Berlin: Antisemitischer Schläger erhält drei Jahre Haft

Drei Jahre Haft für einen Angriff, den der Staatsanwalt als „antisemitischen Exzess“ beurteilt. Der Richter ging über das geforderte Strafmaß hinaus. Die Frage ist, ob in einem weniger prominenten Fall genauso geurteilt worden wäre. Genau besehen ist auch diese Strafe zu lasch.

picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka
Mustafa A. mit seinem Rechtsanwalt, Kriminalgericht Moabit, Berlin, 08.04.2024

Das Urteil im Berliner Schlägerprozess ist gefallen. Es wurden drei Jahre Haft für den ehemaligen Lehramtsstudenten Mustafa A., der seinen damaligen Kommilitonen Lahav Shapira vor einer Bar in Berlin-Mitte ohne große Umschweife angriff, niederschlug und dann noch einmal nachtrat. Shapira trug eine Gehirnblutung und eine komplexe Mittelgesichtsfraktur davon, derentwegen er mehrmals operiert werden musste. Mit dem Urteil ist Shapira zufrieden, mit der Entschuldigung A.s nicht.

Denn Mustafa A. soll gelächelt haben, als er sich angeblich bei Shapira entschuldigen wollte. Nun gibt es viele Gründe zu lächeln, aber auch der Wortlaut ist eindeutig: „Es tut mir leid, dir Schmerzen zugefügt zu haben.“ Ebenso tue ihm leid, „dass dieser Fall instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen“. Das sei nie sein Ziel gewesen. Laut Shapiras Schilderung und der anderer Augenzeugen hatte es kein Zögern von Seiten Mustafa A.s gegeben. Nach sehr kurzer Ansprache hielt A. Gewalt für die angemessene Umgangsweise. Jetzt versuchte er, seine Schuld mit anderen Faktoren (der angeblichen Instrumentalisierung des Falls) aufzuwiegen. Dass seine Tat als so schlimm erscheint, daran sollen auch die anderen mit schuld sein.

Shapira hatte sich zuvor an der Freien Universität, wo auch er – wie damals noch A. – auf Lehramt studiert, gegen antisemitische Plakate und Äußerungen in einer Whatsapp-Gruppe eingesetzt. Vor Gericht wurde ein rasant geschnittenes Video gezeigt, in dem Shapira solche Plakate (etwa mit dem Slogan „From the River to the Sea“) herunterriss. Die Verteidigung ließ das mit Musik unterlegte Video vorspielen – doch das war nicht zu ihrem Nutzen. Laut dem vorsitzenden Richter wirkte dieses „Beweismittel“ sogar strafverschärfend, weil es wohl den Mangel an Einsicht beim Angeklagten wie auch bei seinem Rechtsbeistand zeigte.

Andere bekamen Bewährungsstrafen wegen „guter Integration“

Außerdem sei Mustafa A.s Geständnis nicht von Schuldeinsicht und Reue geprägt gewesen, sondern verdankte sich vielmehr nur einer „Salamitaktik“, so der Richter weiter in seiner Begründung des Strafmaßes, das deutlich über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausging. Zugegeben wurde also immer nur das, was nicht mehr abzuweisen war. Viele Indizien sprechen für eine schwere Schuld Mustafa A.s. So wurde ein Snapchat-Video auf seinem Smartphone gefunden, das den Tatort zeigt, auch den niedergeschlagenen Lahav Shapira, mit der Aufschrift: „Musti hat den Judenhurensohn totgeschlagen. Polizei full hier.“

Für Staatsanwalt Tim Kaufmann stand fest, dass es sich um einen „antisemitischen Gewaltexzess“ handelte: „Lahav Shapira wurde angegriffen, weil er Jude ist und sich gegen Antisemitismus einsetzte.“ Ein Augenzeuge der Tat hatte den Eindruck mitgeteilt, dass A. sein Gegenüber, also Lahav Shapira, in diesem Moment geradezu vernichten wollte. Kaufmann hatte eine Strafe von zwei Jahren und vier Monaten gefordert. Die Frage ist, ob in einem weniger prominenten Fall genauso scharf geurteilt worden wäre. Der Berliner Prozess wurde immerhin vom Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung beobachtet. Der Richter Sahin Sezer stellte fest, dass das Urteil auch deshalb besonders hart sein müsse, um dem wachsenden Judenhass in Deutschland entgegenzutreten. „Generalpräventiv“ nennt sich dieser Ansatz,

Oft lassen sich aber auch Richter auf die Säuseleien eines zerknirschten Angeklagten ein. Man denke nur an den afghanischen Vergewaltiger Mohammad M. aus Regensburg, der angeblich auf einem guten „Integrationsweg“ war. Für die Vergewaltigung einer Sechzehnjährigen gab es so eine Bewährungsstrafe von 22 Monaten. Übrigens bot der Angeklagte hier wie da dem Opfer freiwillig Geld an, um den Schaden „wiedergutzumachen“. Auch Shapira lehnte die angebotenen 5500 Euro von Mustafa A. ab.

Lehramtsstudenten?

Der türkischstämmige Richter fand das „Herumwedeln mit Cash“ laut der Welt auch eher „ungeschickt“. Den Verurteilten sieht er aber letztlich als „Produkt dieser Gesellschaft“, nicht einer spezifischen Parallelgesellschaft. Mustafa A. sei offenbar kein besonders frommer Muslim, lebe in „wilder Ehe“ und habe schon Cannabis geraucht, angeblich auch mehrere Selbstmordversuche unternommen. Die „Projektionen“ in den Medien, dass seine Tat etwas mit seinem Muslimsein zu tun habe, seien belastend für A. gewesen. Also doch mildernde Umstände? Denn das Video auf dem Handy des Täters beweist eigentlich eine Mordabsicht, was eine noch viel härtere Strafe erfordert hätte. Vielleicht sah der Richter das nicht als bewiesen an. Aber lässt sich daran zweifeln?

Die Chats, in denen Shapira als Moderator zur Zielscheibe geworden war, kommentierte der Richter entgeistert. Shapira wurde darin als „Hurensohn“, „Hund“ und „Zionist mit Größenwahn“ bezeichnet. Der Richter fragte erstaunt: „Das sind alles Lehramtsstudenten?“

Es gibt also wenig zu Lachen, auch nach diesem Urteil nicht. Mustafa A. hat Reue nur wegen des Schauwerts gezeigt. Sein Anwalt fand offenbar, dass das vorherige Verhalten Shapiras die heftige Gewalttat rechtfertigen könnte. Das war ein Fehlschluss. Der Täter, der sich zuvor selbst an seiner Uni exmatrikuliert hatte, da ein Hausverbot gegen ihn verhängt wurde, wurde eingebremst und kann in drei Jahren Haft über seinen Fehler nachdenken. Allerdings wird er sie wohl nicht vollständig absitzen müssen, sondern – wie so viele andere – vorzeitig entlassen werden. A. wurde in Berlin als Kind libanesischer Eltern geboren und ist zwischenzeitig nach München gezogen.

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Kommentare ( 24 )

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Karl Renschu
2 Monate her

An dieser Stelle werfe ich ein, dass es eines solchen Richters bedurfte, um einen Freispruch zu verhindern…

(Doische Nahsi-Richter gibt es nicht mehr)

Ein Mensch
2 Monate her

Sind denn die anderen Studenten, die in die Chats involviert waren, ebenfalls bestraft worden? Sind die alle exmatrikuliert worden? Oder werden solche Individuen irgendwann mal tatsächlich als Lehrer auf Kinder losgelassen? Wenn ja, dann würde ich als Jude langsam mal das Weite suchen, dann ist die nächste Kristallnacht nicht mehr weit.

Vati5672
2 Monate her
Antworten an  Ein Mensch

Es gibt von jüdischer Seite keine großen Proteste gegen die Masseneinwanderung hptsl. aus islamischen Ländern. Mir ist kein halbwegs prominenter Jude in D. bekannt der sich ablehnend äußert. Ihnen?
Darf ich mir mehr Sorgen um Deutsche machen? Wir sind sehr viel mehr,
haben kein 2tes Land und müssen zu 80% hier bleiben.

Montgelas
2 Monate her

Ich finde ebenfalls, dass die Strafe, angesichts der eingestandenen Tötungsabsicht, um einiges zu gering ausgefallen ist. Man denke nur an die sieben Monate Bewährung in Bamberg für eine hochgejazzte Politikerbeleidigung. Die Augenbinde der Justizia ist noch immer verrutscht.

Kassandra
2 Monate her
Antworten an  Montgelas

Bei vielen anderen Delikten, die ebenfalls aus solchem Grunde, dem Chip im Kopf, in die Wege geleitet sind, kapriziert man sich ja bei Untersuchungen wie vor Gericht darauf, dass der Täter psychische Probleme habe. Und die „Stimmen im Kopf“ werden erst gar nicht als die seit Kindheit eingebläuten Suren erkannt – sondern mit ICD-Codes versehen.
Ein fatales Ausnutzen des hiesigen Systems zu unserem Schaden, auch das.

MarcusPorciusCato
2 Monate her

3 Jahre fasst man auch für eine mittlere Steuerhinterziehung aus.
Diese Strafe ist ein Witz für ein vorsätzlich, hinterlistig und äußerst brutal begangenes Kapitalverbrechen.
Welche mildernden Umstände wurden berücksichtigt? Dass er ein Judenhasser ist?

greenout
2 Monate her

Wäre das Urteil bei einem „rechten“ Täter auch so hart ausgefallen

ceterum censeo
2 Monate her
Antworten an  greenout

Hartes Urteil? Schwerste Körperverletzung (Tritt gegen den Kopf?) mit Vorsatz? Inkaufnahme evt. bleibender Schäden oder sogar schwere Körperverletzung mit Todesfolge (kann bei Gehirnblutung passieren)? Da sind drei Jahre billig!

greenout
2 Monate her
Antworten an  greenout

Bitte nicht falsch verstehen mein Kommentar war war zynisch gemeint

Last edited 2 Monate her by greenout
Kassandra
2 Monate her

Ich fand den Fall deshalb interessant – weil vor einem deutschen? Gericht nach deutschem? Recht Richter, Anwalt wie Angeklagter als Unterworfene? die Sache haben regeln dürfen: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/ag-berlin-tiergarten-264ls102424-urteil-haft-shapira-angriff-antisemitisch
Hat mich schon gewundert in London, als der 2. Prinz eine Anwältin nahm, die mit Schleier auftreten durfte: https://www.welt.de/vermischtes/prominente/article255895352/Prozess-um-Polizeischutz-Royale-Diskriminierung-Prinz-Harry-beklagt-ungerechtfertigte-Behandlung.html

Autour
2 Monate her

Wieder einmal ein Urteil das das Opfer verhöhnt!!!!
In deutschen Gerichten gibt es KEINE gerechten Urteile mehr und schon gar keine Urteile im Sinne des Volkes!
Wenn man bedenkt, dass man diese Attacke als MORDANSCHLAG werten MUSS das niedere Beweggründe ect. pp. ist dieses Urteil der reinste HOHN!
Ich sage nur 10 Jahre für einen Böller an einem….

Autour
2 Monate her

Wieder einmal ein Urteil das das Opfer verhöhnt!!!!
In deutschen Gerichten gibt es KEINE gerechten Urteile mehr und schon gar keine Urteile im Sinne des Volkes!
Wenn man bedenkt, dass man diese Attacke als MORDANSCHLAG werten MUSS das niedere Beweggründe ect. pp. ist dieses Urteil der reinste HOHN!
Ich sage nur 10 Jahre für einen Böller an einem Tempel des Menschenhasses!!!!!

ceterum censeo
2 Monate her
Antworten an  Autour

In deutschen Gerichten gibt es KEINE gerechten Urteile mehr…“ Vor deutschen Richtern bekommen Sie ein Urteil, kein Recht! Das ist aber schon länger so. 68 lässt grüßen…

CasusKnaxus
2 Monate her

Man wundert sich, warum so was noch hier leben und studieren darf. Dreimal Kost & Logis am Tag auf Kosten des deutschen Steuerzahlers. Wahnsinn. Einfach in den Flieger und tschüss. Und den Rest der Bagage vom Wh..tsscheißApp-Haßkommentatoren kann auch gleich mit…Eine Transall Maschine wird wohl nicht reichen…

Manfred_Hbg
2 Monate her

Zitat: „Allerdings wird er sie wohl nicht vollständig absitzen müssen, sondern – wie so viele andere – vorzeitig entlassen werden.“ > Wenn sich der Verurteilte im Knast weitgehen ruhig und vernünftig verhält, wird auch er nach 2 Jahren wieder auf freien Fuß sein. Während er zuvor aber sicherlich auch schon sog. Freigänge zur Eingewöhnung bekommen hatte. Die in diesen Fall nur drei Jahre Haftstrafe finde auch ich ein büttel wenig wenn man hier mal, a) an die schwere Verletzung, b) an sein antisemitisches Gedankengut und c) das er Kampfsport betrieben hat, denkt. Hier wären ein Jahr mehr schon sehr angebracht… Mehr