Berliner Lehrer machen Angst vor Schülergewalt öffentlich

Es vergeht „kein Tag ohne verbale Beleidigungen und Bedrohungen von Lehrkräften durch Schüler“. Die Polizei kommt oft. Zeitweise ist jeder dritte Lehrer aus Angst krankgeschrieben. Die Friedrich-Bergius-Schule galt mal als vorbildlich. Jetzt ist sie ein Beispiel dafür, wie linke Politiker die Bildung ruinieren.

picture alliance/dpa | Leonie Asendorpf
Friedrich-Bergius-Schule im Stadtteil Friedenau, Berlin, 20.11.2024

Prall gefüllte, schwere und gefährliche Wasserflaschen werden auf die Pausenhofaufsicht geschleudert. Randalierende Halbwüchsige feuern Böller und Knallkörper in Gruppen von Mitschülern und auf Lehrer. Ständig gibt es plötzliche und scheinbar anlasslose Zusammenrottungen, die allgemein als bedrohlich empfunden werden und die sich durch die Lehrer nicht unter Kontrolle bringen lassen.

Viele Lehrkräfte fühlten sich „in diesen Situationen körperlich bedroht und zahlenmäßig unterlegen“.

Was klingt wie die Schilderung aus einer US-Strafanstalt für Schwerverbrecher, ist ein Erfahrungsbericht aus der Friedrich-Bergius-Schule im Berliner Ortsteil Friedenau. Der sieben Seiten lange Brandbrief an die Schulverwaltung, zu dem sich Lehrer und Eltern jetzt gemeinsam durchgerungen haben, erinnert an den Fall der Neuköllner Rütli-Schule. Dort hatten die Lehrer – ebenfalls wegen unhaltbarer Zustände – im Jahr 2006 einen dramatischen Hilferuf veröffentlicht.

Der neue, aktuelle Fall zeigt: Seitdem ist alles nur noch schlimmer geworden.

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Die Friedrich-Bergius-Schule ist eine sogenannte „Integrierte Sekundarschule ohne gymnasiale Oberstufe“ mit etwa 400 Schülern. Über 80 Prozent von ihnen sprechen zu Hause eine andere Sprache als Deutsch. Aber Friedenau gilt, anders als das berüchtigte Neukölln, nicht als Problembezirk (jedenfalls bisher nicht). Und anders als damals die Rütli-Schule, ist die Friedrich-Bergius-Schule in den vergangenen Jahren auch nicht negativ aufgefallen. im Gegenteil:

Im Jahr 2005 führte der damals neue Schulleiter Michael Rudolph enorm strenge Regeln ein. Anfangs wurde er dafür belächelt, dass er Zuspätkommen und respektloses Verhalten wie etwa das Ausspucken von Kaugummis konsequent bestrafte. Der Berliner Boulevard nannte ihn bald durchaus anerkennend „den härtesten Schulleiter Berlins“.

Sein Konzept erklärte Rudolph zusammen mit der angesehenen Bildungsjournalistin Susanne Leinemann 2021 in dem Buch „Wahnsinn Schule“. Und der Ansatz war erfolgreich: Die Schule wurde bei Lehrern, Eltern und auch Schülern immer beliebter und galt bald als Modell.

Nur nicht bei den Berliner Bildungspolitikern und ihren folgsamen Beamten in der Schulaufsicht.

Aufgeschreckt durch die Erfolgsberichte, schickte die Schulaufsicht vor sechs Jahren sogenannte Schulinspekteure zu Rudolph. Die konnten zwar an den konkreten Zahlen nicht vorbei: geringe Schulschwänzer-Rate, wenig Unterrichtsausfall, wenig Gewalt, hohe Zufriedenheit bei Schülern, Lehrern und Eltern, ein sehr gutes Klima und eine hohe Nachfrage – also exakt jene Punkte, die die damalige Schulsenatorin Sandra Scheers (SPD) öffentlich als „wichtigste Indikatoren für eine gelingende Schule“ vorgestellt hatte.

Trotzdem bekam Rudolph eine extrem schlechte Note. Und seiner Schule wurde attestiert, sie benötige dringend „Hilfe von außen“. Der Grund: Der Schulleiter halte sich nicht an die „vorgegebenen Prozesse“ und lege zu wenig Wert auf „Partizipation“.

Mit anderen Worten: Die Inspekteure waren sauer, weil da ein Schulleiter mit gesundem Menschenverstand tolle Ergebnisse erzielte.

Auch nach seiner Pensionierung äußert sich Rudolph, ganz loyaler Beamter, maximal zurückhaltend. Er könne sich daran erinnern, dass er und sein damaliges Kollegium sich „oft von der Schulaufsicht nicht unterstützt fühlten“. Das ist, höflich gesagt, die Untertreibung des Jahres: Denn trotz seiner exzellenten Bilanz wurde Rudolph von der Schulaufsicht seinerzeit geradezu gemobbt. Und trotz flehentlicher Bitten der Eltern wurde sein Angebot, über die Pensionsgrenze hinaus tätig zu sein, brüsk zurückgewiesen.

Das Ergebnis sieht man jetzt.

Der Brandbrief von Lehrern und Eltern spricht auch von massivem Mobbing. Auf den Jungs-Toiletten urinieren Schüler regelmäßig absichtlich neben die Schüsseln, der Gestank ist mittlerweile bestialisch. Vor allem Mädchen haben chronisch Angst davor, „in kompromittierenden Situationen von Schulkameraden fotografiert oder gefilmt zu werden, die kurzzeitig und überraschend ihre Handys (deren Benutzung in der Schule verboten ist) unterhalb oder oberhalb der Trennwand in die Nebenkabine halten und abdrücken“.

Die Täter sind auch sonst übergriffig. Nachbarn im Umfeld der Schule beschweren sich praktisch täglich. Ein Supermarkt in der Nähe hat gleich mehreren Schülern nach wiederholten Zwischenfällen Hausverbot erteilt.

Die Ursachen sind jedem bekannt. Aber die Berliner Politik und die Berliner Verwaltung leugnen sie seit Jahren beharrlich.

Die Schulverwaltung schickt immer öfter und immer mehr Kinder aus prekären Verhältnissen an die Friedrich-Bergius-Schule. Das sind überwiegend Flüchtlinge – oder andere Kinder und Jugendliche, die kaum oder gar kein Deutsch können. Meistens gilt Letzteres. So kommen immer mehr Schüler in die siebten Klassen, die die Ansprüche einer weiterführenden Schule „in keiner Weise erfüllen können“.

Von den 2023 aufgenommenen Siebtklässlern konnten 70 Prozent „keine analogen Uhren mehr lesen“.

Die Schulaufsicht hilft aber nicht etwa, sondern tut das Gegenteil: Gerade erst hat das für den Ortsteil Friedenau zuständige Schulamt Tempelhof-Schöneberg der Friedrich-Bergius-Schule eine Turnhalle kurzerhand gestrichen und die Kapazitäten dem nahe gelegenen Rückert-Gymnasium gegeben. Berlin hat nämlich entschieden, dass der Sportunterricht für Jungen und Mädchen getrennt erfolgen muss: um die Teilnahme muslimischer Mädchen zu fördern.

Das funktioniert, wenn man immer jeweils zwei Parallelklassen zusammen unterrichtet. Aber um das zu organisieren, braucht man genügend Lehrer und genügend Hallenzeiten. Beides hat Berlin nicht. Die fehlende Turnhalle führt an der Friedrich-Bergius-Schule nun dazu, dass der Stundenplan aufwändig umgeschrieben werden muss. Darunter leidet der Unterricht zusätzlich. Das Kollegium beklagt in dem Brandbrief, dass es „zu 65 Prozent mit bürokratischer Erziehung beschäftigt und nur zu 35 Prozent mit faktenorientiertem Unterricht“ ist.

„Der Brief zeigt ungeschminkt, wie es an der Schule zugeht. Es brennt lichterloh“, sagt Gesamtelternsprecher Andreas Thewalt.

Allein in den ersten 38 Tagen dieses Schuljahres gab es über 1.500 Klassenbucheinträge. In Worten: eintausendfünfhundert. Über 500-mal mussten Schüler während des Unterrichts zu Sozialpädagogen geschickt werden. Die Lehrer haben unzählige sogenannte Schulversäumnisanzeigen und viele, viele Kinderschutzmeldungen an das bezirkliche Jugendamt geschickt. Im gesamten Schuljahr 2023/24 wurde davon beantwortet: eine (1). Kein Schreibfehler.

Das dürfte daran liegen, dass die Bezirkspolitiker weitgehend mit sich selbst beschäftigt sind. Das Schul- und Sportamt hat seit anderthalb Jahren (!) keinen Leiter. Die Stelle war viermal ausgeschrieben. Angeblich fand sich kein Bewerber. Doch im Bezirksamt ist es ein offenes Geheimnis, dass der Posten wegen Streitereien zwischen den Parteien nicht besetzt wurde.

Der Friedrich-Bergius-Schule widmet die Schulaufsicht ihre Aufmerksamkeit jetzt dadurch, dass sie dieselbe Schulinspektion schickt, die schon im Jahr 2018 so fundamental versagt hatte und „Prozesse“, also Ideologie, vor Ergebnisse stellte.

Vielleicht ist es ja aber eben doch besser, wenn Schule nicht „Kompetenzen“ vermittelt, sondern Wissen.

Etwa 700 Lehrer fehlen in der Hauptstadt. Der Senat will gegensteuern, indem er wieder mehr Lehrer verbeamtet. Das soll den Job attraktiver machen. Es ist dieses typische, beschränkte, muffige Verwaltungsdenken, das Berlin schon seit ewiger Zeit ruiniert. Tatsächlich liegt es natürlich wenig am Geld und noch weniger am Beamtenstatus, weshalb fast kein Lehrer mehr nach Berlin will.

In Wahrheit haben dort die linken Ideologen aller Parteien mittels einer absurden Bildungspolitik für jeden ernstzunehmenden Pädagogen so verheerende Arbeitsbedingungen geschaffen, dass halt einfach jeder nicht völlig Verblödete nur noch einen großen Bogen um die Stadt machen kann. Allein im vergangenen Jahr haben 952 Lehrer an Berliner Schulen ihre Arbeitsverträge gekündigt.

Niemand will täglich mit vollen Wasserflaschen beworfen werden – auch nicht als Beamter.

 

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Kommentare ( 105 )

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AlNamrood
1 Monat her

Schulen unterhalb des Gymnasiums sind nichts weiter als Aufbewahrungsstätten für unterbeschäftigte Kinder, ähnlich den „Inner City Schools“ in Amerika. Es geht nicht um Bildung oder Erziehung, es geht darum die Deppen ein paar Stunden von der Straße fern zu halten. Hat die deutsche Lehrerschaft nur noch nicht kapiert.

Boris G
1 Monat her

Früher hatten die Schüler vor den Lehrern Angst, heute fürchten sich die Lehrer vor den Schülern. Das ist das Ergebnis egalitär-behavioristischer Pädagogik seit fast zwei Generationen. Einziger Trost: Diejenigen „Pädagogen“, die jetzt heulen, haben mit ihren utopischen Konzepten (Totalinklusion, usw.) genau die Vorhölle geschaffen, in der sie jetzt schmoren dürfen. Bitte noch mehr Feuer!

giesemann
1 Monat her

„Trotzdem bekam Rudolph eine extrem schlechte Note. Und seiner Schule wurde attestiert, sie benötige dringend „Hilfe von außen“. Der Grund: Der Schulleiter halte sich nicht an die „vorgegebenen Prozesse“ und lege zu wenig Wert auf „Partizipation“. Was sind diese „Prozesse“? Warum wirft er nicht den ganzen Bettel den Idioten vor die Füße? Und die Lehrerschaft gleich mit. Sollen sie es sich doch selber machen.

jansobieski
1 Monat her

So sieht es aus, wenn das Zusammenleben täglich neu ausgehandelt werden muss. In meinem Bekanntenkreis befinden sich mehrere Personen, die nach erfolgreichem Abschluss des Studiums zum Lehramt Grund-, Haupt-,Realschule den Beruf nie ausgeübt, sondern gleich was anderes gemacht haben. Sie werden wissen warum. Cooles Studium mit viel Freizeit, aber der Alltag schreckt dann doch ab.

Autour
1 Monat her

Na wie wär es denn mit ein paar Stuhlkreisen?
Funktioniert das Namen tanzen nicht mehr? Sowas aber auch… mein Mitleid hält sich in Grenzen sind die Lehrer doch der Beginn der Ökofaschistischen Indoktrination!
Seit Generationen wird Unfung wie Waldsterben, Ozonloch, Sauerer Regen nun die CO2 -Lüge unterrichtet (man sollte sich mal die Physikklausuren in Sachsen ansehen! 100% Propaganda 0% Physik!) anstatt sich auf das wesentliche zu konzentrieren…

Juergen P. Schneider
1 Monat her

So ändern sich die Zeiten. Es gab ganze Generationen von Schülern in unserem Land, die Angst hatten vor gewalttätigen Lehrern. Dann kamen Zeiten, in denen man relativ stressfrei zur Schule gehen konnte. Heute zeigen sich die Segnungen links-grüner Migrationspolitik von Merkel und Scholz, die von einer großen Mehrheit des Lehrpersonals in Gaga-Land frenetisch begrüßt wurden. Die einstigen Bahnhofsklatscher und Teddybär-Werfer machen heute dumme Gesichter und das Gejaule ist groß. Man kann nur hoffen, das mit dem Gejammer auch ein Bewusstseinswandel einhergeht. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Montesquieu
1 Monat her

Früher nannte man so eine Einrichtung „Heim für schwer Erziehbare“, heute nennt man das „Schule“ und die Zöglinge dürfen „zu Hause“ nächtigen. Die Zeiten ändern sich halt.
Schön übrigens, dass auch das migrationsbegeisterte indigene Kernmilieu jetzt seine Kinder an dem historisch einmaligen Experiment einer Masseneinwanderung ethnokulturell fremder Menschen teilhaben lässt. Das finde ich konsequent und ehrenhaft.

Timur Andre
1 Monat her

Wer heute noch Beamter wird aufgrund einer Pension, sollte selber auf die Sonderschule. Spahn vor 5 Jahren „2035 wissen wir nicht, wie die Renten bezahlt werden sollen“ Damit wackeln auch die Pensionen, gegen Rentner wird keine Partei durchkommen.
Heute, Deindustralisierung, und damit bricht die Steuerbasis weg, wir schauen einfach mal 3 Jahre voraus….

Delegro
1 Monat her

Wer will als Lehrer schon in Berlin arbeiten. Mit einer politischen Führung der die eigene Karriere wichtiger ist als die Bevölkerung. Sie versagen an jeder Stelle. Jeden Tag von Neuem. Einsicht. Fehlanzeige. Und wenn dann mal jemand aufsteht und die Dinge durch Engagement und unpopulären Maßnahmen ändert, ist er der Böse. Den seine Erfolge passen nicht in das Weltbild dieser Versagertruppe. Der Gute wir dann ganz schnell der Böse und wird bekämpft. Wie jeder, der sich diesem Schwachsinn widersetzt. Wenn unser Weg nicht zum Ziel führt, dann kann es auch kein anderer sein. Unfassbar!

Schwabenwilli
1 Monat her

Soso und wieviele dieser Brandbrief schreibenden Lehrer haben linksrotgrün gewählt?
Schule ohne Rassismus bejubelt?
Fff Demos organisiert?

Bestellt und bekommen, warum die Beschwerde?