Betrugsvorwürfe gegen die Spitze des Europäischen Rechnungshofes

Die obersten Rechnungsprüfer der EU unter der Leitung von Klaus-Heiner Lehne (CDU) sollen sich betrügerisch an Wohnbeihilfen bereichert haben. Die französische Zeitung "Libération" berichtet über ein "Netzwerk" korrupter Beamter und EVP-Politiker, das auch die Kommission und andere EU-Behörden betrifft.

IMAGO / ecomedia/robert fishman
Europäischer Rechnungshof in Luxemburg

Ausgerechnet diejenigen, die über Verschwendung in der Europäischen Union aufklären und berichten sollen, haben womöglich selbst öffentliches Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet. Was in EU-Institutionen, vor allem dem in Luxemburg ansässigen Europäischen Rechnungshof, womöglich vorgefallen ist, hat wohl das Zeug dazu, ein Skandal zu werden. Aber bislang hielten in der deutschsprachigen Presse nur der österreichische Standard, das Tageblatt in Luxemburg und die Taz für berichtenswert, was der Investigativjournalist Jean Quatremer von der Tageszeitung Libération als erster über „Betrug an der Spitze des Europäischen Rechnungshofes“ berichtete.

Das ist umso erstaunlicher als der wichtigste Verdächtige ein Deutscher ist, nämlich der Präsident des Rechnungshofes Klaus-Heiner Lehne (CDU), bis 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments. Lehne soll sich persönlich bereichert haben, indem er Wohnbeihilfen von 3.500 Euro für eine Art „Briefkastenwohnung“ in Luxemburg kassierte (bei einem Gehalt von 24.000 Euro), obwohl er dort fast nie anwesend sei. Dasselbe wird dreien seiner Kabinettsmitglieder vorgeworfen, die offenbar gemeinsam die Wohnung betrieben. Diese „Rechnungshof-WG“ hat nach Angaben von Quatremer nur drei oder vier Zimmer und koste rund 3.000 Euro Miete geschätzt. Da Lehne und seine Rechnungshofskollegen ohnehin fast nie in Luxemburg anwesend sein müssen, aber die Wohnbeihilfe von 15 Prozent des Einkommens pauschal ausgezahlt wird, käme das einem Betrug gleich. Lehne kassierte laut Quatremer samt Umzugshilfe von 40.000 Euro seit Dienstantritt 2014 also 325.000 Euro, nur fürs Wohnen.

Ein Rechnungshof-Sprecher bestätigte dem Standard nur knapp, dass alle Genannten „über eine Adresse in Luxemburg verfügen“, wie das vorgeschrieben sei.

Über diese Wohnbeihilfe hinaus geht es um falsche Spesenabrechnungen und die exzessive Nutzung von Dienstautos für private Zwecke. In Libération hat Quatremer noch über weitere „systemische“ unsaubere Praktiken berichtet – nicht nur im Rechnungshof, sondern auch in der Europäischen Kommission und dem Europäischen Gerichtshof. Sie beziehen sich auf angebliche politische und persönliche Seilschaften in der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören. Ein „Netzwerk“ aus höchsten Beamten, Lobbyisten und Politikern verstoße gegen die Pflichten des „Verhaltenskodex“, der seit 1999 verschärft wurde, als die gesamte Kommission unter dem Luxemburger Jacques Santer wegen Korruptionsvorwürfen geschlossen zurücktrat.

Die deutsche Presse schweigt zwar weitgehend, aber nicht Monika Hohlmeier, EU-Abgeordnete (CSU) und wie Freund Mitglied im Haushaltskontrollausschuss. Die Tochter des CSU-Übervaters Franz Josef Strauß beschwichtigt per Twitter und wirft dem Grünen-Abgeordneten vor, er verbreite Verdächtigungen, an denen „meinen ersten Ermittlungen nach … leider viel falsch“ sei.

Quatremer hat der bayrischen CSU-Politikerin daraufhin vorgehalten: „Was für eine Überraschung! In weniger als 24 Stunden sind Sie in der Lage zu behaupten, dass eine monatelange Untersuchung auf nichts beruht. Die Tatsache, dass Sie von der CSU und Lehne von der CDU sind, könnte Ihre schnelle Unterstützung erklären, die viele Fragen aufwirft.“

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Kommentare ( 31 )

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Nibelung
2 Jahre her

Und diese Tatsachen setze man fort in weiteren Überlegungen und übertrage sie auf alle Parlamente und dann muß man sich nicht wundern, wenn so eine übermächtige Gleichheit bei Abstimmungen besteht, ein Schelm wer bis ans Ende böses denkt.

Iso
2 Jahre her

Wie war das noch gleich mit den kriminellen Vereinigungen, und bandenmäßigen Betrug? Dagegen war Özdemirs Meilenklau noch ein dummer Jungenstreich, und er kann jetzt Minister werden.

alter weisser Mann
2 Jahre her

Der Herr Quatremer moniert des falsche Problem. Nicht die Inanspruchnehme einer pauschal gewährten Leistung ist der Skandal, das darf jeder dem Buchstaben nach Berechtigte, jenseits moralisierender Erwägungen. Der Umstand, dass solche Pauschalen überhaupt bestehen, zumal wenn sich der Empfängerkreis diese aus dem eigenen Dunstkreis genehmigt bekommt, ist der eigentliche Skandal. Warum geht er also nicht an die Wurzeln des Themas? Wenn man eine Beihilfe schon für gerechtfertigt hält, warum zahlt man die nicht als Kostenersatz (Erstattung der Kaltmiete gemäß Nachweis) und fertig? Da war wohl mal wieder der Kontrollaufwand zu hoch? Ich mach das der EU gern gegen Zahlung von… Mehr

schwarzseher
2 Jahre her

Wenig überraschend. Ich halte die Politikerkaste zum großen Teil für eine mafiöse Gesellschaft, die sich schamlos bereichert. Meist sogar ganz legal durch sich selbst erhöhte Diäten, Schaffung immer neuer üppig vergüteter Stellen für Parteigenossen oder Freunde, Vergabe von lukrativen Aufträgen an Unternehmen, die ihnen nach Ende der politischen Karriere zum Dank einen ebenfalls üppig vergüteten Frühstücksdirektorposten einräumen. etc.

Reiterhofer
2 Jahre her

In welchem Korruptionsskandal ist Hohlmeier eigentlich NICHT verwickelt? Sie ist das personifizierte Demokratieversagen. Ich erinnere mich, dass diese Person selbst für CSU-München zu untragbar wurde, und ihr daher schnell eine Scheinaddresse im hintersten Oberfranken besorgt wurde. In einem Wahlkreis der bekannt dafür war dass man dort selbst einen Besenstiel wählen würde, sobald dieser von der „CSU“ aufgestellt würde. Und die inzestgebeutelte Einwohnerschaft, die schon lange nichts mehr mitbekommt, trottelte wie immer zum Wahllokal, machte wie immer das Kreuzchen bei der CSU und wählte somit Monika nach Brüssel. Dort lebt sie nun im steuerzahlerfinanzierten Paradis für krumme Geschäfte. Zuletzt bekannt wurde… Mehr

Teiresias
2 Jahre her

Das sind sicher nur selten auftauchende Spitzen ganzer Eisgebirge.

Ein anderes Schlaglicht auf die EU-Mentalität lieferte Elmar Brok (CDU), der sich mit der Abzocke von Besuchergruppen seine Apanage aufbesserte.

Oder man erinnere sich an die Dutroux-Affäre in Belgien, wo alles auf einen Kinderschänderring mit Rückendeckung von ganz oben hinwies. Wurde nie richtig aufgeklärt, weil die Zeugen entweder tödliche Unfälle hatten oder sich spontan an nichts mehr erinnern konnten.

Die brüsseler Realität übersteigt sicher die Phantasie jedes normalen Menschen.

wat nu
2 Jahre her

Habe leider nur einen Daumen, also hier doppeldreifach Daumen rauf.

Montgelas
2 Jahre her

Dazu sagt man in Bayern: Der Dreck läuft von oben runter!

Ludwig von Gerlach
2 Jahre her

Wenn die Rechtslage so wäre, dass das Anmieten einer Wohnung in L einen Anspruch auf pauschale Wohnungsbeihilfe anstelle von Ist-Kosten-Erstattung auslöst und die RH-Mitglieder (gemeinsam) eine Wohnung angemietet haben, die sie nur anlässlich notwendiger Aufenthalte in L zur Übernachtung nutzen, erscheint mir der Tatbestand des Betruges aus juristischer Sicht mehr als zweifelhaft. Das Problem läge dann in den reisekosten- und trennungsgeldrechtlichen Regelungen der EU, die die Betroffenen dann – legal – genutzt hätten. Ob diese Regelungen ihrerseits legitim sind, darf füglich bezweifelt werden. Sie sind von Eurokraten für Eurokraten gemacht. Aber dieses Problem ist seit langem bekannt, ohne dass etwas… Mehr

Beobachterin
2 Jahre her

„Trotz der Corona-Krise hat Deutschland […] 2020 netto etwa 19,4 Milliarden Euro nach Brüssel überwiesen.“
„Die Brüsseler Behörde veröffentlicht seit einiger Zeit nicht mehr die Bilanzen, weil sie befürchtet, dass die Zahlen politisch instrumentalisiert werden könnten – zum Beispiel von EU-Gegnern in den Nettozahlerländern.“ Quelle: Zeit
Nun zitiere ich ungerne die Zeit. Kommentieren muss man das Gebaren der EU aber wohl nicht mehr. Und diese Raubritter erklären uns die Welt …