Corona: Chronik einer Staatskrise

Vor fünf Jahren gab es den ersten Corona-Fall in Deutschland. In einer dreiteiligen Serie ruft TE die wichtigsten Ereignisse dieser Zeit in Erinnerung. Am Anfang stehen im ersten Teil die maßlosen Maßnahmen.

IMAGO / Xinhua

Jedes Drama hat einen Prolog – in diesem Fall eine Nachricht vom 27. Januar 2020: Es ist schon recht spät an einem Montagabend, deshalb macht die Meldung erst am Dienstagmorgen so richtig die Runde: Ein Mann aus dem bayerischen Landkreis Starnberg ist der erste Mensch in Deutschland, der sich mit dem Corona-Virus infiziert hat.

Was bis heute kaum jemand weiß: Der Mann hatte keine Krankheitssymptome.

— Mathias Priebe (@MathiasPriebe) January 27, 2025

Am 9. Januar 2020 war die neuartige Lungenerkrankung in China entdeckt worden. Jedenfalls hatte das Regime das an diesem Tag bekanntgegeben. Als das Virus Deutschland erreicht, meldet Peking mehr als 100 Todesopfer und 4.500 Infizierte. In dem Riesenreich fährt kein Zug mehr, alle Flugzeuge bleiben am Boden, der öffentliche Nahverkehr ist eingestellt.

Recherchen ergeben: Der erste deutsche Corona-Infizierte hat sich während einer Schulung bei einer chinesischen Kollegin angesteckt.

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Bei uns halten die meisten Politiker und Wissenschaftler zunächst gemeinsam den Ball flach. Lothar Wieler, Behördenleiter des Robert-Koch-Instituts (RKI), erklärt, es gebe keinen Grund zur Panik.

In der Sitzung des Bundestags am 30. Januar 2020 fällt das Wort „Corona“ kein einziges Mal – obwohl die Weltgesundheitsorganisation WHO den Ausbruch des Virus am selben Tag zu einer „gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite“ erklärt.

Am 11. Februar 2020 gibt die WHO dem Virus einen neuen Namen. Es heißt jetzt Covid-19.

Für den 12. Februar 2020 setzen CDU/CSU und SPD im Bundestag eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Strategie zur Vorbereitung gegen das Corona-Virus in Deutschland“ auf die Tagesordnung. Dort schätzt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Gefahren für die Gesundheit in Deutschland weiterhin als gering ein.

Am 13. Februar 2020 wird der erste deutsche Corona-Patient als geheilt aus dem Krankenhaus entlassen.

RKI-Chef Wieler erklärt, das Risiko für die Bevölkerung sei „mäßig“. Der Virologe Christian Drosten von der Charité Berlin sagt: „Das Risiko für die Gesellschaft ist gestiegen, die Gefahr für den Einzelnen ist aber weiterhin nicht groß.“

Maßlose Maßnahmen

Doch der zurückhaltende Umgang mit der Krankheit ändert sich rasant.

25. Februar 2020
Im später besonders betroffenen Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen wird der erste Corona-Fall gemeldet. Einen Tag später schließt der Kreis Schulen und Kindergärten.

27. Februar 2020
Die Bundesregierung einen Krisenstab ein. Am 2. März 2020 werden erste Maßnahmen empfohlen: Um sich vor Ansteckung zu schützen, sollen die Menschen in den Arm zu niesen, sich gründlich die Hände waschen und auf das Händeschütteln zur Begrüßung verzichten. Gesundheitsminister Spahn erklärt, man könne das öffentliche Leben „ja nicht so einfach lahmlegen“.

28. Februar 2020
In Berlin wird die weltgrößte Reisemesse ITB abgesagt.

Februar/März 2020
Bundeskanzlerin Merkel richtet das im Grundgesetz nicht vorgesehene sogenannte „Corona-Kabinett“ ein. Außer ihr selbst gehören der Runde ihr Chef des Bundeskanzleramts, Innenminister, Außenminister, Finanzminister, Verteidigungsminister und Gesundheitsminister an.

10. März 2020
Der Krisenstab empfiehlt die Absage aller Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 erwarteten Teilnehmern. Am 13. März 2020 haben die meisten Theater und Konzerthäuser den Spielbetrieb eingestellt.

13. März 2020
In den meisten Bundesländern werden Schulen und Kindergärten geschlossen.

16. März 2020
Die Bundesregierung ordnet eine umfangreiche Schließung von Geschäften und öffentlichen Einrichtungen an. Geöffnet bleiben nur noch Läden, die Lebensmittel und Gegenstände des täglichen Bedarfs verkaufen: Supermärkte, Drogerien, Apotheken, Tankstellen sowie Banken, Postfilialen und Waschsalons. Auch Freizeit- und Sportstätten werden geschlossen.

21. März 2020
Aus Angst vor Ausgangssperren hamstern die Deutschen Mehl, Nudeln und Toilettenpapier.

22. März 2020
Die bislang strengsten Einschränkungen werden verhängt: Ansammlungen von mehr als zwei Menschen werden verboten – ausgenommen sind Angehörige, die im eigenen Haushalt leben. Cafés, Bars, Restaurants und auch Friseure müssen schließen.

25. März 2020
Der Bundestag stellt eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ fest. Die Bundesregierung wird ermächtigt, ohne Zustimmung des Parlaments Verordnungen zu erlassen.

29. April 2020
Die Bundesregierung erlässt erstmals eine Maskenpflicht: Im öffentlichen Nahverkehr und beim Einkaufen müssen jetzt Schutzmasken getragen werden.

2. November 2020
Die Bundesregierung verhängt einen Teil-Lockdown mit erheblichen Beschränkungen bei Kontakten und Freizeitaktivitäten tritt in Kraft. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnet die Maßnahme als kurzfristigen „Wellenbrecher-Lockdown“. Am 2. Dezember 2021 wird er verlängert.

19. Januar 2021
Im öffentlichen Nahverkehr und beim Einkaufen wird das Tragen von FFP2-Masken oder OP-Masken zwingend vorgeschrieben. Alltagsmasken sind ab jetzt nicht mehr zugelassen.

27. Januar 2021
Arbeitgeber werden verpflichtet, Mitarbeitern in bestimmten Fällen das Arbeiten im Homeoffice anzubieten.

24. März 2021
Bundeskanzlerin Merkel nimmt nach massiver Kritik die zuvor von Bund und Ländern vereinbarte „Osterruhe“ wieder zurück.

21. April 2021
Der Bundestag beschließt die sogenannte „Bundes-Notbremse“ mit bisher einmaligen Maßnahmen: Bei hohen Inzidenzen gelten unter anderem nächtliche Ausgangsbeschränkungen.

24. November 2021
Das neue Infektionsschutzgesetz tritt in Kraft. Es sieht unter anderem 3G am Arbeitsplatz, in Bussen und Zügen vor: Zutritt also nur noch geimpft, genesen oder getestet.

2. Dezember 2021
Die Regeln werden weiter verschärft. Die Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte werden noch strenger. Diskotheken müssen vielerorts schließen, die zulässigen Besucherzahlen bei Großveranstaltungen werden stark abgesenkt.

7. Januar 2022
Ab jetzt gilt bundesweit „2G plus“ in Restaurants, Cafés und Bars. Geimpfte und Genesene müssen demnach einen tagesaktuellen negativen Corona-Test oder eine Auffrischungsimpfung vorweisen.

2. Februar 2023
Die Maskenpflicht im öffentlichen Fernverkehr endet. Damit fallen für die meisten Menschen in Deutschland die letzten sichtbaren Corona-Schutzmaßnahmen im Alltag weg.


Lesen Sie in Teil 2: kriminalisierte Kritiker und willige Wissenschaftler

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