Der Bund zahlt für „überdurchschnittliche Kosten der politischen Führung“

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit genehmigen Union, SPD, Grüne und Linke den kleinen Bundesländern Geld aus dem Bundeshaushalt, weil ihre Regierungen so hohe Kosten produzieren. Da freut sich das Personal im Politikbetrieb.

imago images / POP-EYE
Landesvertretung des Saarlandes in Berlin

Damit die Deutschen besser regiert werden können, machen Politiker im Bundestag sogar Überstunden. Es war am Abend des 19. November 2020, die Tagesschau war gerade vorüber, da beschloss das Parlament einen „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Ergänzungszuweisungen des Bundes nach § 11 Absatz 4 des Finanzausgleichgesetzes und zur Beteiligung des Bundes an den Flüchtlingskosten der Länder“.

Der Regierungsapparat von zehn der 16 Bundesländer wird damit erheblich gestärkt: 631 Millionen Euro fließen dafür jetzt pro Jahr an „kleine leistungsschwache Länder“, wie der Abgeordnete Sebastian Brehm (CSU) in seiner zu Protokoll gegebenen Rede betonte. Die Zahlungen an diese „kleinen leistungsschwachen Länder“ werden von 528 um 103 Millionen Euro noch für das Jahr 2020 angehoben. Offizielle Begründung laut Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 19/23481) sind „überdurchschnittliche Kosten der politischen Führung“. Eine übergroße Koalition war für diesen Gesetzentwurf: Neben CDU/CSU und SPD votierten auch Linke und Grüne dafür. Zumeist sind es ihre Parteifreunde, die in den Landesregierungen davon profitieren. Die in den Ländern kaum noch verankerte FDP stimmte dagegen, die AfD auch.  

Dass die Kosten für politische Führung in den Ländern aus dem Ruder gelaufen sind, zeigt schon ein Spaziergang durch Berlin und dort durch die Straße „In den Ministergärten“, wo die Bundesländer Vertretungen unterhalten, die viele Botschafter von Industriestaaten neidisch werden lassen dürften. Kleine Länder mit großen Hallen und riesigen Gärten sind Zeichen eines nimmersatten Politikbetriebs, in dem Bescheidenheit keine Zier mehr ist, sondern ein Fremdwort. So befinden sich zum Beispiel die Landesvertretungen von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Saarland in den Ministergärten und waren für große Empfänge und Feste bekannt, ehe Corona alle Aktivitäten auf Null setzte. Wie die Dimensionen tatsächlich sind, zeigt ein Vorgang aus der Anfangszeit Berlins als Bundeshauptstadt. Nachdem Nordrhein-Westfalen mit dem Bau seiner Landesvertretung im Rückstand war, nahm die Bremer Vertretung in der Hiroshimastraße die Angehörigen der NRW-Vertretung in ihren Räumen auf. Die Bremer hatten Platz genug.

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Damit in den Berliner Landesvertretungen und in den Kabinetten daheim auch stets genug Personal vorgehalten werden kann und nicht etwa ein Kabinettsposten eingespart werden muss oder ein Redenschreiber sich plötzlich im Gesundheitsamt zur Pandemie-Bekämpfung wiederfindet, fließt das Geld reichlich: An Bremen gehen 60,3 Millionen Euro. Berlin bekommt 58,6 Millionen Euro und damit sogar 15,2 Millionen mehr als bisher. Die Behauptung, dass Berlin politisch geführt wird, ist allerdings bestenfalls Theorie. Weiter erhalten Brandenburg (rund 80 Millionen), Mecklenburg-Vorpommern (71,9), Rheinland-Pfalz (48,3), das Saarland (66,3), Sachsen (47,3), Sachsen-Anhalt (70,9), Schleswig-Holstein (66,3) und Thüringen (71,4 Millionen) dieser „Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen“. Für CSU-Mann Brehm handelt es sich um einen „Ausgleich für Kosten der Demokratie“. Die Ausgleichsempfänger zeigten übrigens kein Interesse an der Bundestagssitzung: Die Bundesratsbank war gähnend leer.

Dabei hätten die Ländervertreter durchaus interessante Argumente hören können: Otto Fricke (FDP) sagte: „Von 16 Ländern sind zehn Länder leistungsschwach, obwohl sie 30 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen als der Bund haben.“ Fricke fühlte sich an Shakespares Hamlet erinnert: „Ich dachte, es wäre Wahnsinn, und doch steckt Methode dahinter.“

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Kommentare ( 15 )

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15 Comments
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Riffelblech
3 Jahre her

Dieser Parteienstaat hat das gestrandete Schiff Deutschland zur Plünderung freigegeben .
Wie vor 300 Jahren ,als das Abwracken eines gestrandeten Seglers noch den Strandbewohnern Zustand ,so glaubt heute die Parteienaristokratie das Schiff Deutschland auszuplündern .
Der Bundestag gewährt allen Angestellten ,auch wenn sie vom Januar an nur 1 Tag im Bundestag tätig gewesen sind , 600 Euronen . Steuer und Abgabenfrei !
Das erkläre mal Fritz Müller seinem Finanzamt ,wenn er vom Chef täglich sein Auto zur Arbeit bezahlt bekommt .
Man erkennt wieder einmal , es gibt Gleiche und es gibt Gleichere.

Thorsten
3 Jahre her

Es geht um politischen Proporz mit den kleinen Bundesländern wird die Mehrheit im Bundesrat gesteuert.
Wer daran denkt Berlin und Brandenburg zu fusionieren, der sollte wissen dass viele Brandenburger dieses „Sh*t hole“ Berlin nicht wollen.

Ralf Poehling
3 Jahre her

Es läuft genau verkehrt herum: Wer mit Geld nicht umgehen kann, der braucht keinen Zuschuss, sondern ein Sperre. Sonst lernt er es nie.
Gute Eltern geben ihren Kindern ja auch nicht mehr Taschengeld, wenn diese es vorher für unnützen Quatsch verschleudert haben.
Der Länderfinanzausgleich gehört mit all seinen Auswüchsen abgeschafft.

Sagen was ist
3 Jahre her

Jedes Bundesland hat also seine „Vertretung“ mit entsprechendem

Gebäude und Personal (incl Kochpersonal) in Berlin.

Das kostet.

Fehlt nur noch der Diplomatenstatus.

Das wird dann noch teurer für den Bürger.

Also wird fröhlich Zustupf gegeben.

Man kennt sich.

Eben und wozu dann Ländervertretungen in digitalen Zeiten?

Die Länder sind im Bundesrat vertreten. Punkt.

Der selbe Prunk in Brüssel incl Leibköchen.

Wenn jemand unser sauer verdientes Geld mit kindlicher

Freude zum Fenster rausrühren kann,

dann unsere quotengegenderten Parteiclans.

Maja Schneider
3 Jahre her

Der Parteienstaat macht sich inzwischen den Staat immer ungenierter untertan, der Bürger mit eingeschränkten bis gar keinen Rechten mehr hat zu zahlen und merkt es immer noch nicht.

Deutscher
3 Jahre her

Die beste Realsatire in diesem Pamphlet Drucksache 19/23481 ist Punkt C:

C. Alternativen:
Keine.

Ein klassischer Running Gag von Chefkabarettistin Merkel. Sie hat´s einfach drauf.

Phil
3 Jahre her
Antworten an  Deutscher

Aha, daher also auch das drohende Verbot für die „Alternative für Deutschland“, dass mag die Merkel gar nicht, für sie ist grundsätzlich alles Alternativlos….. Hätte sich doch diese Partei nur den Namen „Alternativlos für Deutschland“ gegeben, so wäre ihnen die Sympathie der Kanzlerin gewiss.

Hätten sich die 1980 als „Grundlegende Alternative“ zu allen anderen Parteien angetretenen Grünen nicht total in Richtung Alternativlosigkeit entwickelt, so würde Merkel sie heute nicht mit dem Hintern anschauen. Der Schritt von Alternativ hin zu Jung und Naiv hat ihnen dabei wohl das überleben gesichert.

Wer.K.
3 Jahre her

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Oder Irrsinn kennt keine Grenzen. Kürzlich hat mir ein Kreistagsabgeordneter freudestrahlend erklärt, die Gewerbesteuerausfälle würden vom Land (SH) ausgeglichen. Auf meine Frage woher denn das Land die Kohle herkriegt……betroffenes Schweigen.

Phil
3 Jahre her
Antworten an  Wer.K.

„Geld ist das Barometer der Moral einer Gesellschaft. Wenn Sie sehen, daß Geschäfte nicht mehr freiwillig abgeschlossen werden, sondern unter Zwang, daß man, um produzieren zu können, die Genehmigung von Leuten braucht, die nichts produzieren, daß das Geld denen zufließt, die nicht mit Gütern, sondern mit Vergünstigungen handeln, daß Menschen durch Bestechung und Beziehungen reich werden, nicht durch Arbeit, daß die Gesetze Sie nicht vor diesen Leuten schützen, sondern diese Leute vor Ihnen, daß Korruption belohnt und Ehrlichkeit bestraft wird, dann wissen Sie, daß Ihre Gesellschaft vor dem Untergang steht.“ (Ayn Rand) Diese Leute wissen weder wie Geld entsteht, noch… Mehr

Thorsten
3 Jahre her
Antworten an  Wer.K.

von der EZB natürlich …

szenaria
3 Jahre her

Der Reichstag und sein Hofstaat – Versailles des 21.Jahrhunderts.

Gerhart
3 Jahre her

Sagten die nicht immer, 10 Euro mehr ( Steuer- oder Abgabensenkung ) für Arbeitende wären zu viel Verwaltungsaufwand und könnten daher nicht erfolgen ?

Marinero
3 Jahre her

Der Parteienstaat genehmigt sich einen weiteren Schluck aus der Pulle

Kurz vor dem Ruin lebt es sich besonders ungeniert. Aber bald ist Flasche leer und der Kater wird schmerzhaft einsetzen. Frei nach Franz Josef Strauß: So wie ein Hund unfähig ist, sich einen Wurstvorrat anzulegen, sind Politiker unfähig, Geldvorräte anzulegen.

Wolf Koebele
3 Jahre her
Antworten an  Marinero

bzw. die Finger vom Geld der Bürger zu lassen.

Phil
3 Jahre her
Antworten an  Marinero

Der Satz ist vom Ökonomen Schumpeter und lautet:
„Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an, als eine demokratische Regierung eine Budgetreserve“.