China baut, die EU schaut

China verwirklicht zielstrebig eine neue Seidenstraße - die EU kämpft mit der Balkanroute. Dabei könnte dieses Projekt den Flucht-Ländern neue Hoffnung geben.

The massive infrastructure development will affect China’s ties with some 65 countries and more than 4 billion people (source: macpixxel for GIS)

China unterstützt eine Hochgeschwindigkeits-Bahn-Verbindung von Belgrad nach Budapest finanziell. Ein chinesisches Unternehmen arbeitet am High-Speed-Projekt, das von Athens Hafen Piräus in die Märkte Europas führen wird. Chinas Verhältnis zur Balkanroute weist in die Zukunft, das der EU kämpft mit der Gegenwart.

Europa ist gestern

Was mir ins Auge springt, wenn ich auf die Projekt-Karte schaue, ist das Fehlen jeder Querverbindung zwischen der neuen Seidenstraße von Peking über Moskau nach Rotterdam südlich der Linie Moskau-Rotterdam. Durch die Türkei führt das „One Belt, One Road (OBOR)“-Projekt: Weit genug südlich, um Problemgebiete in den Nachfolgestaaten am Südrand der ehemaligen Sowjetunion zu vermeiden, und knapp nördlich des Irak. Auf die Stabilität des Iran und der Türkei setzt Peking unübersehbar. Über Istanbul erreicht die neue Seidenstraße Europa. Die USA wie die EU haben die Einladung zur Teilnahme bisher nicht beschieden. Obama hatte 2011 ein eigenes Seidenstraßen-Projekt halbherzig angeschoben, in das nie viel Diplomatie investiert wurde, das aber schon deshalb nichts werden kann, weil diese Route durch Afghanistan führen sollte.

Warum die USA und die EU gut beraten wären, Teil der China-Initiative zu werden, erklärt Frank Umbach vom Geopolitical Information Service (GIS). OBOR wird etwa 65 Länder mit vier Milliarden Einwohnern verbinden. Wer in Eurasien mitspielen will, darf da nicht abseits stehen, insinuiert Umbach, fragt aber berechtigter Weise: Werden die beiden die Gelegenheit ergreifen? Wenn nicht, wäre die EU mit dem berühmten Klammerbeutel gepudert: Will die EU, oder besser: wollen die Regierungen ihrer Mitglieds-Staaten die Lage im Nahen Osten stabilisieren, dann haben sie in China einen Partner. Aus Eigeninteresse, dem einzig zuverlässigen Motiv.

Hoffnung schlägt IS

Entlang einer logistischen Schlagader dieser Größenordnung werden sich die Industrien wie an einer Perlenschnur aufreihen: Ein Magnet für temporäre und bleibende Migranten, die für sich und die ihren ein besseres Leben suchen. Zum digitalen Breitband gesellt sich hier ein logistisches Breitband, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Allein die Erklärung des Beitritts der EU zum Projekt, ja schon die Absichtserklärung ihrer Kernstaaten veränderte das politische Klima. Erscheinen die ersten Planungs- und Baumaßnahmen auf den stationären und mobilen Bildschirmen, sehen viele den ersehnten Silberstreifen am Horizont.

Eine solche Strategie würde die Lage im Nahen Osten nachhaltig verbessern und den „Islamischen Staat“ entscheidend schwächen: Wo die Menschen Hoffnung und Zuversicht fassen, findet der Fundamentalismus zu wenig Nahrung. Was dann nicht nur für den IS zuträfe, der normalerweise gemeint ist, sondern auch für seine direkten Verwandten in Saudi-Arabien und anderswo.

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