Die CDU hält die Grünen in der Rolle des politischen Taktgebers

Keine Koalition ohne die Grünen. Die anderen Parteien suchen Auswege aus dieser strategischen Sackgasse. Wie jetzt in Berlin. Doch egal, zu welchen Konstellationen es kommt - die Politik bleibt grün-links. Der CDU wegen.

IMAGO / M. Popow, NurPhoto - Collage: TE

Franziska Giffey hat viele Gründe geliefert, sie politisch gering zu schätzen. Doch eins muss man der noch amtierenden Bürgermeisterin Berlins lassen: Sie hat auf die Fortsetzung einer Koalition mit Grünen und Linken verzichtet, obwohl diese ihr ein Verbleiben im Amt ermöglicht hätte. Das ist ein Vorgang, der in der politischen Landschaft seinesgleichen sucht.

Der Schritt der Berliner Sozialdemokraten ist umso bemerkenswerter, da dieser in der Partei umstritten war. Basis und Jugend warben dagegen. Es waren die Funktionsträger, die sich letztlich knapp durchgesetzt haben. All die Abgeordneten also und ihre Mitarbeiter, die Staatssekretäre, politischen Beamten und Sonderbeauftragten, deren eigene materielle Existenz vom Verbleiben in der Regierung abhängt und die mittlerweile in den Parteien immer stärker das Sagen haben.

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Inhaltlich war es nicht einmal ein allzu großer Stretch für die Berliner Sozialdemokraten. Die CDU war in den Koalitionsverhandlungen entgegenkommend bis zur Selbstaufgabe. Von Mindestlohn-Initiativen bis hin zu einem Personal, das nicht nach Leistung sondern Herkunft und Geschlechtsteilen ausgesucht wird, trägt die Berliner CDU eine linke Agenda mit. Doch es war eben der Machtaspekt, der den Schritt der SPD bemerkenswert macht: der Verzicht auf Bürgermeisteramt und Richtlinienkompetenz.

Doch die Sozialdemokraten in der Hauptstadt haben damit ganz bewusst eine Tür aufgestoßen für den Rest ihrer Partei. Nach der eigenen schwachen Bundestagswahl von 2013 und dem Ausscheiden der FDP aus dem Parlament gab es innerhalb der Grünen offene Diskussionen darüber, die Lücke der FDP schließen zu wollen. Federführend dabei war die damalige Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Inhaltlich scheiterte die Initiative grandios, etwa mit dem Mega-Flop Freiheitskongress.

Strategisch indes gelang Göring-Eckardt ein Meisterstück. Sie öffnete die Grünen stärker, als bis 2013 üblich, für Koalitionen mit der CDU. Offen zur Linkspartei waren die Grünen schon vorher. Damit übernahmen sie nun die Rolle des Züngleins an der Waage, die vorher der FDP gehörte. Mit zwei gravierenden Folgen: In Deutschland kommt kaum noch eine Koalition ohne die Grünen aus. Und weil das so ist, kann es sich in den anderen Parteien kaum einer leisten, sich offen gegen die Grünen und ihre Positionen zu stellen, weil er sich dann im Fall einer Koalition Chancen verbauen würde. Das hat die Partei, die außerhalb Baden-Württembergs überall unter 20 Prozent bleibt, zu dem Taktgeber der deutschen Politik gemacht. Ihre Anhänger bei ARD, ZDF, TAZ, FAZ, Süddeutscher Zeitung und Co taten ein Übriges.

Allerdings zeigt sich jetzt, wie problematisch für das Land die Rolle der Grünen als Taktgeber ist: Ihre Politik ist kein „Narrativ“ mehr, keine schöne Erzählung, die man Kindern und Kindgebliebenen abends erzählt, damit diese sich besser fühlen. Ihre Politik sind jetzt funktionierende Heizungen, die trotzdem ausgetauscht werden müssen. Sanierungen, die faktisch zu Enteignungen werden. Lebensmittel und Strom, die nicht mehr bezahlbar sind. Arbeitsplätze, die wegen dieser Stromkosten verloren gehen. Straßen und Brücken, die verfallen. Wege zum Arbeitsplatz, die versperrt sind.

Grün muss man sich leisten können
Trotz massiver Medienunterstützung nehmen die Grünen nicht zu
40 Prozent haben in einer Umfrage erklärt, die Grünen seien die Partei, die sie auf keinen Fall wählen würden, die AfD kommt in Umfragen auf 15 Prozent. Für die demokratische Kultur bedeutet das ein Riesenproblem: Die Wähler, die auf keinen Fall die Grünen wollen, aber für Parteien stimmen, die mit eben diesen Grünen in eine Koalition gehen, beträgt statistisch gesehen 25 Prozent. Jeder vierte Deutsche will also die Grünen ausdrücklich nicht, bekommt sie aber als Koalitionspartner durch die Hintertür gereicht. Das sorgt für Frust.

Im linken Lager hat die SPD das erkannt. Nicht nur in Berlin wissen Sozialdemokraten, was es heißt, arbeitenden und Steuer zahlenden Wählern erklären zu müssen, warum sie Strom und Lebensmittel nicht mehr zahlen können – und kommt Robert Habeck durch – warum sie ihre Rücklagen oder gar ihre Häuser wegen des Zwangsheizungstauschs verlieren werden. Auch der FDP dämmert das. Zumindest verbal. Die Liberalen haben sich auf dem Parteitag am Wochenende per Leitantrag zum Gegenentwurf der Grünen erklärt.

Fast die Hälfte der Deutschen will pauschal auf keinen Fall grüne Politik. In den konkreten Einzelfragen sprechen sich noch mehr Bürger gegen grüne Positionen aus. Bei SPD und FDP dämmert es, welch ein vergiftetes Geschenk die Zusammenarbeit mit den Grünen ist. Kommt es also bundesweit zu einem Kurswechsel? Nein. Warum nicht? Die Antwort ist kompliziert, aber auch wieder einfach: die Machtgeilheit der CDU.

Nach 16 Jahren Angela Merkel sind die Eliten der Partei korrupt genug, dass ihnen ihr eigenes Fortkommen heute wichtiger ist als der Zustand des Landes morgen. So hat Mutti im Amt überdauert, so wollen sie das auch machen. Und durch ihre Funktion als Zünglein an der Waage können die Grünen das den Christdemokraten auch versprechen: Würden die aktuellen Umfragen tatsächlich umgesetzt, käme es im Bundestag zu einer schwarz-grünen Regierung – zur Not auch mit Friedrich Merz als Kanzler. Inhaltlich stehen der Merzkel-CDU keine Grundsätze mehr im Weg. Das haben die Schwarzen Genossen aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zu genüge gezeigt.

Unklar ist, was in Berlin Franziska Giffey im Innersten bewogen hat, auf das Amt der Regierenden Bürgermeisterin zu verzichten: War es ein inhaltliches Verantwortungsgefühl, dann gebührt ihr Lob. War es aber das Wissen darum, dass ihr vielleicht die Grünen von der Angel gesprungen wären, um selbst mit der CDU zusammen zu arbeiten? Dann wäre Giffey erstaunlich hellsichtig gewesen – und bemerkenswert konsequent.

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Kommentare ( 59 )

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Andreas aus E.
1 Jahr her

Wahlen können nichts mehr ändern.“

Immer wieder dieser völlig, Verzeihung, wenn ich das so drastisch sage, komplettschwachsinnige Spruch.
Natürlich bewirken Wahlen etwas. Ohne Wahlen wären „Grüne“ niemals in Ämter gekommen, weder in Politik noch im Rundfunk und auch nicht bei Kirchen oder sonstens relevanten Organisationen.

Die dürften sich ins Fäustchen lachen über jeden der behauptet „Wahlen können nichts mehr ändern.“

alter weisser Mann
1 Jahr her
Antworten an  Andreas aus E.

In der Parteiendemokratie ist die Änderungschance durch Wahlen doch arg begrenzt. Der Block der „Demokraten“ aka Nationale Front 2.0 steht, es sieht demokratisch aus, man hat aber alles inkl. der wesentlichen Medien in der Hand und wird im Zweifel durch Regeländerungen alles in der Hand behalten.

Andreas aus E.
1 Jahr her

„Franziska Giffey hat viele Gründe geliefert, sie politisch gering zu schätzen.“ Nein, das hat sie eben nicht. Politisch war und ist die eben nicht gering einzuschätzen, sondern Spitzenklasse – andernfalls hätte sie es kaum ins Spitzenamt der Hauptstadt geschafft. Politisch, wohlgemerkt. In allen anderen Kategorien natürlich eher Bankdrückerin der B-Mannschaft eines Randsportvereins. Das ist so Resterampe der SPD, die Partei hat nichts mehr, allenfalls so eine Frau Doktor Plaggy, das Finale ist eingeläutet. Daß die Union mit so einer nun ins Regierungsbett steigt, ist bezeichnend. Aber nicht unbedingt für Frau Dr. Plag, die mag halt ihre Pfründe, sondern für die… Mehr

Vision-ost
1 Jahr her

Noch nie hat eine angeblich demokratische Partei soviel ökonomische Schäden angerichtet wie diese grüne Partei. Die Berliner haben diese Schande für Deutschland als Vorzeige Stadt erkannt. Ich möchte da noch einen daraufsetzen. Erst wenn diese, vorsätzlich Deutschland zerstörerische Partei unter 5% Stimmen erhält, wird es in unserem Land wieder nach oben gehen. Denn wer mit “Grün” koaliert oder toleriert, der stets verliert! Es kann und darf nicht sein, immer den “Zweiten” Schritt vor den “Ersten setzen zu wollen! So kann man nur Angst und Schrecken erzeugen, was Weltweit erkannt und deshalb Deutschlands Politik verhöhnt wird. An den Schulden, die unsere… Mehr

Fritz Goergen
1 Jahr her

Stammwähler heißt nur, dass diese immer wählen und immer dieselbe Partei. War in der alten Bundesrepublik nie ein Gütesiegel, sondern nahe an „Stimmvieh“.

RauerMan
1 Jahr her

Die Union kann sich schlichtweg keine Koalition mit der AfD erlauben, weil die Wähler dann gleich das Original wählten könnten.

mmueller
1 Jahr her

Das eigentliche Problem ist die AfD. Dadurch, dass SPD und CDU jeweils kategorisch ausgeschlossen haben, mit ihr in irgendeiner Form zu kooperieren, und sei es nur durch Duldung, sind beide Parteien zur Bildung von Koalitionen – abgesehen von einer großen Koalition – auf die Grünen angewiesen. Für unser Land verheerend. Eventuell sollte mal intensiver über eine Zusammenarbeit mit der AfD nachgedacht werden. Man könnte sie ja im Falle des Scheiterns wieder beenden.

J. Braun
1 Jahr her
Antworten an  mmueller

Bei Ihnen stimmen Ursache und Wirkung nicht. Nicht die AfD ist das Problem, sondern der Umgang der CDU und der FDP mit dieser Partei. Daß die SPD mit ihren Genossen bei den Grünen und der SED besser kann, als mit Bürgerlichen ist kein Wunder.

ketzerlehrling
1 Jahr her

Merkels dressierte Pudel sind noch zahlreich vertreten und die bestimmen den Weg nach unten der Union.

Lee Bert Aire
1 Jahr her

Es ist ja nicht nur so, dass Wähler, die auf keinen Fall grüne Politik wollen, die Grünen trotzdem über eine Koalition bekommen. Es ist auch noch so, dass die Wähler immer grüne Politik bekommen, auch ohne Regierungsbeteiligung der Grünen. Dies veranschaulicht das im Artikel dargestellte Beispiel Berlins.

Thorsten
1 Jahr her

Giffey hat wohl eine Vorstellung davon, dass Berlin keine weitere rot-grüne Regierung verträgt und jetzt erst mal eine Kernsanisierung fällig ist, die sie lieber der CDU überlässt.
Der Autor erkennt langsam, dass die CDU das Problem ist. Das war 2015 bzw beim Atomausstieg schon zu erkennen,

Reiterhofer
1 Jahr her
Antworten an  Thorsten

Leider erkennen dies immer noch viel zu wenige CDU-Stammwähler.

bani
1 Jahr her

In der DDR Volkskammer waren die Genossen von der CDU noch schlimmer als die SED Bonzen. Und die CDU ist heute wieder Teil der großen grünen linksextrem kommunistischen Einheitsfront. Ganz vorn der machtgeile Merz der mit dem Charisma eines Altenheimbewohners seine letzte Chance vor dem Rollator nutzen will. Null Unterschied mehr bei den Positionen der CDU und den Grünen. Dieser Staat hat fertig, man kann nicht dauerhaft gegen jeden ökonomischen Grundsatz verstoßen und alles mit Ideologie zukleistern.

Last edited 1 Jahr her by bani