SPD, CDU und Co gewinnen – aber wie oft noch

Die Wahl in Brandenburg hat gezeigt, dass sich das Parteiensystem neu sortiert hat. Nicht nur im Osten. Das Bündnis von Linke, SPD, Grüne, FDP und CDU steht zwar noch - aber es verliert an Spielraum.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber
Governor of Brandenburg and Germany's Social Democratic Party, SPD, for the state election Dietmar Woidke, center, arrives at the party's election event after first exit polls announced in Potsdam, Germany, Sunday, Sept. 22, 2024. (AP Photo/Markus Schreiber)

Brandenburg bedeutet nochmal einen Sieg für das Bündnis von Linke, SPD, Grüne, FDP und CDU. Ministerpräsident Dietmar Woidke konnte die Wahl gewinnen, weil er sein Verbleiben im Amt mit einem Sieg seiner SPD über die AfD verknüpfte. Mit diesem taktischen Trick versammelte er all die Wähler der anderen Bündnis-Partner hinter sich, die meinen, dass nicht das schlechte Bildungsniveau, wirtschaftliche Krise oder wachsende Zahlen von Vergewaltigungen und Messerangriffen die größten Probleme des Landes seien – sondern das Verweisen der AfD auf Platz zwei bei einer Wahl.

Gegner des Bündnisses mag dies frustrieren. Sie hätten sich wahrscheinlich eine deutlichere Klatsche für Linke, Grüne, SPD, FDP und CDU gewünscht. So wie in Thüringen, wo AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zusammen nun eine Sperr-Mehrheit haben. Doch wer dieses Bündnis kritisiert, mag die Geduld verlieren – er kann aber zusehen, wie die Allparteienkoalition allmählich an Land verliert.

Das liegt zum einen an FDP und Linke. Die beiden Parteien verabschieden sich Wahl für Wahl aus dem Spektrum derer, die über 5 Prozent der Wähler erreichen. Für die FDP war es in Brandenburg sogar recht früh klar, dass sie nicht einmal auf 1 Prozent und somit an Geld aus der Parteienfinanzierung kommen wird. Liberale Wähler sind offensichtlich nicht bereit, eine Öko-Planwirtschaft zu schlucken, um weiter gegen die AfD zu kämpfen. Oder sie finden es nicht gut, dass die Kritik an ens Bundestagsabgeordnetes verboten wird, was sich in Reizwäsche und mit Hand im Schritt fotografieren lässt.

Zum anderen hat sich eine Antimauer aus AfD und BSW gebildet. Sie wirkt gegen die „Brandmauer“ an. Mit der haben Linke, SPD, Grüne, FDP und CDU die AfD bisher von allen Mitteln der Macht ferngehalten. Im Osten kratzt diese trotzdem generell an der „Sperr-Minorität“, die sie in Thüringen sogar erreicht hat. Mit ihr sind etwa keine Änderungen der Verfassung oder Besetzungen von Verfassungsrichtern ohne die AfD mehr möglich. In Thüringen muss die AfD – Brandmauer hin oder her – in diese Entscheidungen nun eingebunden werden.

In den ostdeutschen Ländern haben AfD und BSW zusammen diese Sperrminorität nun überall. Auch im Westen kommen sie allmählich an diese heran. Laut einer INSA-Umfrage haben sie diese sogar schon erreicht. Mindestens das BSW kann das Bündnis aus Linke, SPD, Grüne, FDP und CDU folglich nicht so sehr hinter einer „Brandmauer“ verstecken, wie sich die Vertreter der Etablierten das wahrscheinlich wünschen würden.

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang hat dies am Wahlabend erkannt: „Wenn nur noch taktisch Wählen im Vordergrund steht… dann wird das zum Problem für alle demokratischen Parteien.“ Diese „Probleme“ begingen bei der besagten Sperrminorität und endet wie in Thüringen bei Sperr-Mehrheiten. Wenn das Bündnis nicht beide Parteien hinter der „Brandmauer“ verstecken kann, werden seine Vertreter bis zur Bundestagswahl voraussichtlich eine engere Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht vorbereiten.

Inhaltlich hat das Bündnis bereits begonnen, auf den Erfolg der AfD zu reagieren. Vor allem beim Thema Kampf gegen illegale Einwanderung sowie der zunehmenden Zahl an Gruppen-Vergewaltigungen und Messer-Angriffen. Nun werden viele einwenden, dass sie in dieser Politik alles andere als konsequent sind. Durchaus richtig. Aber auf Dauer geht der Spagat nicht gut, rechts zu blinken und links abzubiegen; Abschiebung „im großen Stil“ zu fordern und den „Kampf gegen Rechts“ zum wichtigsten aller Themen zu machen. Woidke hat den Bundeskanzler aus vielen Gründen im Wahlkampf an der Seitenlinie gehalten. Unter anderem, wegen dessen Wanken zwischen Entschlossen-Abschieben und die Forderung nach Entschlossenem-Abschieben politisch bekämpfen.

AfD-Chef Tino Chrupalla hat am Wahlabend zudem etwas Bemerkenswertes gesagt. Seine Partei müsse künftig „mehr auf das persönliche Profil der Kandidaten achten“. Das heißt: Der Vorsitzende räumt ein, dass die AfD nicht immer mit charismatischen, beliebten oder kompetent wirkenden Spitzenkandidaten antritt. Gelingt ihr das künftig, verliert das Bündnis aus Linke, SPD, Grüne, FDP und CDU dann noch mehr Boden. Zumal FDP und Linke aller Voraussicht nach nicht mehr dabei sein werden.

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Kommentare ( 3 )

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ISC
2 Stunden her

Sie sind aber geduldig.
Wenn man die Angelegenheit langfristig betrachtet, dann ist es strategisch richtig AfD zu wählen .Mit immerhin 30% der Stimmen im Osten kommt man langsam in die Richtung Sperrminorität. Das gilt aber nicht für den Bund und für den Westen.
Wir haben also nochmal mindestens 5 Jahre vor uns, wo nichts entscheidendes passieren wird. Das ist lange genug um Deutschland endgültig zu ruinieren. Was dann in 5 Jahren ist kann man ohnehin nicht einschätzen.
Dieser Prozess dauert einfach zu lange.
Die große Mehrheit an Leistungsträgern wird es ausbaden müssen.

Realist48
2 Stunden her

https://wahlergebnisse.brandenburg.de/12/500/20240922/landtags0wahl_land/ergebnisse.html
19:54 Uhr

Was stimmt denn jetzt? Absolut keine Übereinstimmung mit ARD und ZDF
Und im Tv sagt der Moderator: lange Gesichter bei der AFD. ((????)

Last edited 2 Stunden her by Realist48
der Doc
2 Stunden her

… das einzige, das ich an diesem „Wahl“-ergebnis bemerkenswert finde,
ist
DAS AUSMASS DES OFFENSICHTLICHEN BEGRUGS.