Bundestag mit großer Mehrheit gegen TAURUS-Lieferung an die Ukraine

Ohne Zweifel: Die Ukraine bräuchte TAURUS, weil die US-Waffenlieferungen immer unsicherer werden. Offenbar hat sich der Kanzler dagegen gestemmt, weil er direkte ukrainische Angriffe auf russisches Territorium fürchtet. Hinter den Kulissen wird ein möglicher Ausweg kolportiert.

IMAGO / photothek

Der Bundestag lieferte am Donnerstag, 22. Februar, in Sachen „Ukraine“ einmal mehr ein verworrenes Schauspiel ab. Die „Ampel“-Fraktionen hatten unter der Überschrift „Zehn Jahre russischer Krieg gegen die Ukraine – Die Ukraine und Europa entschlossen verteidigen“ einen 27-Punkte-Katalog vorgelegt. Unter den 27 Punkten wurde in Punkt 3 von der Bundesregierung ohne Konkretisierung gefordert: „Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen und Munition“. Die namentliche Abstimmung ergab 381 Ja-Stimmen für das „Paket“ (fast ausschließlich aus dem „Ampel“-Lager). 284 Bundestagsabgeordnete stimmten dagegen: CDU/CSU, AfD, Linke/BSW.

Die größte Oppositionsfraktion CDU/CSU hatte einen eigenen 28-Punkte-Antrag eingebracht – unter der Überschrift: „Für eine echte Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“. Knackpunkt war Punkt 3 dieses Forderungskatalogs: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, … drittens die Ukraine durch unverzügliche Lieferung von erbetenen und in Deutschland verfügbaren Waffensystemen (u.a. TAURUS) sowie Munitionssorten im Kampf gegen Russland zu unterstützen und dabei europäische Führung und Koordinierung zu übernehmen …“ In der namentlichen Abstimmung gab es dazu 480 Nein-Stimmen (aus „Ampel“-Fraktionen, AfD, Linke/BSW) und nur 181 Ja-Stimmen (179-mal CDU/CSU, 1 FDP-Stimme und 1 AfD-Stimme).

Knackpunkt TAURUS

Lassen wir die 28 (CDU/CSU) + 27 („Ampel“) = 55 Einzelpunkte bzw. Einzelforderungen auf sich beruhen. Im Kern ging es nur um „TAURUS“. Also um die Lieferung einer nicht näher bezifferten Anzahl des Luft-Boden-Marschflugkörpers, dessen Name TAURUS ausgeschrieben so lautet: „Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System.“ TAURUS ist ein deutsches Produkt der Firma TAURUS Systems GmbH im bayerischen Schrobenhausen. Für Deutschland wurden ab 2005 insgesamt 600 Stück gebaut, 150 sollen einsatzfähig sein.

Hier die wichtigsten Daten von TAURUS: Preis je Stück rund 1 Million Euro; 5,1 Meter lang, 1 Meter Durchmesser, Gefechtsgewicht 1,4 Tonnen, Geschwindigkeit 0,6 bis 0,95 Mach, Reichweite bis 500 Kilometer; Träger-Jet: Tornado, Eurofighter, F18 und F15; vier verschiedene Navigationssysteme, die von feindlichen Störsendern kaum alle zugleich ausgeschaltet werden können; „Bunkerbrecher“ mit Durchschlagskraft durch dicke Betonwände; Flughöhe der Rakete mit zwei Stummelflügeln und vier Minileitwerken bei 50 Metern über Grund und deshalb kaum registrierbar.

Der TAURUS-Einsatz besteht darin, dass dieser Marschflugkörper von einem Kampfjet aus abgefeuert wird, um größere Kommando- und Bunkerzentralen sowie Depots des Feindes in bis zu 500 Kilometern Entfernung zu zerstören. Ohne dass der Trägerjet unter feindlichen Beschuss kommen könnte.

Gerade diese Reichweite aber scheint es zu sein, warum sich Kanzler Scholz bislang quergelegt hat. Er befürchtet, die Ukraine könnte den Krieg damit auf russisches Gebiet tragen. Die „Ampel“ ist Scholz (bislang?) gefolgt. „Bislang“ heißt: Eigentlich möchten „Grüne“ und FDP hinreichend viel Stück TAURUS an die Ukraine liefern. Aber zum vorläufigen Ende wollte man Scholz nicht in den Rücken fallen. Siehe das Abstimmungsverhalten oben! Das CDU/CSU-Kalkül, mit einem eigenen Antrag namentlich zur TAURUS-Lieferung die „Ampel“ zu spalten, ist insofern erst einmal nicht aufgegangen. Bei Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) darf man vermuten, dass er eigentlich für TAURUS-Lieferungen wäre. Zumindest drückte er sich in der Bundestagsdebatte um eine klare Aussage herum.

Wie geht es weiter? Klar, die in Bedrängnis geratene Ukraine bräuchte TAURUS, zumal nicht absehbar ist, wie es mit der Lieferung von Waffen aus den USA weitergeht. Ein Ausweg könnte sein, was hinter den Kulissen kolportiert wird: So könnte Deutschland TAURUS-Marschflugkörper nach Großbritannien exportieren und London im Gegenzug Marschflugkörper vom Typ „Storm Shadow“ (Reichweite 250 Kilometer) an die Ukraine. SPD und Grüne unterstützen die Idee, die FDP ist skeptisch. Die Union hält den Plan für „peinlich“. Das war der Stand Ende Januar 2024.


Unterstützung
oder

Kommentare ( 64 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

64 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
GefanzerterAloholiker
8 Monate her

An Taurus denken die keine Sekunde. Die haben Panik um ihren Fortbestand. Der 2+4 beruft sich auf das GG und auch selbst im 2+4 steht der 26 des GG drin. Das die russische Föderation den 2+4 kündigen kann, würde D in der Welt geradezu auf dem Papier abfackeln. D wäre aber nicht nur eine Lachnummer. Der P aus M, der die russische Föderation mitlenkt, der weiß ja bekanntlich, sich auf Völkerrecht zu berufen. D durfte nicht die Waffen liefern, die die Politik liefern ließ – das hatte der wiss. Dienst auch bestätigt. Und weil unsere Parteibonzen wissen, wie man Richter… Mehr

Ohanse
8 Monate her

Olaf darf das liefern und produzieren, was Uncle Sam ihm vorher erlaubt hat. Taurus gehört nicht dazu.

Lucius de Geer
8 Monate her

Mit Taurus erhielte Selensky seine „V1“ mit demselben Ergebnis: Zivile Opfer auf der anderen Seite ohne Ende, aber keine entscheidende Änderung des militärischen Kräfteverhältnisses. Herr Kraus kann nicht ausschließen, dass Kiew mit den Dingern nicht wahllos in Russland umherballert, und würde vermutlich nicht gutheißen, wenn damit in Moskau Wohngebiete angegriffen würden. Wieso dennoch „klar“ sein soll, dass Selensky den Taurus bekommen muss, verstehe ich nicht.

Lucius de Geer
8 Monate her

„…könnte Deutschland TAURUS-Marschflugkörper nach Großbritannien exportieren und London im Gegenzug Marschflugkörper vom Typ „Storm Shadow“ an die Ukraine“. Wusste gar nicht, dass wir den Briten noch Reparationen schulden. Wenn Großbritannien Herrn Selensky Rakekten liefern möchte, kann es das doch auch so tun und die Lücken selber schließen. Warum müssen wir dann den Briten das höherwertige Taurus-System schenken? Ein Anfang wäre übrigens, die 600 vom dt. Steuerzahler finanzierten Exemplare erst einmal für unsere eigene Verteidigung einsatzfähig zu machen. Die von Herrn Kraus angeführte Einsatzfähigkeit von 25 % ist mal wieder typisch für den Beamtenladen Bundeswehr: unser Geld verschwenden und die Ausrüstung… Mehr

babylon
8 Monate her

Was eine Taurus-Lieferung an die Ukraine und ein möglicher Einsatz bedeuten könnte? Möglicherweise die Kündigung des 2+ 4 Vertrages durch Russland, der eine Art von Friedensvertrag war und Wiederherstellung des Kriegszustandes zwischen Russsland und Deutschland mit allen Konsequenzen, die daraus folgen könnten. Als etwas älteres Semester konnte ich auch zu Hochzeiten des kalten Krieges bedeutend „besser schlafen“ als heute, wo von den „Schlafwandlern“, die in Wahrheit sehr wach sind, ein Nato/Russland Krieg geradezu herbei schwandroniert wird, um ihn zu führen und nicht durch geeignete strategische Anstrengungen zu vermeiden. Zu Zeiten des kalten Krieges gab es immer Verhandlungsstränge und Kontakte, wirtschaftlicher… Mehr

Carl22
8 Monate her

Kiew – Moskau: Luftlinie 650 km, Staatsgrenze Ukraine – Rußland (bei Stara Huta) : nach Moskau Luftlinie 455 km. O-Ton Herr Kraus „Der TAURUS-Einsatz besteht darin, dass dieser Marschflugkörper von einem Kampfjet aus abgefeuert wird, um größere Kommando- und Bunkerzentralen sowie Depots des Feindes in bis zu 500 Kilometern Entfernung zu zerstören. Ohne dass der Trägerjet unter feindlichen Beschuss kommen könnte.“  Szenenwechsel: Von Havanna/Kuba nach West Palm Beach/Florida sind es Luftlinie 465 km. Keine Taurus, von wem auch immer, würde auch nur Kuba erreichen, weil das USA-Militär sie vorher – verständlicherweise – pulverisiert hätte. Rußland wird dasselbe mit jeder Taurus machen, wenn und… Mehr

verblichene Rose
8 Monate her

Sehr geehrter Herr Kraus. Eine Taurus ist keine Verteidigungswaffe! Ebenso wenig, wie Haubitzen, oder KAMPF-Panzer, noch Kampf-Flugzeuge, wie es in diesem Fall schon der Name beschreibt! Es ist zwar möglicherweise wichtig, solche Waffen zu besitzen, wenn man denn SELBER überfallen wird, aber diese Waffen sollten dann tatsächlich auch IM EIGENEN LAND eingesetzt werden, um die Truppen IM EIGENEN Land zu schützen, nicht aber -wie die Taurus- evtl. im Land der Aggressoren wirken zu können! Menschen mit Verstand geben ergo Kontrahenten keine Waffen, sondern versuchen den Streit zu schlichten! Herr Scholz gehört aber bewiesen nicht zu den Leuten, die einen Streit… Mehr

hoho
8 Monate her
Antworten an  verblichene Rose

Menschen mit Verstand gibt es in den Kreisen der Polit-Eliten im Westen kaum noch. Sie alle denken wohl, dass Russland einfach böse aber vernünftig genug sei, die Sache bis zur der nuklearen Vernichtung nicht zu eskalieren. Bis jetzt haben sie Recht bekommen und machen immer weiter, wohl denkend, dass es immer so bleibt. Die propagandistische Ausschlachtung von Navalnys Tod passt gerade ideal zu den „hochen moralischen Standards“ des Westens.

hoho
8 Monate her

Ich wollte hier nur an zwei Sprüchen aus USA Führungskreisen erinnern: „we came, we saw, he died“ und „Russians are dying – the best money we have ever spent“. Das jeweils mit dem idiotischen Grinsen gesagt. Die Redaktion kann selbst finden, wer das gesagt hat – viel Spaß dabei. Die Politik von USA und damit auch seiner Vasallen also auch unsere ist genozidal. Egal wo wir „Demokratie“ exportieren fließt Blut. Man konnte natürlich argumentieren, dass ohne unsere „Hilfe“ auch getötet würde, nun aber wir haben die Verantwortung übernommen, indem wir in so vielen Ländern ihre Regierungen zu Fall gebracht haben.… Mehr

Index
8 Monate her

Zwei ebenfalls interessante Artikel dazu: https://weltwoche.ch/daily/scholz-stoppt-den-taurus/ und, selbstentlarvend https://weltwoche.ch/story/wofuer-wir-kaempfen-2 Man sollte also mehr als nur vorsichtig mit diesem Thema umgehen. Was Stra.Zi., Hofreiter, Kiesewetter, Wadephul, oder wie diese weltenbrandgefährlichen Dr. Strangeloves alle heißen, fordern, ist an Wahnsinn doch nicht zu überbieten. Man sollte sich mal möglichst genau durch den Hippocampus gehen lassen, WEM gegenüber sich diese Leute eigentlich verpflichtet fühlen. Abscheulich! Die Union, nun nahezu geschlossen (179/197) eine Kriegstreiberpartei, und es wird ernsthaft über ein AfD-Verbot diskutiert, ach ja — und die gesalbten kathollschen Obermotze erklären die AfD gar als für Christen „unwählbar“. Ja hackt es jetzt völlig, oder was?… Mehr

Itzgruendisch
8 Monate her

„Klar, die in Bedrängnis geratene Ukraine bräuchte TAURUS, zumal nicht absehbar ist, wie es mit der Lieferung von Waffen aus den USA weitergeht“ Das ist alles andere als „klar“! Wenn sich die USA zurückziehen, weil sie der Krieg inzwischen überfordert und sie die Ziele, zumindest was die kurz- und mittelfristige Zerstörung deutsch russischer Verbindungen betrifft, erreicht haben, dann ist, selbstverständlich und unhinterfragt, Deutschland am Zuge? Wie weit soll der Irrsinn noch gehen? Und hinterher „Wie konnte das passieren plärren? Wo steht, daß Deutschland die Kriege der USA zu führen hat? Nicht enden wollendes Besatzungsrecht? Warum traut sich keiner, das zu… Mehr