Radikale Abschottung: China reagiert auf das Coronavirus

China antwortet auf das Coronavirus, wie es in Deutschland unvorstellbar wäre: Die Mega-Stadt Wuhan und weitere Millionenstädte werden von den Behörden abgeriegelt. In Wuhan befindet sich auch ein Viren-Forschungslabor, dessen Sicherheit schon 2017 angezweifelt wurde.

AFP/Getty Images

Die Bilder sehen aus wie einem dystopischen Science-Fiction-Film entnommen: Auf Flughäfen kontrollieren Polizisten Reisende mit Temperaturmessgeräten auf Fieberanzeichen. Bus und U-Bahn geschlossen, Strassen und ganze Städte abgesperrt. In luftdichten Behältnissen werden Erkrankte in Krankenhäuser weggerollt. Helfer in weißen Schutzanzügen springen aus den zahlreichen Krankenwagen und sammeln Menschen, die scheinbar kollabiert sind, auf. 

Doch es ist kein Film, sondern Realität. Am 31. Dezember 2019 meldete die Gesundheitsbehörde im chinesischen Wuhan eine Häufung von Lungenentzündungsfällen unbekannter Herkunft.

Am 9. Januar 2020 berichtete die chinesische Gesundheitsbehörde CDC, dass ein neuartiges Coronavirus mit dem Namen 2019-nCoV nachgewiesen wurde. Die Betroffenen erkranken zunächst an einer schweren Lungenentzündung. Bis zum 20. Januar wurden 295 im Labor bestätigte Fälle gemeldet, davon zwei aus Thailand und jeweils einer aus Japan und Südkorea. Die Zahl steigt schnell an. Nach Schätzung von Fachleuten des Imperial College in London sollen mindestens 4000 Menschen infiziert sein, darunter auch ein Arzt und mindestens 13 Krankenschwestern. Bisher sind 26 Menschen verstorben.

Das Virus brach ausgerechnet wenige Wochen vor dem chinesischen Neujahrsfest aus. Zu diesem Fest am 25. Januar pflegen Millionen von Chinesen zu Familienfesten durchs ganze Land zu reisen – meist mit dem Flugzeug oder per Hochgeschwindigkeitszug. Kein Wunder, dass es rasch in immer mehr Ländern auftaucht wie Thailand, Japan, Südkorea und sogar in den USA. Der weltweite Flugverkehr stellt einen idealen Verbreitungsweg dar.

Ein persönliches Plädoyer
Taiwan: Die Wahlen provozieren China und stärken Bürgerrechtsbewegung in Hongkong
Ausbruchsherd ist wohl die chinesische Metropole Wuhan, ein Gigant mit elf Millionen Menschen, die häufig in riesigen Hochhauskomplexen wohnen. Chinesische Behörden haben diese Megacity komplett abgeriegelt. Niemand darf mehr hinein oder hinaus. Ein solch drastisches Vorgehen wäre hierzulande kaum vorstellbar.

Chinas Behörden handeln hierbei wie aus dem Lehrbuch zur Seuchenbekämpfung, und wie sie das früher auch schon getan haben: radikales Abschotten und Einkreisen, sodass sich der Virus möglichst wenig ausbreiten kann – auch wenn man noch nicht genügend über das Coronavirus weiss.

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wäre es verfrüht, von einem internationalen Katastrophenfall zu reden. Auch beim europäischen Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) in Solna (Schweden), das die »Abwehrmechanismen der EU gegen Infektionskrankheiten« stärken soll, weiss man bisher erstaunlich wenig, schätzt aber potentielle Auswirkungen und die Gefahr einer weltweiten Verbreitung als hoch ein.

Der Name des Coronavirus rührt von jenem kreisförmigen Bild her, das das Virus im Elektronenmikroskop zeigt. Es scheint nach jetzigem Kenntnisstand nicht besonders tödlich zu sein, wobei angesichts der sehr hohen Vermehrungsrate nicht auszuschließen ist, dass sich eine gefährliche Variante herausbilden kann.

Das Tückische: Coronaviren wechseln schnell Wirte, springen von Tier auf Mensch und lösen schwere Erkrankungen beim Menschen aus. Wie vor 17 Jahren, als ein neuartiges Coronavirus auftauchte, das schwere Lungenkrankheiten mit den Namen Sars (severe acute respiratory syndrome) und Mers ( middle east respiratory syndrome ) auslöste.

Wo genau das jetzige Coronavirus ausbrach, lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Zuerst war die Rede von einem Fischmarkt in Wuhan. Vor allem in englischen Medien wie DailyMail.co.uk tauchen Berichte auf, die Ausbrüche in die Nähe von Biolabors und deren Arbeit rücken, was im Netz bereitwillig aufgenommen wird.  

Denn in der Nähe des Fischmarktes wurde das Wuhan National Biosafety Laboratory errichtet, das bisher einzige Labor in China, in dem gefährliche Viren wie die Erreger von Sars und Ebola erforscht werden. US-Experten für Biosicherheit warnten nach dem Bericht der Daily Mail 2017 davor, dass ein Virus aus der Einrichtung »entkommen« könnte, die zum Schlüssel für die Bekämpfung des Ausbruchs geworden ist.

Das angesehene Wissenschaftsblatt Nature berichtete im Februar 2017 kurz vor der Eröffnung des Labors in Wuhan, dass einige Wissenschaftler außerhalb Chinas befürchten, dass Krankheitserreger austreten und die geopolitischen Spannungen zwischen China und anderen Nationen um eine biologische Dimension erweitern könnten. Chinesische Mikrobiologen dagegen zeigen sich stolz, im Kampf gegen die gefährlichsten Erreger mithalten zu können. »Es ist ein großes Statussymbol in der Biologie«, bewertete Tim Trevan, der Gründer von CHROME Biosafety and Biosecurity Consulting in Damaskus, Maryland, »ob es notwendig ist oder nicht«.

Bis 2025 sollen fünf bis sieben Labors der höchsten Biosicherheitsstufe 4 (BSL-4) auf dem chinesischen Festland entstehen. Hier muss die Luft gefiltert werden, Wasser und Abfall müssen behandelt werden, bevor sie das Labor verlassen, Forscher müssen vor und nach der Benutzung der Laboreinrichtungen die Kleidung wechseln und duschen. Solche Labore sind oft umstritten. Das erste BSL-4-Labor in Japan wurde 1981 gebaut, arbeitete aber bis 2015 mit weniger gefährlichen Krankheitserregern, als die Sicherheitsbedenken endgültig überwunden waren.

»Es wird mehr Möglichkeiten für chinesische Forscher bieten, und unser Beitrag zu den Pathogenen auf BSL-4-Ebene wird der Welt zugute kommen«, sagte seinerzeit George Gao, Direktor des Zentrallabors für pathogene Mikrobiologie und Immunologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking. Es gibt bereits zwei BSL-4-Labors in Taiwan, das nationale Labor für biologische Sicherheit, Wuhan, ist das erste auf dem chinesischen Festland.

Das Labor wurde mit französischer Unterstützung im Rahmen eines Kooperationsabkommens von 2004 über die Prävention und Kontrolle neu auftretender Infektionskrankheiten geplant und gebaut. Doch die Komplexität des Projekts, Chinas mangelnde Erfahrung, Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung der Finanzierung und lange staatliche Genehmigungsverfahren führten zu erheblichen Verzögerungen beim Bau. Viele Mitarbeiter des Labors in Wuhan wurden in einem BSL-4-Labor im französischen Lyon ausgebildet.

Gespannt sind Wissenschaftler, wie konsequent sich China an die verkündete neue Offenheit hält. Für eine Erhöhung der Gefahr sorgte beim Ausbruch des Sars-Erregers 2002/2003, dass chinesische Behörden lange schwiegen. Erst die beispiellose weltweite Zusammenarbeit aller Wissenschaftler über das Internet hat zu schnellen Ergebnissen geführt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Virenforschung entschlüsselten damals Forscher innerhalb einer sehr kurzen Zeit den genetischen Code des neuen Virus. Auf deutscher Seite war der Biochemiker Prof. Rolf Hilgenfeld vom Institut für Biochemie der Universität Lübeck beteiligt, der die räumliche Struktur der Sars-Virus Protease aufklärte.

Jetzt stellten chinesische Wissenschaftler rasch den um das neue Virus ergänzten »Stammbaum« sarsähnlicher Coronaviren ins Netz – mitsamt bestätigter »Fundorte«. Das neue Coronavirus gehört demnach nicht zum Sars-Hauptstamm und scheint weniger tödlich als Sars zu sein.

Doch dieser Ausbruch neuer Viren zeigt, wie gefährlich Viren werden können. Noch immer haftet im kollektiven Gedächtnis jener verheerende Ausbruch der Spanischen Grippe 1918, bei der mehr Menschen als im gesamten Ersten Weltkrieg ums Leben kamen. Erreger aus diesem Stamm verharren zum Beispiel in Geflügel und Wasservögeln und können jederzeit mit einem veränderten Genom ausbrechen.

Denn verhindern lässt sich nicht, dass diese molekularen Maschinen der Natur immer wieder ihre Form ändern und neue Wege finden, Zellen zu befallen und sich darin ausbreiten.

Wie einst im hessischen Marburg. Dort erkrankten im März 1967 mehrere hundert Menschen auf seltsame Weise. Zuerst glaubten die Ärzte an eine einfache Grippe. Die Symptome waren zunächst die Gleichen. Plötzlich trat bei den Opfern ein komplettes Versagen aller Organe auf. Sie fielen ins Koma, und manche fingen an, aus Mund und Nase zu bluten. Sieben von ihnen starben. Die Wissenschaftler fanden heraus: Ein Virus tötete die Menschen. Dieser Virus war den gefährlichen Ebola-Viren aus Afrika eng verwandt.

Das Virus hatte sich über Affen verbreitet, die aus Uganda nach Deutschland in das Marburger Labor gebracht worden waren. Die Affen wiederum waren durch Flughunde infiziert worden. Ein Forscherteam wertete alle seit 1940 verzeichneten Seuchen aus und konnte immerhin 340 nachweisen. Bei 60 Prozent der Krankheiten sprangen die Erreger von einer Tierart auf den Menschen über. Zoonosen nennen die Wissenschaftler solche Infektionskrankheiten.

Sie treten vor allem dort auf, wo Menschen besonders eng mit Tieren zusammenleben. Gerade in vielen asiatischen Höfen herrscht drangvolle Enge. Menschen leben dicht aneinander mit Hühnern, Schweinen und anderen Tieren. Die Viren können so von Tieren auf Menschen übertragen werden und vermischen dabei das Erbgut, verändern sich sehr schnell und überspringen vorhandene Barrieren zwischen den Arten.

Es ist nach Ansicht von Wissenschaftlern nur eine Frage der Zeit, bis sich hier weitere Viren so verwandelt haben, dass sie den Sprung auf den Menschen schaffen. Und doch findet gerade eine der verblüffendsten Wendungen in der Medizin rund um die Viren statt. Denn Forscher haben mit diesen Killern der Menschheit etwas völlig Neues vor: Sie wollen mit einer Geißel der Menschheit eine andere Plage der Menschheit killen: Krebs.

Ausgerechnet bei Ratten fanden Wissenschaftler ein Virus, das ein Hoffnungsträger der Medizin werden könnte. Denn es kann auch auf Menschen überspringen. Doch das tut es auf sehr ungewöhnliche – und hilfreiche Weise.

Im Deutschen Krebsforschungszentrum kamen Forscher durch Zufall auf sogenannte Parvoviren. Sie fanden das Virus in menschlichen Tumorzellen, die man Ratten eingepflanzt hatte. Das Parvovirus ist noch kleiner als andere Viren – sein Erbgut ist eine Million mal kleiner als unsere DNA.

Viren können sich bekanntlich nicht selbst vermehren. Sie brauchen dafür Bausteine aus den Zellen, die sie befallen – und menschliche Krebszellen bieten den Parvoviren ideale Bedingungen zum Wachstum. In normalen menschlichen Körperzellen passiert dagegen – nichts.

Die parasitischen Viren breiten sich also gezielt in Krebsgewebe aus und zerstören es. So kamen die Forscher auf die zunächst seltsame Idee, diese merkwürdige Eigenschaft des Virus für einen neuen Zweck zu nutzen: Krebs zu bekämpfen. Daraus könnte aus eine neue, mächtige Waffe gegen Tumore entstehen, so die Hoffnung.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 13 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

13 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
M.E.S.
4 Jahre her

Der Unterschied zu SARS ist u.a. wohl, dass die Inkubationszeit viel länger ist. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit der Verbreitung stark und lässt Temperaturscanner an Flughäfen u.a. ins Leere laufen.

Stolzer Franke
4 Jahre her

Offiziell gibt es weniger als 2000 Infizierte weltweit. Chinesische Ärzte haben in Videos gesagt, es seien schon über 90000. Die Infektions- und Todeszahlen werden sowohl von den chinesischen als auch den deutschen Staatsmedien heruntergespielt.

Alfonso
4 Jahre her
Antworten an  Stolzer Franke

1,8 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Tuberkulose. 10 Millionen Menschen erkranken jährlich daran. Auch in Deutschland sterben Menschen an dieser Infektionserkrankung, über 100 jedes Jahr. Kein Mensch regt sich darüber auf.

Donostia
4 Jahre her
Antworten an  Alfonso

In der Grippewelle von 2017/2018 starben 25,000 Menschen allein in Deutschland.

Sonnenschein
4 Jahre her

Schon seltsam das Virus kommt passend zu den Aufständen, welche man nicht mehr will! Und, es ist doch vielmehr mit der Therapie von Krebskranken zu verdienen, als eine Waffe dagegen preiszugeben…

schwarzseher
4 Jahre her

Darauf, daß auch nach weitgehender Ausrottung der Pest und anderer viraler Infektionskrankheiten ernstzunehmende Gefahren von neuen, noch unbekannten Viren drohen, wurde schon oft hingewiesen, aber ebenso oft verharmlost. Bei explodierender Weltbevölkerung, verbundenem mit entsprechend engem Zusammenleben in Zigmillionenstädten und exzessivem Reisen kann dies zu einer sehr ernstzunehmenden, weltweiten Gefahr werden. Mit dieser realen Gefahr sollten sich Regierungen und die UNO beschäftigen, statt mit einer bisher nur herbeiberedeten Klimaänderung, die, selbst wenn sie stattfinden sollte, keine wirkliche Bedrohung darstellt, sondern durch strukturelle Maßnahmen beherrschbar ist.

Peter Silie
4 Jahre her
Antworten an  schwarzseher

Nur bei sehr langer Inkubationszeit gepaart mit sehr hoher Lethalität.

Stefan Tanzer
4 Jahre her
Antworten an  schwarzseher

Explodierende Weltbevölkerung ist innerhalb der UN ein Schimpfwort, weswegen man nun den bösen Klimawandel braucht, um von Ersterem abzulenken. Deswegen werden auch Folgen der Überbevölkerung wie etwa dem Raubbau an der Natur, die Urbanisierung damit verbunden Desertifikation und Umweltschäden etc. als Folgen des Klimawandels dargestellt. Mich würde es in der Tat nicht wundern, wenn man auch hier eine unsinnige Ausrede findet, um bloß nicht das wirklich größte Problem – nämlich der beinahe-Verzehnfachung der Weltbevölkerung innerhalb von knapp einem Jahrhundert – benennen zu müssen.

Roza_Eskenasi
4 Jahre her

Ein Bekannter von mir, jung, sportlich und gesund, kam vor einem Jahr von einer Dienstreise in Wuhan mit einer Lungenentzündung wieder. Zufall ?

Peter Silie
4 Jahre her
Antworten an  Roza_Eskenasi

Ja.

Marc Hofmann
4 Jahre her

Da hätten wir was zu tun, wenn wir jedes Jahr zur Grippe Virus Zeit die Städte abriegeln wollten.
Nichts anderes ist nämlich dieser Corona Virus… typische Grippe Symptome…der Grippe Virus mutiert jedes Jahr…Mal weniger Mal mehr…und die Grippe hinterlässt immer einige Tote…man redet wieder eine weltweite Pandemie daher…und nur die Weltgemeinschaft (das Kollektiv des UN Sozialismus) kann uns retten/beschützen.

Ruhrler
4 Jahre her
Antworten an  Marc Hofmann

„Einige Tote“???
Allein in Deutschland kostete die Grippe in der Saison 2017/2018 etwa 25000 Menschenleben. Das wird nur selten thematisiert. Die ganz normale Grippe ist nach wie vor eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten.
https://www.tagesschau.de/inland/grippe-129.html

Peter Silie
4 Jahre her

Guter und interessanter Artikel.