfertigen, sind die Demonstrationen natürlich zu vielgestaltig und vor allem zu friedlich. Von einer Konfrontation mit den Sicherheitskräften, Unruhen gar kann in diesem Spektrum nirgendwo die Rede sein.

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, spricht allerdings vom „Frust“ der Menschen und appelliert an die Politik, den Protest nicht ungehört verhallen zu lassen: „Tretet in den direkten Dialog. Sonst laufen euch die Rattenfänger schleichend den Rang ab, und die Demokratie gerät in ernste Gefahr.“ Das war allerdings eine seltsame Wortwahl, obwohl sie natürlich bruchlos beim Sprachgebrauch von ARD-Korrespondenten anknüpfen kann.

Die Zahl der Veranstaltungen nimmt dabei beharrlich zu und lag Mitte Oktober bei 725. Die Teilnehmerzahlen bewegen sich seit sechs Wochen stets über 100.000 pro Woche, teils wurde die Zahl von 140.000 Demonstranten bundesweit erreicht – und das lässt sich wohl kaum als „extreme“ Minderheit abstempeln. Am meisten wird demnach in Thüringen (zusammen über 37.000 Teilnehmer) demonstriert. Es folgen die Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern mit jeweils um die 20.000 Demonstranten. Berlin, Brandenburg und Baden-Württemberg liegen jeweils bei unter 18.000 Teilnehmern. Hamburg und Bayern folgen. In den restlichen Bundesländern wurde weniger demonstriert, auch proportional zur Einwohnerzahl.

Österreich: Demonstrationen für und gegen illegale Zuwanderung

In Wien demonstrierten am Samstag zahlreiche Menschen laut zentralem Transparent „für ein leistbares Leben“. Ein Geistlicher sprach die Versammelten als Vertreter des „österreichischen denkenden Volks“ an und bestand auf dem „Suchen nach Wahrheit“, das heute leider durch „höhere Mächte“ – ein offenbar zweideutiger Begriff – bekämpft werde, genauso wie das „menschliche Verlangen nach Gesellschaft, nach Leben“.

Daneben fanden Demonstrationen für eine bessere Unterbringung von Asylbewerbern („Zimmer statt Zelte“) am Samstag und gegen die zunehmende illegale Migration (unter dem Motto „Steuern runter, Grenzen dicht“) am Sonntag statt. Die Rede war vom „Duell der Asyl-Demos“.

Auch an der Wiener Börse fand eine kleine Protestaktion statt.

Unterschiedliche Regierungen, ähnliche Probleme

In London demonstrierten Bürger – teils hinter Anonymous-Masken vermummt – gegen die konservative Regierung, gegen deren aus Sicht der Demonstranten fehlenden Lösungsansatz in der Krise der Lebenshaltungskosten und für sofortige Neuwahlen.

In Amsterdam war eine Großdemonstration abgesagt worden, nachdem David Icke nicht einreisen durfte. In der Tat wurde Icke von der niederländischen Justizministerin Dilan Yesilgöz-Zegerius zur unerwünschten Person (persona non grata) erklärt. Die persönliche Erläuterung seiner „Theorien“ könne zur Störung der öffentlichen Ordnung oder Gewalttätigkeit führen. Nun mag man alles, was Icke über den reptiloiden Charakter der globalen Eliten verbreitet, für kruden Unsinn halten. Aber was sagt es über unsere Demokratien aus, wenn man sich in dieser Weise vor der Redefreiheit fürchtet? In Amsterdam kam es zu unruhigen Szenen zwischen Demonstranten und Polizei.

In Rom und anderen Städten Italiens sorgt die Parteinahme des Westens in der Ukraine noch immer für Unbehagen. Zehntausende gingen für Frieden und gegen Waffenlieferungen auf die Straße.

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