Das Brechen der Dämme aus Angst vor dem Wähler

Brandenburgs CDU liebäugelt öffentlich mit einer Koalition mit der Partei der Linken.

© Getty Images

Wer in Brandenburg bürgerlich wählen will, kann zur Landtagswahl im Jahr 2019 nicht mehr sein Kreuz bei der CDU machen. Nachdem Brandenburgs Linken-Chefin Diana Goltze in einem Interview nicht ausgeschlossen hat, mit der CDU zu koalieren, kommt fünf Tage später die Antwort vom brandenburgischen CDU Vorsitzenden Ingo Senftleben, der die Linke in hohen Tönen lobt: „Fakt ist aber, dass ich in 18 Jahren die Erfahrung gemacht habe, dass die Zusammenarbeit mit den Linken – bei allen Widersprüchen – in der Regel funktioniert.“ Und dann gerät der CDU-Mann doch noch ins Schwärmen, denn die Zusammenarbeit sei so gut, dass man keine Protokolle benötige: „eine Absprache ist eine Absprache.“

Vor dem Hintergrund der Brandenburger Verhältnisse, die davon geprägt sind, dass für einen erheblichen Teil der CDU-Mitglieder und CDU-Wähler schon aus biographischen Erfahrungen eine Zusammenarbeit mit den Linken prinzipiell nicht in Betracht kommt, zeigt das, dass dem Landesvorsitzenden die Kollegen der Linksfraktion näher sind als die eigenen Mitglieder und Wähler. Denn für einen Teil der CDU-Mitglieder und -Wähler mögen die Linken sich so reformiert geben, wie sie wollen, sie trauen dem Selbstbild der Linken nicht. Für sie bleibt sie die SED-Nachfolgepartei. Sie sehen Kontinuität statt Wandel.

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Im Interview jedoch legt sich der Landesvorsitzende ohne Not fest, dass die CDU Brandenburgs mit jeder im Landtag vertretenen Partei – außer der AfD – koalieren würde, auch mit den Linken. Kriterium dafür scheint zu sein, dass es dem persönlichen Machterhalt dient und am Ende des Tages den Posten des Ministerpräsidenten einbringt. Ganz davon abgesehen, dass Ingo Senftleben nach diesen Einlassungen weiter von einem Wahlsieg entfernt ist als jemals zuvor, hat der Landesvorsitzende nun auch noch ein veritables Glaubwürdigkeitsproblem. Unvergessen ist, dass der CDU-Abgeordnete Dieter Dombrowski, der in der DDR in Stasihaft saß, gegen die Wahl des Ministerpräsidenten Platzeck zum Regierungschef einer rot-roten Koalition im Jahr 2009 protestierte, indem er in seiner Gefängniskleidung zur Sitzung erschien. Es scheint, Dieter Dombrowski muss nach den Bekundungen seines Parteivorsitzenden nun im Parteivorstand der Brandenburger CDU in Gefängniskleidung erscheinen.

Fakt ist: Seit der ersten freien Wahl nach der Wiedervereinigung 1990 regierte die SPD zunächst mit der FDP, dann allein und schließlich von 1999 bis 2009 mit der CDU. Nach der Landtagswahl 2009 schwenkte Matthias Platzeck nach Links. Seitdem wird das Land von einer rot-roten Koalition regiert. Die SPD hat sich in ihren 28 Regierungsjahren zu einer Staatspartei für Brandenburg entwickelt und dabei vollkommen verschlissen. Sie bedarf dringend der Erneuerung in der Opposition. Ministerpräsident Dietmar Woidke klebt trotz eklatanter Misserfolge wie der krachend gescheiterten Kommunalreform an seinem Stuhl. Nach derzeitigen Wahlprognosen verfügt Rot-rot über keine Mehrheit mehr, CDU und SPD liegen in etwa gleichauf, doch ist es nicht unwahrscheinlich, dass es für Schwarz-rot auch nicht reicht. Deshalb spekuliert Senftleben mit einem Rot-rot-schwarzen Bündnis. Und da gehört der Brandenburger CDU-Chef ideologisch auch hin. Kaum ein CDU-Landesverband hat die Kanzlerin in ihrer verfehlten Migrationspolitik so vorbehaltlos und gehorsam unterstützt wie der Brandenburgische. Gegenstimmen wurden marginalisiert.

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Ingo Senftleben nimmt für sich Werte in Anspruch wie „Nächstenliebe, Toleranz und Vielfalt“. Doch mit diesen Schlagworten kann er auch Chef der Grünen oder der Linken werden – und folglich mit ihnen koalieren. Werte, Prinzipien – war da mal was? Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion Jan Redmann bekennt sich zum Konservatismus, wobei für ihn konservativ alles ist, was die CDU Brandenburg unternimmt. Wenn sie für die verfehlte Migrationspolitik eintritt, dann ist das konservativ, wenn sie der Ehe für alle zustimmt, dann ist die Ehe für alle konservativ. Begriffe werden zu Chiffren, zu bloßen Phonemen, indem man ihnen die Inhalte nimmt.

Es scheint in der Brandenburger CDU nur noch um den Postenerhalt einer Führungsriege zu gehen, die für alles und nichts steht. Wenn Ingo Senftleben diagnostiziert, dass in Brandenburg ein Neuanfang nötig sei, hat er Recht. Doch vergisst er, dass nach 18 Jahren Landtag auch er nicht mehr zum Neuen zählt. Will die CDU in Brandenburg die Wahl 2019 gewinnen, wird sie sich inhaltlich und personell erneuern müssen. Sie hat nur die eine Chance, eine tiefgreifende Diskussion jetzt zu starten – und sich dafür Sachverstand auch von außerhalb der Partei in Brandenburg zu suchen, schon aus Gründen der Unabhängigkeit, des Neuen und der Glaubwürdigkeit.

Darüber hinaus ist der Brandenburger Landesverband nun eine Bürde für die CDU insgesamt und für die CDU-Vorsitzende, denn Senftlebens Aussage ist ein klares Zeichen dafür, dass die CDU nach links rückt und sie über keinerlei inhaltliche Aussagen mehr verfügt, die nicht verhandel- und aufgebbar wären.

Zum ersten Mal in der Geschichte des wiedervereinigten Deutschlands besteht die Möglichkeit, dass wer CDU wählt, eine CDU-Linken-Regierung bekommt.

Die Brandenburger CDU zeigt zumindest, dass aus Angst vor dem Wähler kein Dammbruch ausgeschlossen ist.

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Kommentare ( 100 )

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Michael M.
6 Jahre her

Ist logische argumentation wirklich so schwer?

„Wer in Brandenburg bürgerlich wählen will, kann zur Landtagswahl im Jahr 2019 nicht mehr sein Kreuz bei der CDU machen.“
Hier behaupten sie, dass bürgerlich wählende vor 2019 die cdu wählen konnten, nur um dann nachfolgend die unsinnigkeit der obigen aussage darzustellen.

„Deshalb spekuliert Senftleben mit einem Rot-rot-schwarzen Bündnis. Und da gehört der Brandenburger CDU-Chef ideologisch auch hin. Kaum ein CDU-Landesverband hat die Kanzlerin in ihrer verfehlten Migrationspolitik so vorbehaltlos und gehorsam unterstützt wie der Brandenburgische[!]. Gegenstimmen wurden marginalisiert.“

Können sie überhaupt erklären, was bürgerliche politik ist?

#facepalm

hans schmal
6 Jahre her

Willkommen in der Postdemokratie
Etwas zum Klugscheis..n
Diktatur entsteht so gut wie immer aus Demokratie ,und die schlimmste Form der Tyrannei und Sklaverei aus der größten Form der Freiheit .
Platon (etwa 428-347 v. Chr)
Kombiniert mit ein bischen Goethe :
Niemand ist mehr Sklave , als der der glaubt frei zu sein , ohne es wirklich zu sein .

Steffen Jonda
6 Jahre her

Das ist doch positiv – Teile der CDU lassen die Maske fallen. Meiner Meinung nach sollten alle CDU-Wähler (früherer Jahre) nun konsequent eine andere Partei wählen als die CDU. Ob eine AfD in Brandenburg geeignet ist – man scheint dort ja recht viel rechtsradikales Totholz angesammelt zu haben – steht auf einem anderen Blatt. Ich bin nun kein Bürger Brandenburgs – aber mir ist dann doch eine AfD mit 25% in Brandenburg ganz recht. Meine Hoffnung dabei: Die CDU in den übrigen Ländern bekommt so viel Angst vor einer Kooperation mit der „Linken“ dass dies eine einmalige Überlegung bleibt. Die… Mehr

Timo Leary
6 Jahre her

NIE wieder CDU!

Verbündete
6 Jahre her

Entnazifizierung ja, aber Ent-SED-sirung? Nein, „wir“ sind ja tolerant u integrieren. Da wird noch nichtmal die Nachfolgepartei verboten.

Brockenteufel
6 Jahre her

Na, ist doch schön. Ein besseres Wahlargument für die AfD kann es nicht geben!

Thüringer Kartoffel
6 Jahre her

Das ist auch ein Problem des Alters bzw. Geburtsjahrganges. Der Herr Senftleben ist 1974 geboren. Als die Mauer fiel war er also 15 Jahre alt. Bis zu diesem Alter hat man ja in der DDR im wesentlichen nur die guten Seiten des Systems erlebt. Klar, daß dann solche Leute eine rosa Sicht auf die DDR, den Sozialismus, die SED und heute ihre Nachfolgepartei DIE LINKE haben. Für was stehen die denn noch? Konservative Werte? Marktwirtschaft statt Sozialismus? Freiheit? Christentum? Die CDU ist doch nur noch ein werte-loser und damit wertloser Haufen Karrieristen, der schnellstmöglich in den Mülleimer der Geschichte entsorgt… Mehr

Andie Theke
6 Jahre her
Antworten an  Thüringer Kartoffel

Das stimmt wirklich, ich war zur Wende 23, wenn ich mit Leuten rede die nur 5 Jahre jünger sind, die glauben mir die Sachen nicht, die ich vom Osten erzähle.

Gero Hatz
6 Jahre her

Die CDU testet halt die Möglichkeiten für den Fall, dass Mutti noch ein paar Parteien ins Boot holen muss, um ihre nächste Kanzlerschaft zu sichern. Ausserdem blicken CDU und SED ja auf eine stolze, gemeinsame Geschichte in der DDR 1.0 zurück. Es sieht so aus, als steuern wir auf ein zwei Parteien System wie in den USA zu.

Viktor Wallenstein
6 Jahre her

Naja, in Sachsen könnten wir bald ähnliches erleben. Wenn dort die CDU und AfD gleich auf sind… die Linke allerdings knapp vor der SPD landet, wovon auszugehen ist… was dann. CDU/SPD unter Duldung der Linken, oder gleich CDU/Linke…
der Einheitsblock verwischt immer mehr auch die letzten Grenzen eines vermeindlichen Unterschieds. Am Ende läuft alles auf ein Zweiparteiensystem hinaus… AfD oder „Die Anderen“.

Andie Theke
6 Jahre her
Antworten an  Viktor Wallenstein

Kommt drauf an, wieviel die Linke verliert. Wenn sie viel verlieren dulden sie die Groko bestimmt nicht, aber bei wenig ist es möglich. Wie war das ,staatspolitische Ver…wahrlosung, jetzt hab ichs.

Ptolemaios
6 Jahre her

Die Frage ist doch, ob dieser Ingo Senftleben der Brandenburger CDU von Merkels Führungsriege aufgedrückt wurde oder wirklich von der Parteibasis gewählt wurde. Die Führungsriege ist bereit mit jeder Systempartei zu koalieren. Die Parteibasis ist da schon näher an der AfD. Es bleibt abzuwarten, ob die CDU-Ost sich vor den Landtagswahlen von ihrer Führung befreien kann. Als Junior-Partner in einer blau-schwarzen Landesregierung kann ich mir das schon eher vorstellen.

Andie Theke
6 Jahre her
Antworten an  Ptolemaios

So viele Mitglieder haben die Parteien im Osten nicht, das sind alles Karrieristen. Sind bloß 6000 Mann, deswegen haben sie auch in allen Parteien so wenig Anteil an der Führung. Wie bei der SPD, die stellen seit Jahren die Regierung in Brandenburg, haben aber im Bundesvorstand weniger Delegierte als Bayern (10-78)die dort nur eine Splitterpartei sind.