Baltimore zeigt, wie verletzlich kritische Infrastruktur ist

In Baltimore rammt ein Schiff eine Brücke. Die bricht zusammen und stürzt ins Wasser. Das Unglück zeigt, wie schnell mit Angriffen auf kritische Punkte ein Land beeinträchtigt werden kann. Umso erstaunlicher ist, wie wenig die zuständige Innenministerin die Sicherheit von See- und Luftfahrt interessiert.

IMAGO / ZUMA Wire
Die Francis Scott Key Bridge in Baltimore (im US-Bundesstaat Maryland) stürzte ein, nachdem ein Containerschiff gegen eine Stützsäule prallte, 26. März 2024

Wahre Horrorbilder mitten in der vergangenen Nacht aus dem amerikanischen Baltimore: Ein Schiff kracht gegen den Pfeiler einer Brücke, die bricht wie eine Streichholzkonstruktion zusammen und stürzt in das Wasser.

So wie es aussieht, fiel auf dem Containerschiff »Dali« mehrfach der Strom aus. Wie in sozialen Medien verbreitete Videos zeigen, erloschen die Lichter auf dem Schiff kurzzeitig, gingen dann nach 10 Sekunden wieder an. Währenddessen trieb das Schiff offensichtlich antriebslos weiter. Aus dem Schornstein quoll dicker Rauch, Zeichen dafür, dass die Maschine auf volle Kraft gestellt wurde.

Kurz darauf fiel wieder der Strom aus, das Schiff wurde dunkel, um kurz darauf wieder hell erleuchtet zu erscheinen. Doch jetzt war die »Dali« bereits kurz vor dem Brückenpfeiler – zu spät für Ausweichmanöver. Weitere 10 Sekunden später krachte der Schiffsgigant gegen einen Pfeiler der Francis Scott Key Bridge. Die 2,6 Kilometer lange Fachwerkträger-Brücke klappte wie ein Kartenhaus zusammen. Sie riss Autos und offensichtlich Arbeiter, die mit Wartungsarbeiten beschäftigt waren, in die Tiefe des eiskalten Wassers des Patapsco-Flusses.

Die Brücke war zwar mit sogenannten Schiffsabweisern geschützt, die eigentlich einen Aufprall verhindern sollen, doch die konnten gegen den Containerriesen nichts ausrichten. Die »Dali« gehört mit einer Kapazität von knapp 10.000 Containern noch nicht einmal zu den größten Containerriesen, die 24.000 Container transportieren können. Der Gouverneur hat den Notstand ausgerufen.

Damit dürfte einer der wichtigsten Containerhäfen in den USA erst einmal unzugänglich sein. Das ist der bedeutendste Hafen für den Umschlag von Automobilen, ist der zweitgrößte Kohleexporthafen und – für Deutschland besonders entscheidend – wichtiger Exporthafen für verflüssigtes Erdgas, LNG.

Die Besatzung der »Dali« hatte offenbar Probleme mit der Schiffstechnik. Man stelle sich vor, einer der Ozeanriesen bekommt auf den engen Schifffahrtswegen durch die Nordsee Maschinenprobleme und driftet antriebslos in die dicht an dicht stehenden Anlagen der Windindustrie in der Nordsee. Eine Gefahr, die früher beim zuständigen Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie gesehen wurde. Dennoch stehen Windparks mittlerweile beängstigend dicht auf der Nordsee. Durch die führen die weltweit mit am meisten befahrenen Wasserstraßen. Der Schiffsverkehr dort ähnelt der A3 bei Köln im Feierabendverkehr.

Der Deutsche Nautische Verein erklärte einst, dass der Manövrier-, Ausweich- und Notankerraum in den Korridoren, die der Schifffahrt nach Bebauung mit den Windenergieanlagen verbleiben, eingeschränkt ist. Eine Seekarte der Nordsee sieht mit dicht gespickten Windradanlagen aus wie der Parcours eines Hindernisrennens. Es ist also nicht viel Fantasie notwendig, um sich auszumalen, was geschieht, wenn ein antriebslos gewordener Öltanker in die Anlagen der Windindustrie im Wattenmeer driftet.

Erstaunlich, wie wenig die derzeitige Innenministerin die Sicherheit von See- und Luftfahrt sowohl gegen Anschläge als auch Unfälle interessiert. Deutschland müsste die Initiative der EU zum Schutz der europäischen kritischen Infrastruktur umsetzen. Nichts geschieht. Im Gegenteil. Wie die jüngsten Einbrüche von Klimaextremisten auf kritische Flughafen-Infrastruktur in Berlin, München, Düsseldorf und Sylt zeigen, stehen Flughafenanlagen offen wie Scheunentore. Lediglich Reisende werden bis auf die Unterhosen gefilzt.

Das jüngste Unglück in Baltimore zeigt, wie schnell mit ein paar Vorfällen an kritischen Punkten ein Land stark beeinträchtigt werden kann. Sollte die Schiffszufahrt nach Hamburg blockiert werden, wären Antwerpen und Rotterdam nicht in der Lage, den Ausfall zu kompensieren. Und zum Blockieren eines Hafens muss nicht notwendigerweise eine Brücke einstürzen.

Beängstigend, dass die Sicherheit vor Terroranschlägen und die Redundanz kritischer Systeme kaum eine Rolle spielen. Kein Wunder, gilt CO2 doch als die größte Gefahr, die einem Land wie Deutschland drohte.

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Kommentare ( 20 )

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Innere Unruhe
7 Monate her

Um sich zu verteidigen, muss man die Existenz von Feiden annehmen, zumindestens theoretisch. Damit hat DE ein Problem, denn alle Menschen sind wie die Deutschen – schätzen deutsche Infrastruktur. Verteidigung macht nur Sinn, wenn dahinter die Existenz von potentiellen GEfahren anerkannt wird. Dann fährt man die Sicherheit hoch. Wozu brauche ich einen Schloss, wenn ich die Existenz von Dieben und Einbrechern ablehne? Wozu Fahrräder abschließen und Reisediebstahlversicherung abschließen? Dem allen liegt die Idee zugrunde, jemand könnte meins haben wollen und könnte versuchen, es zu entwenden oder zu schädigen. Aber irgendwie nimmt man an, dass niemand deutsche Infrastruktur schädigen will…. Warum… Mehr

Axel Fachtan
7 Monate her

„Dennoch stehen Windparks mittlerweile beängstigend dicht auf der Nordsee.“
Wo ist das Problem ? Wenn dort ein Schiff reinrauscht, zahlt die Versicherung. Und die haben ja auch keine nuklearen Brennstäbe verschlucht, diese Windräder.
Manche sind doch noch nicht mal an das Stromnetz angeschlossen , oder ? Also: was soll´s ?

tschonwehn
7 Monate her

„Wie die jüngsten Einbrüche von Klimaextremisten auf kritische Flughafen-Infrastruktur in Berlin, München, Düsseldorf und Sylt zeigen, stehen Flughafenanlagen offen wie Scheunentore.“
Wirklich?
Reden wir nicht um den heißen Brei herum: weder hätte auch nur ein Hamas-Mitglied israelischen Boden betreten, noch ein „Aktivist“ es geschafft, einen Flughafen zu betreten, wenn nicht die Wachen (auf Anweisung von oben) weggeschaut hätten.

HKep
7 Monate her

„wäre Hamburg blockiert…“ Das sollte kein Problem sein, da der Umschlag im HH-Hafen sowieso um 25% zurückgegangen ist und es Ausweichhäfen wie Wilhelmshaven, Bremerhaven und notfalls Cuxhaven gibt. Rotterdam und Antwerpen könnten auch alleine diese Situation beherrschen, die Frage ist nur bei allen Ausweichhäfen, ob die dahinterliegende Infrastruktur so eine Situation auffangen kann.

Monostatos
7 Monate her

In einer Netflixserie fuhr ein riesiges Schiff direkt auf den Strand zu. Und in einer anderen Netflixserie entgleiste ein endlos langer Zug mit hochtoxischen Chemikalien. Auch das hat mittlerweile stattgefunden. Vermutlich muss man Verschwörungstheoretiker sein, wenn einem derartige „Zufälle“ ausfallen. Ist Netflix (auch) dazu da, seine Konsumenten schon einmal an außergewöhnliche Begebenheiten zu gewöhnen?!?

mileiisteinanderernamefuermeloni
7 Monate her

Interessant ist das Video. Es war mitten in der Nacht. Die Kamera ist optimal ausgerichtet, wackelt nicht. Auf die Entfernung nur mit angebautem Stativ möglich. Weitere, spätere Videos vom Unfallort mit dem Containerschiff und der zerstörten Brücke alle verwackelt. Ja, diese Videos sind alle von Passanten oder Schaulustigen. Doch das optimale (Beleuchtung, Zentrierung, Winkel, Zeitpunkt, Schnitt) Video vom „Unfall“? Wer hat das gemacht? Und warum? Konnte derjenige nicht schlafen und filmt aus Langeweile Containerschiffe mit Stativ?
(Ist ja noch spannender als die Videobilder von einer Mondlandung)

non sequitur
7 Monate her

Auch wenn es für normale Binnenländer schwer vorstellbar sein mag, gibt es Schiffsverrückte, die Shipspotting mit professionelster Aufnahmetechnik selbst bei schlimmstem Schietwetter oder mitten in der Nacht betreiben. Auf YT gibt es mehrere Kanäle, die das ganze Schiffahrtsgeschehen im Hamburger Hafen und auf der Elbe im Video und auf Photos festhalten. Ein, zwei dieser Kanäle veranstalten sogar regelmäßige Live Streams mit z.T. über tausend Zuschauern beim Ein- oder Auslaufen von Kreuzfahrern oder Erstanläufen eines Schiffs der z.Z. größten Containerschiffsklasse (sog. ULCC – Ultra Large Container Carrier). Solche Prominenz hatte die DALI in Baltimore ganz bestimmt nicht, aber wie gesagt, im… Mehr

Last edited 7 Monate her by non sequitur
Mausi
7 Monate her

„Deutschland müsste die Initiative der EU zum Schutz der europäischen kritischen Infrastruktur umsetzen.“ „Initiativen“ werden also unterschiedlich umgesetzt. Wen wundert’s. Diese scheint nicht in das deutsche Gesamtkonzept zu passen. Die „Prioritäten“ liegen bei uns auf anderen Zielen.
Bei welchen Initiativen hinkt D hinterher, welche sind umgesetzt und welche sogar strenger umgesetzt, als von einer „Initiative“ gefordert?

Last edited 7 Monate her by Mausi
Or
7 Monate her

„Erstaunlich, wie wenig die derzeitige Innenministerin die Sicherheit von See- und Luftfahrt sowohl gegen Anschläge als auch Unfälle interessiert.“

Überhaupt nicht erstaunlich. Einer Faeser ist ihr Job einfach sch…egal, sie interessiert sich für die innere Sicherheit überhaupt nicht.
Die hat nur ihre persönliche Vendetta, ihren ominösen „Kampf gegen Rechts“ im Kopf.
Deswegen wirkt sie auch so entspannt.

Arminius
7 Monate her

Die haben offenbar versucht mit der Maschine auf voll zurück die Kollosion zu verhindern.
Das funktioniert aber so nicht.
Das Ruder ist dann wirkungslos.
Durch den Radeffekt dreht das Schiff weg, in diesem Fall nach Steuerbord.
Und damit voll auf den Pfeiler.
Dieser Fehler hat schon die Titanic gekostet.

ketzerlehrling
7 Monate her

Das war ein ganz böser Unfall. Merkwürdigerweise war das Schiff, bevor es auf den Brückenpfeiler krachte, dunkel. Offenbar fiel der Strom aus und der Kahn war manövrierunfähig. Für diejenigen, die in das Wasser gestürzt sind, ist wohl beten angesagt. Wenn man aus der Höhe in das kalte Wasser fällt, ist das mehr als übel für die Gesundheit.