Der Kripochef von Braunschweig fürchtet die Sammelunterkunft als neue Heimstätte für Einbrecher oder kleine Drogendealer. Das Thema ist nun Abschiebung. Aber ob da Katrin Göring-Eckardts „Mikrokredit“ der richtige Ausreiseanreiz ist, bleibt fraglich.
Wie schwierig Zukunftsprognosen sind, mag ein prominentes Beispiel aus Braunschweig zeigen. Prominent deshalb, weil die niedersächsische Stadt an der Oker zum Thema Flüchtlinge und illegale Einwanderung immer wieder für überregionale Schlagzeilen sorgte. So auch durch einen couragiert auftretenden Polizeichef, der schon im August 2015 eine Sonderkommission „Soko Asyl“ mit zunächst 16 Beamten gründete mit dem alleinigen Auftrag, der Kriminalität von Asylantragstellern Herr zu werden. Damals war das die erste Einrichtung dieser Art in Deutschland.
Ulf Küch nahm seit Gründung seiner Soko in den großen Talkshows Platz und veröffentlichte ein 224 Seiten umfassendes Buch „Soko Asyl“ im renommierten RIVA-Verlag. Für die Presse ein gefundenes Fressen: Die WELT und andere titelten damals Headlines wie „Ein Kripochef packt aus.“ Anfang 2016 erklärte er gegenüber der Presse in einer Art Fazit: „Die Sorge war unberechtigt. (…) Bei den Flüchtlingen, die nach Deutschland eingereist sind, ist der Anteil von Kriminellen prozentual nicht höher als der Anteil von Kriminellen in der deutschen Bevölkerung.“
Nun gut, der Unterschied zwischen prozentualer und quantitativer Kriminalität ist mittlerweile hinreichend besprochen und auch die Dehnbarkeit von Statistiken in beide Richtungen belegt. Interessanter waren hier sowieso die Aussagen der direkt Betroffenen vor Ort einschließlich der Asylbewerber selbst, die von unhaltbaren Zuständen in der Sammelunterkunft berichten, die zeitweilig mit bis zu 4.000 Personen belegt war, wo regulär keine 1.000 Platz gefunden hätten.
Wir sind dann mal da …
Eine regelrechte Menschenkarawane zog damals zwölf Stunden am Tag durchs beschauliche Wohnviertel hin zu den Supermärkten inklusive eines neugegründeten Aldi, der gleich neben Penny und Edeka seine Waren anbot. Man kann es sich ausrechnen: Knapp einhundertfünfzig Euro Taschengeld mal viertausend entspricht der theoretischen Kaufkraft von 600.000 Euro monatlich. Legt man zugrunde, dass so eine Filiale im Durchschnitt jährlich 4,65 Millionen Euro erwirtschaftet, dann lohnt sich so ein neuer Standort an so einem subventionierten Brennpunkt vielfach.
Direkte Anwohner berichteten damals von wiederholten Einbrüchen in ihre Eigenheime, kaum einer sei verschont geblieben. Andere eröffneten eine Begegnungsstätte, der nun sogar eine Halbtagsstelle vom Rat der Stadt zugebilligt wurde. Es bewegt sich also etwas in beide Richtungen: Die Bürger sind hier in ihrer Haltung zur Masseneinwanderung nicht weniger gespalten als das ganze Land. Im Braunschweiger Stadtteil Kralenriede richtete die Polizei vor den Supermärkten einen wöchentlichen Polizei-Infopoint ein, der auch rege frequentiert wurde.
Wir sind dann mal weg …
Die Situation im Stadtteil hat sich in den letzten Monaten beruhigt. Die Karawane bleibt aus, auch die Busse werden nicht mehr in der gleichen Häufigkeit genutzt, was auch daran liegen mag, dass man die Freifahrten für Asylbewerber neuerdings ersatzlos gestrichen hat. Geduldete oder anerkannte Asylbewerber werden dezentral untergebracht und verteilt. Aktuell befinden sich unter tausend Asylbewerber im Aufnahmelager. Ende 2015 bis Anfang 2016 waren geprägt vom Chaos der Nichtbewältigung. Statements aus der Zeit relativieren sich heute in einem ähnlichen Maße, wie auch die Bundeskanzlerin bemüht ist, die ihrigen zu relativieren.
[inner_post Nun, da alles wieder in Ordnung kommen soll – wir Deutschen können so etwas ja gut – kommen allerdings auch immer mehr Versäumnisse und eklatante Missstände des vergangenen Jahres ans Licht. In Braunschweig war das zunächst der Verdacht eines großangelegten Sozialbetruges in Millionenhöhe, in den über 300 Asylbewerber vornehmlich aus dem Sudan verwickelt gewesen sein sollen. Ein Betrugsversuch, bei dem der Verdacht besteht, dass er obendrein noch von der Behörde selbst unter den Tisch gekehrt werden sollte. Küch empörte sich im Januar dieses Jahres dahin gehend zu Recht: „Die Polizei selbst hätte das ja gar nicht mitbekommen. Wir haben zwar die SoKo ZErm (politisch korrekter neuer Name der bisherigen Soko Asyl) hier in Braunschweig, die sich mit Straftaten befasst, aber was innerhalb der Mauern der LAB passiert, was im Bereich der Unterstützungszahlungen und solchen Sachen passiert, das wissen wir ja gar nicht und da haben wir auch keinen Zugriff drauf. Da sind wir drauf angewiesen, dass uns die Ausländer- und Sozialbehörden Informationen geben, damit wir Strafverfahren einleiten können.“
Wir sind wieder zurück …
Die Zeit heilt aber nicht alle Wunden, sie zeigt viel öfter auch welche auf. Eine aktuelle Meldung über besagte Braunschweiger Landesaufnahmebehörde geht so: „Ich habe den Verdacht, dass Braunschweig zu einem Sammelbecken für abgelehnte und zum Teil straffällig gewordene Asylbewerber wird – da müssen wir aufpassen.“ Wer hat‘s gesagt? Ulf Küch gegenüber der Neuen Braunschweiger Zeitung. Schlimmer noch: Der erfahrene Kriminalist sieht die Landesaufnahmebehörde dabei als Treffpunkt für Menschen, die wenig zu verlieren haben und sich „auf niedrigem Niveau“ außerhalb der Legalität bewegen: „… als Einbrecher oder kleine Drogendealer.“
Küch stellt weiter fest, es sei ein allgemeiner Wandel zu beobachten, seit kaum noch Flüchtlinge aus Kriegsgebieten kämen. Also ein Wandel hin zu einer erhöhten Kriminalisierung, wenn man den Polizeichef richtig liest. Aber es gibt auch tröstliche Worte: Die Zahl der Fälle sei mit der rückgehenden Belegung der Sammelunterkunft um fast ein Drittel gesunken. Dafür allerdings braucht es keinen Taschenrechner: Wenn die Anzahl der Personen von 4.000 auf unter tausend sinkt, dann ist doch der Rückgang der Fälle um ein Drittel in Wahrheit eine eklatante prozentuale Steigerung.
Auch Küch verweist – wie am Beispiel Köln – auf die Problem-Klientel ansässiger Ausländer gegenüber Neuankömmlingen. Hilfreich? Nein, denn was uns das nun im Umkehrschluss sagt, erscheint kaum beruhigender. Denn das hieße ja nichts anderes, als dass mit zunehmender Verweildauer zuverlässig die Kriminalität ansteigt, wie nun für Braunschweig befürchtet wird. Und das vornehmlich von abgelehnten Asylbewerbern, die zügig abzuschieben man offensichtlich nach wie vor nicht in der Lage ist – zum Leidwesen der Einsatzkräfte der Polizei ebenso, wie der Anwohner. Bedrohlich erscheint also der Blick in die Zukunft.
Petitesse am Rande: Wenn Ulf Küch gegenüber der Zeitung davon berichtet, dass die Ladendiebstähle in Braunschweig-Kralenriede drastisch zurückgegangen seien, dann liest sich das zunächst positiv. Wenn man aber hört, dass mindestens einer der beiden Märkte solche Diebstähle zwischenzeitlich überhaupt nicht mehr zur Anzeige bringt, weil sich der Aufwand nicht lohne, dann ist das auf eine ganz andere Weise „drastisch“ zu nennen.
Positiv bleibt zu vermerken, dass die Gesamtkriminalität in Braunschweig rückläufig ist. Die Polizei macht also ihre Arbeit hier besonders gut und in alle Richtungen. No-Go-Areas gäbe es hier nicht, erklärt Küch. Eine weitere Braunschweiger Baustelle sei übrigens der Enkeltrick. 670.000 Euro hätten Trickbetrüger, die sich als Verwandte ausgaben, 2016 bereits erbeutet. Küch dazu: „In diesem Jahr werden wir locker in den siebenstelligen Bereich kommen.“ Die Bevölkerungsentwicklung mit einer wachsenden Zahl älterer und dementer Menschen sei ein „Eldorado“ für die Täter. Küch: „Unsere Eltern und Großeltern werden regelrecht ausgeplündert.“
Wir sind viel zu alt …
Damit allerdings sind wir dann wieder bei einem altbekannten Problem und kruden grünen Lösungsvorschlägen: Gegen die Überalterung bekommen wir Menschen geschenkt, wie beispielsweise Katrin Göring-Eckardt erklärte, Menschen mit samt ihren Wünschen, Sorgen und Nöten. Menschen, die sich auch in unseren Sozialsystemen wohlfühlen sollen. Oder eben Menschen, denen gegenüber man Verfahren beschleunigen muss, will man sie sich nicht in einer alternativlosen Warteschleife in einer Sammelunterkunft zu Kriminellen regelrecht erziehen.
Die abgelehnten und kriminell gewordenen Asylbewerber von denen Küch spricht, werden offensichtlich nicht mehr dezentral untergebracht. Andernorts fordert die Polizei bereits Abschiebegefängnisse und beispielsweise am Hamburger Flughafen soll ein Ausreisegewahrsam eingerichtet werden, was harmloser klingt, aber sicher ebenfalls vergittert sein wird. Aber: „Die Einrichtung bietet Platz für bis zu 20 Menschen. Fünf der Plätze stehen Schleswig-Holstein zur Verfügung.“
Also geht es zunächst wieder zurück in die Massenunterkunft. Denn kaum jemand wird zügig abgeschoben. Man verharrt also bleibeperspektivlos ohne echte Tätigkeit. Was sagt Katrin Göring-Eckard dazu? „Wir müssen stärker auf freiwillige Rückführungen setzen, dann ist die Zustimmung der Heimatstaaten nicht mehr entscheidend. Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, müssen motiviert werden, aus freien Stücken zurückzukehren.“ Diese Leute solle man mit einem „Mikrokredit“ nach Hause schicken um sich zu Hause eine Existenz aufbauen zu können.
Ah ja, wir sollen also Migranten Geld geben, damit sie freiwillig gehen. Zuwanderer, die zuvor mitunter viel Geld für ihre Flucht an Schlepper bezahlt haben, die also bereits eine Perspektive (zu Hause eine Existenz aufbauen) in die Waagschale für die nächste größere geworfen haben. Was für ein merkwürdiger Kreislauf des Elends und der kompletten Hilflosigkeit ist das eigentlich?
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