Berliner Wahlchaos: Keiner der Rechtsverstöße ist bis jetzt aufgeklärt

Der Senat erklärt auf eine parlamentarische Anfrage, dass er bisher kaum etwas über den Umfang der Schlampereien und möglichen Manipulationen weiß. Und er macht auch deutlich: Die Ermittlungen sind nicht eilig.

picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow
Wahlhelfer und Wahlhelferinnen zählen in einem Wahllokal Stimmzettel für die Bundestagswahl.

Auch mehr als drei Wochen nach der Abgeordnetenhaus- und Bundestagswahl in Berlin am 26. September sind alle wesentlichen Fragen zu Rechtsverstößen und möglichen Manipulationen in der Hauptstadt noch offen. Das ergibt sich sowohl aus den Antworten des Senats auf zahlreiche Fragen des Politikers der Freien Wähler Marcel Luthe als auch aus der Sondersitzung des Innenausschusses, deren Wortprotokoll TE vorliegt. Grundsätzlich erklärte die Berliner Landesregierung gegenüber Luthe, sie könnte die meisten seiner Fragen nicht oder nicht genau beantworten, weil die Prüfung der zahlreichen Unregelmäßigkeiten immer noch andauere.

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„Damit sind belastbare Angaben häufig noch nicht möglich“, heißt es in einer generellen Erklärung des Senats. Bisher gebe es nur „Zwischenstände oder erste Einschätzungen“, aber noch keine Ergebnisse, die Luthe mitgeteilt werden könnten: „Im Interesse einer sachgerechten Erfüllung des Informationsinteresses des Fragestellers und der Öffentlichkeit hat der Senat von einer Beantwortung insoweit abgesehen.“

Bemerkenswert scheint allerdings, was die rot-rot-grüne Berliner Landesregierung nach eigener Darstellung nicht weiß. Bis heute ist offen, warum in etlichen Wahllokalen Stimmzettel fehlten oder viel zu spät angeliefert wurden. Hatte sich die Wahlleitung schlicht verrechnet? Oder waren Wahlbögen beiseite geschafft worden? Das, so der Senat, lasse sich schon deshalb kaum klären, weil sich der Weg der Unterlagen von der Druckerei in Lagerräume und schließlich in die Wahllokale bis jetzt nicht nachvollziehen lasse.

„Über die Lagerung der Stimmzettel in den Bezirken liegen dem Senat derzeit keine detaillierten und belastbaren Erkenntnisse vor“, heißt es deshalb lapidar auf eine von Luthes Fragen. Und: „Die Verteilung von Stimmzetteln und die Dokumentation erfolgt durch die Bezirkswahlämter im Auftrag der Bezirkswahlleitungen, die je nach bezirksspezifischer Organisationslösung vorgehen. Es liegen derzeit noch keine detailllierten Erkenntnisse vor.“

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Sicher ist laut Senat nur, dass die in einer privaten Druckerei erstellten Wahlunterlagen nicht fälschungssicher waren.

Luthe hatte am Wahlabend nach eigenen Angaben selbst beobachtet, wie sich eine Person auch nach 18 Uhr noch an einer Wahlschlange angestellt hatte – was gegen das Wahlgesetz verstößt. Die Landesregierung erklärte dem Politiker lediglich, das werde „üblicherweise“ durch ein Mitglied des Wahlvorstandes unterbunden: „Die Entscheidung zur Schließung der Wahllokale bzw. über die Zulassung von nach 18 Uhr noch anwesenden Personen trifft der oder die jeweilige Wahlvorstehende. Nach § 60 Satz 2 der Bundeswahlordnung … sind nach Ablauf der Wahlzeit (18 Uhr) nur noch Wahlberechtigte zur Stimmabgabe zuzulassen, die vor Ablauf der Wahlzeit erschienen sind und sich im Wahlraum oder aus Platzgründen davor befinden. Üblicherweise wird dies durch ein Mitglied des Wahlvorstandes sichergestellt, das sich an das Ende der Warteschlage stellt.“

Ob die gesetzliche Regel auch tatsächlich überall angewandt wurde, weiß der Senat nicht – er ließ es offenbar auch nicht überprüfen: „Es liegen noch keine abschließenden Erkenntnisse vor.“

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In der Innenausschusssitzung sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) auch, über die Zahl der Bürger, die wieder weggeschickt wurden, weil es bis zur Schließung der Wahllokale keine Stimmzettel gegeben habe, lägen keine Gesamtzahlen vor. Insgesamt war es laut Senatsverwaltung in 207 Wahllokalen zu dokumentierten schweren Unregelmäßigkeiten gekommen. Die Zahl der tatsächlichen Verstöße könnte angesichts der vielen offenen Fragen also noch deutlich höher sein.

Bisher zählte zudem keiner nach, ob allen Briefwahlunterlagen auch die gesetzlich vorgeschriebene eidesstattliche Versicherung beigefügt war, die von dem Wahlberechtigten ausgefüllt und unterschrieben werden muss. Eigentlich müsste die Zahl dieser eidesstattlichen Versicherungen identisch mit der Zahl der als gültig gewerteten Briefwahlstimmen sein. Auf die Frage Luthes nach diesem Punkt heißt es nur: „Zur Zahl der vorliegenden eidesstattlichen Versicherungen liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor.“

In der Sondersitzung des Innenausschusses erklärte Innensenator Geisel, das Problem falsch gedruckter und falsch abgezählter und zugeordneter Wahlzettel sei dem Senat schon Wochen vor dem Wahltermin bekannt gewesen: „Falsch gedruckte Wahlzettel beziehungsweise falsch gepackte Kartons mit Wahlzetteln, die falsch beschriftet waren und an unterschiedlichen Stellen in Berlin an unterschiedliche Wahllokale verschickt worden sind“, so der Politiker laut Protokoll, „sind schon im August dieses Jahres aufgefallen.“ Warum dann trotzdem offensichtlich nichts oder zu wenig unternommen wurde, um das Chaos zu verhindern, konnte er nicht erklären.

Gegenüber TE bestätigte Luthe, er werde in den nächsten Tagen eine Anfechtungsklage beim Landesverfassungsgericht einreichen, und nicht die Veröffentlichung des amtlichen Endergebnisses im Amtsblatt abwarten, die Geisel erst für November in Aussicht gestellt hatte. Dass die Landeswahlleiterin das Endergebnis schon verkündet hatte, so der Politiker der Freien Wähler, halte er nach Diskussionen mit seinen Anwälten für ausreichend, um den formalen Klagevoraussetzungen zu genügen.

Auch die AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und die Landeswahlleiterin selbst hatten angekündigt, die Gültigkeit der Wahl anzufechten.

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Kommentare ( 27 )

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Stefferl
3 Jahre her

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Harbarth (Merkels Abgesandter), hat ja bereits verkündet, dass die Wahl nicht dadurch ungültig wird, dass Wahlbetrug begangen wird. Kurz: er wird sie im Fall der Fälle durchwinken.

jopa
3 Jahre her

Das Wahlergebnis entspricht den Erwartungen der nationalen Front. Warum soll man daran rummäkeln oder gar neu wählen? Ist doch der eigenen Sache nicht dienlich. Nbb.: Man hätte doch besser Profis der SED dazu geholt….

ketzerlehrling
3 Jahre her

Besteht überhaupt die Absicht, irgendetwas aufzuklären? Wozu, der Drops ist gelutscht.

Peter M3
3 Jahre her

Die MSM haben das Thema längst unter den Teppich gekehrt. Den „Normalbürger“ interessiert das entsprechend auch nicht mehr. Und der Berliner Senat hat keine Kenntnisse von überhaupt irgend etwas.Welch Wunder! Die massiven Wahlrechtsverfehlungen (Lokal-Öffnungszeiten, falsche Stimmzettel, Ausgabe derer an nicht Wahlberechtigte, für ungültig erklärte Stimmen der Frühaufsteher, …) werden wohl ohne Konsequnzen bleiben, während man nicht müde wird zu behauten, dass die Wahl 2020 in Weißrussland manipuliert worden sei. In dieses Bild passt die Trickserei, der meisten thüringischen Abgeordneten, um sich einer Wahl erst gar nicht stellen zu müssen. Deutschland ist kein demokratisches Staatswesen mehr, sondern eine dekadente Bankrotterklärung. Dass… Mehr

hoho
3 Jahre her
Antworten an  Peter M3

Das war auch die Situation bei den anderen Unregelmäßigkeiten früher. Man hat sich gewöhnt. Merkel hat das zwar nicht gesagt aber wohl bemerkt. Man kann das ganze Land in der Hand halten, besonders wenn man die Idioten in den Medien manipulieren kann. FB und der Rest der sozialen Medien sorgen dazu dass die Journalisten auf der Linie bleiben. Marsch durch die Institutionen hat auch Fruchte gebracht. In jeder Gesellschaft braucht man einen Anführer und die Spannung in der Gesellschaft die dieser Anführer dann benutzen kann. Das hat in D. Merkel gemacht. Die Spannung war klein aber sie hat die Situation… Mehr

Protestwaehler
3 Jahre her

„Das, so der Senat, lasse sich schon deshalb kaum klären, weil sich der Weg der Unterlagen von der Druckerei in Lagerräume und schließlich in die Wahllokale bis jetzt nicht nachvollziehen lasse.“ hahaha…. bis heute hatte man wenigstens noch versucht heimlich zu manipulieren, seit Berlin wurden diesbezüglich alle Masken fallen gelassen. In Berlin wurde jetzt nur sichtbar, was in Deutschland sicher schon seit langer Zeit die Regel ist, oder wie der Wahlleiter von Mönchen Gladbach es ausdrücken würde, da sind wohl ein paar Jugendliche übers Ziel hinausgeschossen… jedenfalls ist nun das Ziel bekannt.

Mikmi
3 Jahre her

„Am 30. Juni 2020 gab es in Berlin 288.825 Beschäftigte im öffentlichen Dienst“.
Bei der Wahl wurde anschließend um Verständnis gebeten, es sind ja nur angelernte Mitarbeiter.
Wie kann man sich rausreden, das sind alles nur Ehrenamtliche Mitarbeiter?
Habe ich nicht ein Recht, auf eine sichere Wahl nach unseren Gesetzen?
Woran lag es, am Willen, am Geld, alles nur Theater?
Die Wahl ist zu wiederholen.

Protestwaehler
3 Jahre her
Antworten an  Mikmi

Die verteilen bereits die Dienstwagen, da wird also gar nichts wiederholt.

Kassandra
3 Jahre her

Wieso fragt sich keiner, wie das sein kann?
„Der Bundeswahlausschuss hat unter Vorsitz von Bundeswahlleiter Dr. Georg Thiel in seiner dritten Sitzung am Freitag, 15. Oktober 2021, das endgültige Ergebnis der Bundestagswahl vom 26. September festgestellt.“
Trotz der ungeklärten „Schätzungen“ in Berlin.
Was steht dazu eigentlich in dem sicher beigefügten „Bericht“ über die „Hauptstadt“?
Danke an Herrn Luthe, dass er den angerichteten Schlamassel nicht „abstinken“ lässt.

Protestwaehler
3 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Man sollte mal eruieren wer Besitzer dieser privaten Druckerei ist die für die Wahlunterlagen zuständig war, immerhin ist die SPD hier ja auch dick im Geschäft.

Der Michel
3 Jahre her

Aber mit dem Finger auf Polen zeigen. Schon klar.

Iannis70
3 Jahre her

Wer konstruiert denn solche Sätze: „Im Interesse einer sachgerechten Erfüllung des Informationsinteresses des Fragestellers und der Öffentlichkeit hat der Senat von einer Beantwortung insoweit abgesehen.“
Zu Deutsch: „Die Öffentlichkeit und der Fragesteller haben ein Interesse an der Beantwortung dieser Fragen, deshalb beantworten wir sie nicht!“
Sind die eigentlich noch ganz knusper?

W aus der Diaspora
3 Jahre her

Bei dem Verhalten kann man nur noch Absicht unterstellen.
Und das bedeutet, dass auch eine Wahlwiederholung nicht viel anders enden wird, also kann man sich den Aufwand gleich sparen …

Der Michel
3 Jahre her
Antworten an  W aus der Diaspora

Falsch. Man MUSS die Wahl wiederholen, unter strengster Beobachtung von unabhängiger Seite.

Lore
3 Jahre her
Antworten an  Der Michel

Genau. Dazu holt man sich am Besten Hilfe aus der Thüringer Regierung – die können das