Clan-Fehde in Berlin: Auf einmal standen die Abou-Chakers auf der Straße

Clans regieren Berlins Straßen? Ganz so weit ist es noch nicht. Aber immer mehr gewalttätig ausgetragene Konflikte auf offener Straße zeugen von einer zunehmenden Enthemmung. So auch jetzt in Neukölln. Dass der nahöstliche Clan der Abou-Chakers etwas damit zu tun hat, ist klar. Inwiefern, keineswegs.

picture alliance/dpa | Wolfram Steinberg

Im internationalen Vergleich steht Berlin ja noch irgendwie goldig da. In Frankreich kommt es in rhythmischen Abständen zu Aufständen der diversen Drogenmafias in den betroffenen Vorstädten, daneben das ganze Jahr zu Raub-, Gewalt- und Mordtaten. In vielen Städten Großbritanniens regiert die schiere Angst. Noch immer trauen sich viele Bürger nur hinter vorgehaltener Hand, über die Grooming-Gangs zu sprechen, sicher auch weil Gewaltdrohungen zu ihrer Vorgehensweise gehörten, aber auch, weil die Polizei an dieser Stelle systematisch wegschaut. In Berlin entfalten sich gerade erste Aspekte der gleichen Gang- und Mafia-Kultur, die es freilich auch hierzulande nicht erst seit gestern gibt. Die Präsenz und die Anwendung von schweren Waffen im öffentlichen Raum gehören dabei zu den ersten Warnzeichen.

Im Ortsteil Britz, eigentlich der ruhigere Teil des Großbezirks Neukölln, gab es am Montagabend eine Auseinandersetzung und Schießerei, zu der am Ende auch Clangrößen stießen. Die Marientaler Straße – Ort des Geschehens – liegt in einem Industriegebiet am Teltowkanal, südlich des Hafens Britz-Ost, nicht weit von der berüchtigten Sonnenallee entfernt, an der Terrortaten mit Süßigkeiten gefeiert werden.

Um 20.30 Uhr informierte ein Anwohner die Polizei, weil er einen Streit auf der Straße bemerkt und Schüsse gehört hatte. Ein Mann soll auf eine Gruppe von Personen geschossen haben. Oder war es wirklich eine ganze „Menschenmenge“, wie einige schreiben? Die Clan-Familien sind bekanntlich umfangreich.

Als die Polizei erschien, flüchtete der Schütze. Laut Augenzeugen handelte es sich um einen etwa 1,90 Meter großen, schlanken Mann in einer schwarzen Wellensteyn-Jacke, der über das Gelände eines Autohauses und einen Zaun entkam. Dafür kamen neue Gesichter dazu, darunter die von Unterwelt-Größen wie Arafat, Nasser, Mohamed und Yasser Abou-Chaker. Die stritten aber jede Verbindung zum Geschehen ab.

Die Polizei war mit einer Hundestaffel und in schwerer Ausrüstung angerückt, umstellte das Gebiet und durchsuchte einige Fahrzeuge, wo sie auch eine Machete, einige Messer und mehrere Schusswaffen sicherstellte. Zusätzlich waren Zivilfahnder im Einsatz. Angeblich konnte die Polizei die Lage aber unter Kontrolle bringen.

Einschüsse gab es nur im Mauerwerk und an einem Garagentor. Es fanden sich aber zwei verletzte Männer im Alter von 44 und 33 Jahren, deren Verletzungen – eine Platzwunde am Kopf und eine Stichwunde am Oberkörper – von einer körperlichen Auseinandersetzung kündeten, von der man sonst vielleicht gar nicht erfahren hätte.

Die Polizei ist es schon gewohnt

Die Abou-Chakers hatten früher einmal eine gewisse Nähe zu dem Rapper und Hiphop-Producer Bushido, bürgerlich Anis Mohamed Youssef Ferchichi. Nasser Abou-Chaker gilt als einflussreiche Figur in der Berliner Unterwelt und als Beherrscher mehrerer Straßenstriche (etwa in der Schöneberger Kurfürstenstraße). Mohammed „Momo“ fiel 2010 durch den Pokerraub im Berliner Grand-Hyatt-Hotel auf (Wert: 242.000 Euro). Auch eine Immobilie im Millionenwert wollten die Abou-Chaker-Brüder durch Urkundenfälschung ergaunern, scheiterten aber knapp. Ein Grundbuchamt war schon getäuscht worden.

Laut dem Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Benjamin Jendro, sind es die Hauptstadt-Polizisten mittlerweile „gewohnt“, dass „Clan-Streitigkeiten auf offener Straße“ ausgetragen werden, wobei „auch vor dem Einsatz von Stich- und Schusswaffen nicht zurückgeschreckt wird und schwerste Verletzungen in Kauf genommen werden“. Das alles ist also für die Beamten schon ein Normalzustand.

Illusionslos ist man in der Berliner Polizei auch über die Anwesenheit der Clan-Anführer am Ort des Geschehens: „Wenn dann mit Arafat, Nasser und Momo noch die führenden Köpfe eines Clans am Ort des Geschehens auftauchen, liegt das sicher nicht daran, dass sich drei Schaulustige mal die Beine vertreten wollten.“ Vielmehr gehöre es in diesen Kreisen dazu, dass „Konflikte über lukrative Geschäftsfelder im Bereich der Organisierten Kriminalität mit Gewalt geklärt“ werden. Dabei redet für gewöhnlich keine der Parteien mit der Polizei. Die will trotzdem „ihr Bestmögliches geben, um die genauen Hintergründe zu klären“, so Jendro.

Die Polizei beschreibt Clan-Kriminalität laut Tagesspiegel als „das Begehen von Straftaten durch Angehörige ‚abgeschotteter Subkulturen‘ gemeinsamer Herkunft, wobei die Täter oft miteinander verwandt sind“. Gewalttaten sind dabei auch bei „nichtigen Anlässen“ durchaus die Regel, außerdem seien die Großfamilien für ihre „mangelnde Integrationsbereitschaft“ bekannt.

In Berlin treten die „merkwürdigen“ Straftaten seit einiger Zeit öfter auf: Quasi-Hinrichtungen auf offener Straße, gezogene Messer und Schießereien haben sich deutlich gehäuft, und eine zusammenfassende Beurteilung dieser Vorfälle fehlt noch weitgehend. Aber vieles wird nun wohl auch einfach sichtbarer, was sich vorher in dunklen Ecken genauso abspielte. Aber auch das ist eine Botschaft an die Normalbürger, Polizei und Politik.

Als Bushido einen Gesichtsverlust erlitt

Wie war das noch gewesen, als sich der Rapper Bushido vom Abou-Chaker-Clan lossagte? Ein Kollege, der ukrainisch-stämmige Deutschrapper Capital Bra, warf ihm damals vor nun im „Team Polizei“ mitzuspielen und trennte sich von Bushidos Label ersguterjunge (Ausländersprache für „Er ist ein guter Junge“): „Jetzt verrät er Leute und diese Leute gehen ins Gefängnis. Ich glaube nicht an so etwas. Die Polizei ist jetzt dein Team!“ Diese Äußerung ist von 2019.

Es gibt also eine Omertà in Deutschland, von der auch die Jugendkultur (Rap, Hiphop), ganz gleich welchen ethnischen Hintergrunds, zunehmend ergriffen scheint. In den Videos dazu ist alles offen dargestellt, was es eigentlich gar nicht geben dürfte im Law-and-Order-Staat Deutschland. Die FAZ schreibt, dass Ferchichi „einen enormen Gesichtsverlust erdulden musste, als er sein Gangsterimage aufgab, um sich von seinem damaligen Patron Arafat Abou-Chaker loszusagen“.

Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Groß-Clans sind dabei nichts Außergewöhnliches mehr auf deutschen Straßen, sie finden in Berlin wie in NRW und wohl auch Niedersachsen regelmäßig statt, eben dort, wo es etwas zu regeln und „Gesprächsbedarf“ gibt. Die beteiligten Familien stammen zumeist aus dem Libanon und ursprünglich aus der Türkei.

Übrigens ist der Chef des konkurrierenden Remmo-Clans laut Nordkurier inzwischen schuldenfrei, könnte also doch noch in Mecklenburg zum deutschen Staatsbürger werden. Die Remmos, unter anderem verantwortlich für den Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden, verloren jüngst definitiv fünf Häuser in Berlin. Aber sind das mehr als Nadelstiche gegen die mafiöse Macht der Clans?

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Kommentare ( 3 )

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Ron
15 Stunden her

Evolution und Devolution im Zeitraffer. Gut genährt werden diese Leute immer größer und stärker, während unsere Jungs diverser und schwächer werden. Dem „Zeitgeist“ entsprechend, vegetarisch und vegan ernährt, als Fluchttier erzogen. Würden böse Zungen behaupten. Ich nicht.

November Man
19 Stunden her

In jedem Land, das ein Rechtsstaat ist und nicht nur behauptete einer zu sein, das eine ordentliche und anständige Regierung hat, hätte man diese hoch-kriminellen Clans schon längst des Landes verwiesen. Und zwar alle.  

WeltbegaffenderRumReisender
21 Stunden her

Wird jemals in (West-)EU aufgeräumt? Soll keiner sagen, dieses sei nicht möglich! Natürlich nicht mit Deeskalations-Strategien, Verständnis-Justiz und einem Schwarm von Pädagogen u. Psychologen! Bringt nix oder immer noch nix gemerkt? Wird immer schlimmer! War da nicht in Polen einer, der vor einiger Zeit (um 2019) D anbot fuer eine Mrd. € alle kriminellen und asozialen migrantischen Gewalt- , Betrueger u. Drogen-Typen mit einer „Privat-Armee rauszuschaffen“? Mit auchtochtonen Asozialen (o ja, die gibt es auch!) hat man doch schon genug zu tun, da braucht man nicht noch mehr Kaputniks aus aller Welt weiter einreisen zu lassen! Gerade eben in ZDF… Mehr

Last edited 21 Stunden her by WeltbegaffenderRumReisender