Bundeskanzleramt: Keine Wortlautprotokolle zu Corona-Konferenzen

Die RKI-Files haben die Frage aufgeworfen: Wie mit der Corona-Aufarbeitung fortfahren? Ein Schlüssel sind dabei die Videokonferenzen zwischen Bund und Ländern, auf denen die Maßnahmen beschlossen wurden. Auf TE-Anfrage zum Verbleib der MPK-Protokolle gibt das Kanzleramt eine überraschende Antwort.

picture alliance/dpa/Bundesregierung | Guido Bergmann
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), sitzen zu Beginn der Videokonferenz mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder zusammen (3. März 2021).

Folgen auf die RKI-Files als nächstes die MPK-Files? Ein Kennzeichen der ungeschwärzten RKI-Protokolle war, dass die Wissenschaft der Politik folgte. Der eigentliche Ball liegt also bei der Exekutive. Die hatte in Form von Videokonferenzen zwischen Bund und Ländern über mehrere Jahre und über zwei Legislaturen hinweg die Corona-Maßnahmen in Deutschland beschlossen.

Wer also hat bei den digitalen Ministerpräsidentenkonferenzen den Hardliner gespielt? Wer wollte abschwächen? Immer wieder haben Medien in der Corona-Zeit Zitate aus den Videokonferenzen durchgestochen. Ein vollumfängliches Bild könnten jedoch nur die Protokolle der Sitzungen bieten – nicht zuletzt auch aus dem Interesse der historischen Rekonstruktion der Abläufe heraus, ganz ab von politischen Implikationen.

TE hat deswegen das Bundeskanzleramt angefragt, ob die Protokolle der Videokonferenzen öffentlich einsehbar sind, und wenn nicht, aus welchen Gründen.

Die Antwort lautete überraschenderweise: Solche Protokolle existieren nicht.

Ein Regierungssprecher erklärte gegenüber TE:

„Das Ergebnis der Besprechungen der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern wird und wurde auch während der Corona-Zeit durch eine zeitnahe Veröffentlichung von gemeinsam gefassten Beschlüssen transparent gemacht. Wortlaut-Protokolle wurden weder in der vorhergehenden noch in dieser Legislaturperiode gefertigt.“

Auch von Länderseite würden zu den länderinternen MPKs keine Wortlautprotokolle angefertigt.

Spekulationen, was bei den Videokonferenzen besprochen sein könnte, und ob es in Zukunft eine historische Aufklärung über die Vorgänge geben könnte, erledigen sich damit. Die Bundesregierung sieht mit den veröffentlichten Beschlüssen ihre Dokumentarpflicht erfüllt.

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Kommentare ( 71 )

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Emsfranke
1 Monat her

Hat man je davon gehört, dass die Maffia ihre Geheimsitzungen protokolliert? Gertrud Höhler ihrem ersten Buch über den Werdegang der AM nicht ohne Grund den Titel „Die Patin“ gegeben.

Rolfo
1 Monat her

Ich denke, das ist Absicht. Der Trend geht dahin, Sachen, für die man sich später verantworten muss. nicht schriftlich zu machen,

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Rolfo

Dann sind aber die, die die mündlichen Anweisungen entgegen nehmen und ausführen ganz schön gelackmeiert. Denn die haben Remonstrationspflicht – und werden sich nicht, wie dereinst einer, der in Jerusalem vor Gericht stand, auf das Befolgen von Befehlen herausreden können, sondern die volle Verantwortung für alles tragen, was durch sie im Amt in die Wege geleitet wurde. Und das ist ja gesichert belegt vorhanden. Da wär mal besser, schon jetzt aus dem Gedächtnis Protokolle zu fertigen – und am Montag den Dienst zu verweigern, um nicht noch mehr Schuld auf die schon bestehende zu laden. . Gunnar Kaiser hat den… Mehr

Index
1 Monat her

Ist das noch Politik oder ist das kriminell?

Rob Roy
1 Monat her
Antworten an  Index

Es gibt genug Leute, die nicht auf der Regierungs-, sondern auf der Anklagebank sitzen müssten.

jwe
1 Monat her

Auch wenns das Volk nicht so gern hört: Dem Wähler sind die Schandtaten der Regierenden zu Corona egal. Er ist nicht nachtragend und wählt die Täter immer wieder (schließlich waren alle Entscheidungen alternativlos).
Wir werden es im September wieder erleben.

Last edited 1 Monat her by jwe
Niklas
1 Monat her

Dokumentarpflicht?! 😄

Sollten Politiker wirklich darüber nachdenken, was ihnen im schlimmsten Fall droht, wenn sie Rechte und Pflichten verletzen, dann würden sie zum Ergebnis kommen: Nichts.

Christian H.
1 Monat her

Tja, das nicht protokollieren der größten Schweinereien hat in Deutschland bereits seit dem Vorgängerstaat Tradition. Und nein, ich meine nicht die Weimarer Republik.

gast
1 Monat her

Da gibt es unzählige Aufnahmen der Gespräche. Jeder Teilnehmer hat garantiert mit seinem Handy die Besprechungen aufgenommen und unzählige andere auch. Kommt Zeit, kommen auch die Aufnahmen.

KorneliaJuliaKoehler
1 Monat her

Uschi hat’s vorgemacht. Wo keine schriftlichen Protokolle (mehr) vorhanden sind, gibt es keine Beweise für unrechtmäßige Handlungen. Notfalls wurden Rechtsbrüche nachträglich mit neuen Gesetzen legalisiert.
Die wussten immer ganz genau, was sie
taten und haben sich abgesichert. Das sind
Profis! Die müssen nur alle dicht halten,
was nicht all zu schwer sein dürfte, weil sie
alle im selben Boot sitzen.

RA.Dobke
1 Monat her
Antworten an  KorneliaJuliaKoehler

Es gibt auch den Straftatbestand der Urkundenunterdrückung … ! Aber weisungsgebunden ist eigentlich nur die deutsche, nicht die europäische Staatsanwaltschaft.Schlägt’s durch oder ist doch evtl. was gegen diese Dame zu machen?

Erfurter
1 Monat her

Schwer vorstellbar, dass es da gar keine Protokolle gibt.
Es müssen ja keine „Wortlautprotokolle“ sein. Das riecht nach Nachbohren.

Hans Wurst
1 Monat her

Welche Legitimation hatte eigentlich die MPK, Entscheidungen über die Einschränkungen von Grundrechten zu fällen? Im Grundgesetz findet dieses Gremium keinerlei Erwähnung. Und das es die MPK theoretisch garnicht gibt, gibt es auch keine Protokolle. Ist doch einleuchtend.

RA.Dobke
1 Monat her
Antworten an  Hans Wurst

Gute Frage !!! Keine Kompetenz.