Im Herbst soll sie kommen, aber schon im Sommer für Gesprächsstoff sorgen, rechtzeitig vor den drei Landtagswahlen im Osten. So wollen Bund und Länder Handlungsfähigkeit zeigen. Derweil zeigt sich, wie klamm die Länderkassen sind. Jetzt schlugen sie einen Sondergipfel vor. Das Kanzleramt lehnte ab. Hintergrund vermutlich: Die Länder brauchen noch mehr Geld.
Nun soll sie plötzlich ganz schnell kommen: die Bezahlkarte für alle Asylbewerber bundesweit. So führt gelegentlich ein Rauschen im Blätterwald zu politischen Entscheidungen. Von der nun wider Erwarten beschleunigten Einführung – noch vor kurzem war mit einem monatelangen Gerangel zwischen Bund und Ländern zu rechnen – versprechen sich die regierenden Parteien vermutlich politische Erfolge bei den kommenden Landtagswahlen im Osten. Vierzehn von 16 Bundesländern haben sich auf ein Vergabeverfahren geeinigt. Nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen eigene Wege gehen. Das sagte der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), zugleich Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), am Mittwoch in Wiesbaden.
Das Gewicht, das auf dem Projekt lastet, ist nun allerdings groß. Laut Bild sind die „wahren Ziele von Bund und Ländern“ nämlich die folgenden: Illegale Einreisen sollen vermindert, die Schleuserkriminalität bekämpft werde. Daneben soll angeblich der „Binnenmigration“ innerhalb Deutschlands ein Riegel vorgeschoben und zuletzt auch die Verwaltung vereinfacht werden.
Die Einführung kommt nun aber wohl doch nicht mehr im Sommer, wie zunächst anklang, sondern frühestens im Herbst diesen Jahres, also erst nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Das eigentliche Ziel der plötzlichen Aktivität von Bund und Ländern dürfte ohnehin noch ein anderes sein und darin bestehen, der AfD ein vermeintliches Wahlkampfthema zu nehmen. Tatsächlich schenken die anderen Parteien ihr eher eines. Die Umstellung auf Sachleistungen, soweit das gesetzlich möglich ist, ist eine lange bestehende Forderungen der AfD. Das war wohl einer der Ursprünge des nun geschehenden Wandels.
Greizer Landrätin: Asylbewerber überwiesen Geld in Heimatländer
Die Greizer Landrätin Martina Schweinsburg (CDU) hat nun von Asylbewerbern berichtet, die ihr gegenüber offen zugaben, mindestens 50 Euro von den ausbezahlten Leistungen in ihre Heimatländer, an ihre Familien zu überweisen. Das sei dort viel Geld (hier im Welt-Video zu sehen). Daraus erwuchs dann der Impuls für den Systemwechsel in Greiz. Die Umstellung hatte umgehenden Erfolg: Einzelne Bewerber reisten ab. Ob in ihre Heimat oder anderswohin, das kann allerdings nicht gesagt werden, weil Asylbewerber nicht verpflichtet sind, sich amtlich vorzustellen, solange sie kein Geld vom Amt brauchen.
Im Landkreis Eichsfeld war es kurz darauf ähnlich: 35 geduldete Asylbewerber – laut Berichten aus Serbien, Nordmazedonien und Georgien – wurden nicht mehr gesehen, erwiesen sich also als Asylbetrüger, die vor allem wegen der hohen Sozialleistungen in Deutschland blieben. Am 1. Februar wird auch der Saale-Orla-Kreis mit einer eigenen Bezahlkarte folgen. Hier wird das System zunächst an Personen ausprobiert, die nach einem abgelehnten Asylantrag wieder eingereist sind und einen sogenannten Folgeantrag gestellt haben.
Aus einzelnen Pilotprojekten ist zudem zu hören, dass eben doch Bargeldauszahlungen mit den neuen Karten möglich seien. Das gilt ausdrücklich von dem Projekt im baden-württembergischen Ortenaukreis, wo man offenbar vor allem die Verwaltungsvereinfachung im Sinn hatte und auf die bundeseinheitliche Regelung warten will, wo es um Einschränkungen geht. Das zeigt, dass Bezahlkarte nicht gleich Bezahlkarte ist. Es kommt auf die zugehörigen Regeln an. So können die Migranten im Kreis Greiz nur Lebensmittel und Kleidung mit ihren Karten kaufen.
Künftig entscheiden die Länder über die Höhe der Barauszahlung
Die bundesweit einzuführende Bezahlkarte soll laut Boris Rhein in allen Branchen einsetzbar sein, aber nicht im Ausland. Auch Überweisungen ins In- oder Ausland sollen damit nicht möglich sein, ebenso wenig das Reisen und Einkaufen in anderen Regionen. Daneben sollen Ämter und Behörden durch die elektronischen Karten in die Lage versetzt werden, die zuvor überwiesenen Beträge einzufrieren oder wieder abzuziehen.
Unklar bleibt noch immer, ob im Hintergrund der nun medientauglich verkündeten Einigung auch schon alle Regeln unter den 14 unterzeichnenden Ländern abgestimmt sind. Durch die einheitlichen Regeln soll verhindert werden, dass Asylbewerber nach Belieben das Bundesland wechseln. Gerüchteweise war auch die technische Lösung noch unklar. Man hat dafür ja auch noch bis zum Sommer Zeit. Bundesländer und Regionen haben hier oft unterschiedliche Vorstellungen und Interessenlagen.
Und auch wenn die Bezahlkarte kommt, dürfte es weiterhin Bargeldauszahlungen geben, allerdings je nach Land und Kreis in verschiedener Höhe. Das stellt Rhein recht eindeutig fest: „Leistungsberechtigte sollen perspektivisch einen Teil der Leistungen als Guthaben auf einer Karte anstelle einer Barauszahlung erhalten. Über die Höhe des Barbetrags sowie über weitere Zusatzfunktionen entscheidet jedes Land selbst.“ Die bisher bar ausgezahlten Leistungen (insgesamt gut 400 Euro) könnten in vielen Fällen gerade einmal halbiert werden: Das Taschengeld von bis zu 200 Euro pro Migrant könnte weiterhin in bar ausgezahlt werden, die rund 200 Euro für Sachleistungen werden in den meisten Fällen auf der Bezahlkarte landen. In Greiz werden anscheinend 100 Euro Taschengeld weiterhin bar ausbezahlt.
Kiziltepe (SPD): Will keine Migranten abschrecken
„Mit einer Bezahlkarte werden Bargeldauszahlungen an Asylbewerberinnen und -bewerber weitgehend entbehrlich“, sagte auch der Ko-Vorsitzende der MPK, der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Das gilt aber anscheinend nicht für die grün-regierte Landeshauptstadt Hannover, die schon zum 8. Dezember die sogenannte „SocialCard“ eingeführt hat. In Hannover gibt es angeblich keine spontanen Abreisen, die waren auch gar nicht gemeint. Die Stadt will den Migranten stattdessen eher „einen diskriminierungsfreien Zugang zu bargeldloser Bezahlung ermöglichen“, wie eine Sprecherin mitteile.
Ähnlich könnte die Praxis wohl am Ende im Stadtstaat Berlin aussehen, wo sich Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) gegen eine Neuregelung mit Einschränkungen für die Migranten wehrt. Inzwischen hat Berlin die Einigung unterschrieben. Die Federführung zur Umsetzung liegt bei Kiziltepe. Der Berliner Zeitung sagte sie am Dienstag: „Ich bleibe dabei: Den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom November 2023, durch die Einführung einer Bezahlkarte Migrantinnen und Migranten abzuschrecken, habe ich nicht unterstützt und werde ich auch künftig nicht unterstützen.“ Die Karte solle auch weiterhin, den „notwendigen persönlichen Bedarf mit Bargeld decken“. Auch weiterhin werden Länder und Landkreise vermutlich einiges an Regelungsmöglichkeiten auf diesem Feld haben. Trotz der Durchsetzung einer im Kern richtigen Idee, ist es also nicht trivial, wer wo regiert und eine „bundeseinheitliche“ Regelung umsetzt.
Eklat auf der Schalte: Länder brauchen mehr Geld
Wie sehr Länder – und in ihrem Rücken die Landkreise und Kommunen – in der Migrationsdebatte unter Druck stehen, hat nun ein Eklat in einer internen Regierungsschalte zwischen Kanzleramt und den Chefs der Staatskanzleien der Länder gezeigt. Viele Ländervertreter berichten fassungslos, dass die Bundesregierung in Sachen Migration offenbar keinen besonderen Handlungsbedarf sieht. Ein von Boris Rhein vorgeschlagener Migrationsgipfel wurde im Kanzleramt nicht als dringlich angesehen. Die Ministerpräsidenten wollen überprüfen, ob die Beschlüsse des letzten Migrationsgipfels im vergangenen Herbst umgesetzt werden und ob sie überhaupt ausreichend sind oder neue Beschlüsse – respektive Geldzahlungen – nötig sind.
Für die Bundesregierung scheint der Handlungsdruck aber gesunken zu sein, seit die Asylanträge im Dezember erstmals seit Monaten leicht zurückgingen – was ja nur natürlich ist in der kalten Jahreszeit, aber bis zum November 2023 ausblieb. Die Länder und Landkreise müssen weiterhin die hohen Sozialleistungen an Asylbewerber, neu eingereiste ebenso wie abgelehnte, geduldete, schultern. Wenn die Bezahlkarte hier keine Abhilfe schafft, werden weitere Krisengipfel folgen müssen.
Zu wenig scheint die Bundesregierung auch weiterhin zu bedenken, dass Asylbewerberzahlen kumulativ zu betrachten sind: Die Zahl jedes Monats ist zu den Vormonaten und Vorjahren zu addieren. Die Gesamtbelastung steigt somit auch durch „gesunkene“ Antragszahlen. Aber ein solches Denken ist vielen Entscheidungsträgern offenbar vollkommen fremd. Olaf Scholz will sich vermutlich nicht aufhalten lassen bei seinem Ziel: Die sieben Millionen Babyboomer, die bald in Rente gehen werden, will er bekanntlich durch sieben Millionen Zuwanderer ersetzen, und Cansel Kiziltepe steht hier an seiner Seite (oder er an ihrer).
Insofern darf man sich davon überraschen lassen, was die bundeseinheitliche Bezahlkarte für Asylbewerber irgendwann einmal bringen wird. Wenn darüber lokal eigenständige, im Ansatz funktionierende Regelungen wie in Greiz oder dem Eichsfeld ersetzt und verwässert werden sollten, hätte man der Sache sogar einen Bärendienst erwiesen.
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Warten wir mal ab, bis die Idee aufkommt, man könne mit solchen zweckgebundenen Zahlungsmitteln so manchem Nesthocker bzw. Langschläfer aus dem „Bürgergeldgewerbe“, wieder die Liebe zur Erwerbstätigkeit entdecken lassen.
Da tut sich offensichtlich etwas! Ich glaube jedoch nicht, daß dies einen wesentlichen Einfluß auf die anstehenden Wahlen haben wird.
Nebelkerzen zur Beruhigung!
Die Bezahlkarte kommt erst wenn die AfD das Sagen hat.
Ich kann nur hoffen, die AfD hält nichts vom programmierbaren Geld – welches zu den wichtigsten WEF-Projekten gehört. Egal, wie gemogelt man den Unfug verkaufen möchte.
Ich verstehe sowieso nicht, warum abgelehnte, ausreisepflichtige Migranten überhaupt noch einen Cent erhalten. Auch die Unterkunft sollte sofort geräumt werden müssen, schon um Platz für den Strom an Nachfolgenden zu schaffen. Wo ist das Problem?
Das geht doch wieder in die Hose. Führt zu noch mehr Bürokratie ohne die dringend notwenige Kontrolle der Identitäten der Eindringlinge. Weiterhin wird mehrfach abkassiert werden.
Das ist jetzt wohl das klammheimliche Eingeständnis, dass Pullfaktoren sehr wohl existieren. Ich wette das Projekt wird beerdigt, sobald dann alle bei den anstehenden Wahlen brav CDU gewählt haben.
Bei LIDL kann man sich an der Kasse Bargeld auszahlen lassen. Das kommt dann einfach auf die Rechnung und schon hat man z.B. 100 Euro Bargeld in der Hand.
Ich habe das schon mehrfach getan. Es ersparte mir den Weg zur Bank.
Man will also weiterhin bedingungslos Bargeld verteilen, weil man keine Migranten „abschrecken“ will? Deutlicher kann eine Politikerin wohl kaum offenbaren, worum es ihr eigentlich geht. Politisches Asyl oder Fachkräfteeinwanderung ist es jedenfalls nicht.
Nicht nur da geht unsere Leistung ins Ausland. Der Rest vom EU-System schuldet uns noch über eine Billion Euro an Ausgleich für die Target II-Salden. Zur Zeit stehen die Forderungen“nur“ in der Bilanz der Bundesbank.
Die Karte ist im Grunde nichts anderes als eine unter anderen Ausreden eingeführte Punktesystemkarte der Zukunft. Denn es ist bereits auch im Gespräch diese generell auf alle Bürgergeldempfänger zu übertragen. Da immer mehr pleite gemacht werden, und immer mehr ins Bürgergeld rutschen, ist das die beste Vorbereitung auf diesen teil des Transformationsplans. Das bedeutet im Klartext, ein künftiges Punktesystem (was auf jeden Fall zusammen mit einer digitalen Währung kommt) ermöglicht es dann Ausgaben einzuschränken, bzw. Gelder zu streichen oder nur ganz bestimmte Dinge dafür kaufen zu können. Natürlich führt es jetzt nicht dazu, dass Asylbewerber wieder freiwillig zurückkehren oder gar… Mehr
Das ist zu einfach gedacht und unterstellt Migranten tatsächlich pauschal kriminelle Energie. Dass es die natürlich gibt, zeigen die Kriminalstatistiken. Dennoch würden viele Migranten es sich überlegen, nun doch eine Arbeit anzustreben. Und wenn es „nur“ die Ukrainer sind, die als Nicht-Bürger, dennoch Bürgergeld beziehen, im europäischen Ausland aber sogar teilweise zu üner 70% einer bezahlten Arbeit nachgehen.