Der Grüne Boris Palmer kündigt den Konsens auf, dass man nicht aussprechen darf, dass wir überfordert sind, dass es Grenzen der Belastbarkeit gibt.
Keine Sonntagsrede, keine Akademieveranstaltung, kein grundsätzlicher Leitartikel, in denen nicht unsere Streitkultur gerühmt würde, die Notwendigkeit des offenen Diskurses, das Recht zum freien Austausch von Argument und Gegenargument.
Streit ist Wesen der Demokratie
Aus gutem Grund: genau das zeichnet eine offene demokratische Gesellschaft aus. Umso mehr fällt auf, dass ein Grünen-Politiker, der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, beim Debattenthema Nummer 1, der Flüchtlingskrise, das Fehlen einer offenen Diskussion beklagt. „Ich glaube, es gibt da ein Diskursverbot“, stellte er jetzt im Deutschlandfunk fest. Und weiter: „Es war Konsens, dass man das nicht aussprechen darf, dass wir überfordert sind. Es gibt ein Tabu, was die Grenzen der Belastbarkeit angeht, und das muss aufhören.“
Palmer steht mit seiner Position innerhalb der eigenen Partei auf einsamem Posten. Doch entspricht seine Feststellung der Wirklichkeit. Die jüngste „Allensbach“-Umfrage ergab, dass 43 Prozent der Bevölkerung den Eindruck haben, „dass man in Deutschland seine Meinung zur Flüchtlingssituation nicht frei äußern darf und sehr vorsichtig sein muss, was man sagt.“ Dazu passt, dass knapp die Hälfte der Deutschen die Berichterstattung der Medien über die Flüchtlingskrise für „einseitig“ halten und nur ein knappes Drittel für „ausgewogen“.
Dass der faktisch unkontrollierte Zustrom von Menschen aus aller Welt – Asylbewerber, Bürgerkriegsflüchtlinge, Armutsmigranten – dieses Land verändern wird, kann niemand bestreiten. Fragt sich nur wie? Ob die so große Zahl der Neuankömmlinge in so kurzer Zeit für Deutschland tatsächlich eine Riesenchance bedeutet, wie Schönredner behaupten, ist zu bezweifeln.
„Dann ist das nicht mehr mein Land“
Doch eine gravierende Veränderung ist schon jetzt festzustellen: das vom Grünen-Politiker Palmer kritisierte Diskursverbot. Natürlich ist das kein Verbot im wörtlichen Sinn: Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung besteht unverändert fort. Wer es freilich in Anspruch nimmt, um vor den Folgen unserer Politik der fast völlig offenen Grenzen zu warnen, wird in den meisten Medien entweder totgeschwiegen oder in die ganz rechte Ecke gestellt, von den „Shitstorms“ im Internet ganz zu schweigen.
Das aktuelle Diskursverbot ist Ausfluss jener von unseren Gutmenschen geforderten und beförderten „Political Correctness“. Doch ausgerechnet Angela Merkel hat mit ihrer „Dann-ist-das-nicht-mein-Land“-Rhetorik die Einstellung befördert, wer den faktischen unbegrenzten Zuzug von zu einem hohen Prozentsatz nicht ausgebildeten Menschen aus anderen Kulturen skeptisch betrachte, stelle sich sozusagen gegen das weltoffene und freundliche Deutschland.
Es ist geradezu grotesk: Dieses Land steht vor den wohl größten Umwälzungen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Doch die tonangebende politisch-publizistische Kaste will den Menschen einreden, diesen bevorstehenden Wandel dürfe man zwar begrüßen, aber keinesfalls kritisch diskutieren. Dabei brauchten wir gerade in dieser Situation dringend eine breite Diskussion, wieviel wir von diesem Land, seiner Kultur und seinen Werten verteidigen und erhalten wollen, und wie wir das, wenn überhaupt, schaffen können – wie das „neue“ Deutschland aussehen soll. Im „alten“ Deutschland durfte darüber leidenschaftlich diskutiert und heftig gestritten werden.
Leben wir jetzt etwa schon in einem anderen Land – mit Willkommenskultur und Diskursverbot?
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