Wie Brüssel Thüringen den Geldhahn abdrehen möchte

Die Tinte auf den Wahlzetteln ist noch nicht einmal getrocknet, da überlegt man in Berlin und Brüssel schon, wie man einer möglichen AfD-Regierung in Thüringen das Leben schwer machen könnte. Eine Beraterin rechnet vor, wie man Thüringen 1,5 Milliarden EU-Gelder vorenthalten könnte.

picture alliance / ZUMAPRESS.com | Wiktor Dabkowski

Wann immer man über Brüsseler Pläne zur Durchsetzung ihrer sogenannten „Rechtsstaatlichkeitsprinzipien“ schreibt, stellt sich einem die Frage, ob es noch eine andere Analogie, als „schönes Land haben Sie da, wäre schade, wenn ihm etwas zustoßen würde“, gibt, die die Erpressungsversuche der EU in ein ebenso kurzes, wie anschauliches Gewand packt. Und jedes Mal kommt man zum Schluss: Nein, nichts beschreibt den Würgegriff der EU-Kommissare besser als der bekannte Mafia-Spruch.

Nachdem in den vergangenen Jahren vor allem die Nationalregierungen in Ungarn und Polen mit einbehaltenen EU-Geldern erpresst wurden, überlegt man in einschlägigen Kreisen bereits, wie sich so etwas auch auf Thüringen anwenden ließe, falls die AfD eine Landesregierung stellen sollte. Wohlgemerkt, lange bevor sie sich noch irgendetwas zu schulden kommen lassen konnte.

Denn die ideologische Inkompatibilität der AfD mit den vielbeschworenen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit der EU ist scheinbar so offensichtlich, dass die Berliner Denkfabrik des Jacques Delors Centres (JDC) der Hertie School (getragen von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung) bereits vor der Wahl offen Überlegungen anstellte, wie man einer AfD-Landesregierung mittels Entzug von Geldern das Leben schwer machen könnte.

So berichtet Luise Quaritsch, „Policy Fellow“ am JDC, die im Zuge ihrer Karriere unter anderem Praktika beim ZDF und beim Auswärtigen Amt, sowie Beratertätigkeiten bei der UNO, der EU-Kommission, sowie zuletzt sogar als „Senior Advisor“ beim Consulting-Riesen Deloitte aufweisen kann, dass die sogenannten Rechtsstaatlichkeitsinstrumente – ein Euphemismus für Erpressungsmittel – zwar bislang primär auf nationaler Ebene Anwendung fanden, durchaus aber auch auf Länderebene zum Einsatz kommen könnten.

EU-Druck auf Länder ist möglich, dauert nur leider sehr lange

Vor allem in einem föderalen System wie in Deutschland kommt den Ländern eine beträchtliche Rolle bei der Verteilung von EU-Mitteln zu. Und einen Präzedenzfall gibt es ebenfalls, denn Quaritsch erinnert an den Fall jener polnischen Regionen, die sich vor einigen Jahren zu „LGBT-freien Zonen“ erklärt hatten und damit Anlass gaben, der polnischen Regierung die Rute ins Fenster zu stellen.

Gewiss, damals waren die Regionen nur ein Vorwand, um an die verhasste Nationalregierung Polens zu gelangen. Im Falle einer amtierenden Ampel gilt es natürlich, Schaden vom Bund fernzuhalten und allen Druck auf das Land Thüringen selbst zu konzentrieren. Sonst wäre der padägogische Effekt ja nicht gegeben.

Damit das auch klappt, bietet Quaritsch einen regelrechten Fahrplan. Zunächst bräuchte es einen Rechtsstaatlichkeitsbericht, der regionale Missstände aufzeigen würde. Da man aber konkret der AfD und dem Land Thüringen und nicht der Ampel und dem Bund schaden wolle, würde man sich nicht auf die gängigen Artikel-7-Verfahren berufen, da diese nur auf nationaler Ebene Anwendung finden.

Stattdessen rät Quaritsch dazu, Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 und 260 AEUV einzuleiten. Verurteilt könnte eine Landesregierung dann werden, wenn sie beispielsweise neue EU-Gesetze nicht schnell genug umsetzt, oder bei Verstößen gegen Grundrechte der Union. Im Fall einer Verurteilung könnten dann sogar finanzielle Sanktionen gegen das Land verhängt werden. Allerdings hat die Sache, so Quaritsch, auch einen „Nachteil“. Der Prozess kann bis zu zwei Jahre dauern, was bei einer Legislaturperiode von fünf Jahren einer AfD-Regierung mehr Zeit geben würde, als es Eurokraten und ihren Beratern recht wäre.

Der pädagogische Effekt eingefrorener EU-Gelder

Damit die erträumten Daumenschrauben noch schneller greifen, empfiehlt Quaritsch daher auch die sogenannte „Konditionalitätsverordnung“ aus 2021, die bereits in Ungarn zur Anwendung kam. Diese würde es erlauben, all jene EU-Mittel, die vom Land selbst verwaltet werden, im Falle eines Rechtsstaatlichkeitsvergehens einzufrieren. Die Karriere-Bürokratin rechnet vor, dass es sich beim Land Thüringen um einen Betrag von knapp 1,5 Milliarden Euro für den Zeitraum 2021 bis 2027 handelt, die von der EU einbehalten werden „könnten“, oder genauer gesagt „sollten“, denn Quaritsch kennt keine Zweifel am Ausgang eines solchen Rechtsstaatlichkeitsverfahrens gegen eine mögliche AfD-Landesregierung.

Zur Orientierung: Quaritsch rechnet vor, dass EU-Gelder jährlich ca. 15 Prozent der Investitionsausgaben des Thüringer Strukturfonds ausmachen und spricht daher eine unmissverständliche Empfehlung aus, ohne dabei zu vergessen, auf Beispiele erfolgreicher Unterwerfung hinzuweisen:

„Für Thüringen wären das erhebliche Mittel, der Wegfall dieser Regional- und Wirtschaftsförderung könnte das Land empfindlich treffen und negativ auf die Landesregierung zurückfallen.

Dass die Androhung des Wegfalls von EU-Fördergeldern auf regionaler Ebene Wirkung zeigen kann, zeigt sich am Beispiel Polens: Um den Verlust von EU-Mitteln in Milliardenhöhe zu vermeiden, zogen viele Regionen ihre Anti-LGBTI Resolutionen zurück. Eine ersetzte sie sogar mit einer Anti-Diskriminierungs-Resolution.“

Zwar handelt es sich bei dem Gedankenspiel von Quaritsch, das noch vor der Wahl in Thüringen veröffentlicht wurde, vorläufig nur um ein Aufzeigen der rechtlichen Möglichkeiten, kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass dieser Weg als einzig richtig und wichtig angesehen wird. Aus jeder Zeile trieft die Selbstherrlichkeit einer Beraterkaste, die sich nicht einmal dazu herablässt, in ihren Erwägungen auch nur ein einziges Mal den demokratischen Willen der Wählerschaft, oder das Recht auf die Wahrung regionaler Unterschiede, zu erwähnen.

Es mag bislang nur eine Analyse der Möglichkeiten sein, aber es ist schwarz auf weiß der Beleg dafür, dass man die Mittel, um eine eventuelle AfD-Landesregierung schnellstmöglich wieder von der Macht zu verdrängen, schon längst in der Schublade parat hat. Was bereits vor der Wahl deutlich war, bestätigt sich mit solchen Publikationen. Es soll, darf und wird sich nichts ändern. Und wenn doch, dann wehe dem Land, das sich dem Willen der Eurokraten widersetzt.

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Kommentare ( 75 )

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WildBoarHunter
4 Tage her

Die EU sollte endlich mal ganz anderen den Geldhahn abdrehen. Wie disfunktional die EU ist, zeigt immer wieder das Beispiel Italien. Würde man Italien, mit seinem strukturell sozialistischen, an Bürokratie nicht zu überbietenden Verwaltungssystem nicht mit EU Geld pampern, müssten die ihre Probleme alleine lösen. Dann bräuchte Italien Massen an Arbeitern selbst, egal welcher Couleur, denn mit ein paar Liberalisierungen könnten die morgen 10% reales Wirtschaftswachstum generieren. Sie müssen es halt nicht und so finanziert die EU und v.a. Deutschland die woke Dolce Vita in Bella Italia.

Last edited 4 Tage her by WildBoarHunter
J.Thielemann
6 Tage her

Thüringen – und ggf. auch Sachsen – nicht mehr vom Bund gegen die EU geschützt bzw. vertreten!? Dann kann man ja nur gehen- als „Bundesland“. Bund aufgekündigt! „Tschechien, wie wär’s: Wir nehmen Euren Atommüll, Ihr nehmt Sachsen?“ https://www.focus.de/politik/deutschland/ansgar-mayer-erzbistum-mitarbeiter-moechte-sachsen-gegen-atommuell-tauschen_id_7642419.html Ob unsere Kultur usw. durch die Migration kaputtgeht – oder durch eine Assimilation zu Tschechien verschwindet (ganz ohne Kalifat): Dann ganz klar lieber Tschechien. Ein Treppenwitz: D hätte dann den Atommüll – und Tschechien die Atomkraftwerke. Win win. Aber anders als wie es klingt: Win für Tschechien und das zweite Win für Tschechien & Ex_Sachsen. Dann fehlt nur noch ein Vexit. Visegrad-… Mehr

Johann Thiel
7 Tage her

„Und der Haifisch, der hat Zähne
und die trägt er im Gesicht…..“

Evero
7 Tage her

Sollte die Spaltung und Erpressung der Sozialisten so weitergehen, prophezeie ich die erneute Teilung Deutschlands.
Erst treiben die Sozialisten 50% der Deutschen in die Flucht, dann kommt die Teilung. Westdeutschland wird eine unregierbare Exklave der NWO-Faschisten. Der Osten bleibt demokratisch und mit stabiler staatlicher Ordnung.
Nur meine Meinung. Aber diese spaltende Art von Politik ist Gift für eine Nation.

chaosgegner
7 Tage her

Ein gigantischer mafiöser Apparat!
Finanziert durch erpresste Abgaben, Steuern und Milliardenaufträge an kooperierende Pharmakonzerne.
Pfui deibel!!!

bfwied
7 Tage her

EUdSSR, wie schon etliche zu anderen Gelegenheiten, die EU betreffend, schrieben. Bist du nicht willig, so gebrauche ich Gewalt! So funktioniert die beste Demokratie aller Zeiten.
Es wird höchste Zeit, diese EU-Idee zu begraben. Niemand der Bürger will die Schuldenvergemeinschaftung, die Sozialvergemeinschaftung etc., niemand will die Planwirtschaft, denn die führte und führt immer in den Totalzusammenbruch. Niemand will die Despotie. Die EU ist kein Fortschritt, sie ist ein Rückschritt, ein sehr stark lähmender, der abkoppelt.

Raul Gutmann
7 Tage her
Antworten an  bfwied

Sehr geehrter Herr „bfwied“, vielen Dank für Ihren leider sehr zutreffenden Kommentar.
Auch wenn kein Lebender auch nur ansatzweise eine Vorstellung jenes Szenarios hat, ist zu befürchten, daß mit dem Zusammenbruch der EU eine Katharsis sui generis einhergehen wird. Denn während beim historisch nächstliegenden Zusammenbruch der Sowjetunion ihre Folgestaaten auf einen Rohstoffreichtum aufbauen konnten, könnte jenes allumfassende „Armageddon“ Westeuropas zumindest in hiesiger Gesellschaft sogar die totale Niederlage vom 8. Mai 1945 übersteigen, da die gegenwärtig Lebenden der damals noch vorhandene Resilienz verlustig gingen.

bfwied
6 Tage her
Antworten an  Raul Gutmann

Kann nur zustimmen! Aber da das Leben nun mal weitergeht, ist Vieles offen für die Zukunft. Wir müssen aufwachen, und es gestalten, bevor es andere, etwa die Einwanderer, tun.

Reinhard Schroeter
7 Tage her

Vor kurzem hat die führende ungarische Tageszeitung Magyar Nemzet , von einer Ursula von der Pfieizer geschrieben.
Und die von der Pfeizer glaubt nun, was mit Ungarn möglich ist, sollte erst Recht mit Thüngen möglich sein.

Brauer
7 Tage her

Diese Frau sollte uns Europäern richtig Angst machen.

Riffelblech
7 Tage her

Es stellen sich einem die Haare zu Berge bei solchen undemokratischen ja verbrecherischen Gedankenspielen der sogenannten Berater und Denkschulen .
Denen ist jedes Mittel recht nur um ihre eigene Agenda durchzusetzen.
Triksereien , Betrug ,Falschdarstellungen sind geeignet einem total frei erklärtem Wählerwillen ins Gegenteil zu verkehren .
Was ist denn an diesen Gedankenspielen anders als wenn Verbrecher sich Gedanken machen unliebsame Konkurrenz auszuschalten .
Die einen machen es mit Kopfschuss oder Gift ,die anderen mit dem Geldsack .
Das Ergebnis ist gleich !
Absolut widerlich !

PaulKehl
7 Tage her

Viel gefährlicher wären verweigerte Zahlungen aus dem Bund-Länder-Ausgleich. Oder: rechtsextremistischer Mob attackiert LKW-Fahrer mit Migra-Hintergrund, die sich dann weigern, in Thüringen Ware an Supermärkte, Autofabriken usw. auszuliefern.