In einem geharnischten Beschwerdebrief an Bärbel Bas verbittet sich der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, dass Vizepräsidentin Özoguz den Vorsitz führen solle, wenn der Bundestag über Antisemitismus und den Schutz jüdischen Lebens berät.
Rücktritte sind selten geworden im Deutschland der Ampelregierung. Wer in stoischer Beharrlichkeit an seinem Posten klebt, hat gute Chancen, selbst größere Skandale aussitzen zu können. Das musste auch die CDU/CSU-Fraktion des Bundestags hinnehmen: Als Aydan Özoguz, immerhin Vizepräsidentin des Bundestags, einen israelfeindlichen Tweet bejahend aufgegriffen und geteilt hatte, war die Empörung bei der Union groß. „Wir möchten uns von einer solchen Vizepräsidentin nicht vertreten lassen“, stellte Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, damals klar. Auch Rücktrittsforderungen wurden laut, und man beantragte eine Sondersitzung des Ältestenrats. Während dieser Aussprache entschuldigte sich die Politikerin zwar, zog aber keine weiteren Konsequenzen.
Zu allem Überfluss hätte Özoguz am morgigen Donnerstag im Plenum den Vorsitz führen sollen – ausgerechnet während der Beratungen zum fraktionsübergreifenden Antrag „Nie wieder ist jetzt – Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“, der kurz vor dem Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November die Bedrohungen für jüdisches Leben in Deutschland in den Fokus rückt.
Das ließ sich die Union wiederum nicht unwidersprochen bieten: Thorsten Frei richtete klare Worte an die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Sie solle dafür Sorge tragen, dass Özoguz den Beratungen nicht vorsitze. Diese habe sich durch ihr Verhalten „völlig disqualifiziert“, so Frei unumwunden und in aller Schärfe in einem Brief an Bas, der auf X veröffentlicht wurde.
Aus den Reihen der Fraktion heißt es nun, dass Bas der Beschwerde stattgegeben habe: Özoguz solle, anders als geplant, nicht den Vorsitz innehaben.
Seit dem grausamen Terror-Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sehen wir in Deutschland Judenhass und israelbezogenen Antisemitismus auf einem seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Niveau. (…) Die Entwicklung seit dem 7. Oktober 2023 ist sowohl auf einen zunehmend offenen und gewalttätigen Antisemitismus in rechtsextremistischen und islamistischen Milieus als auch auf einen relativierenden Umgang und vermehrt israelbezogenen und links-antiimperialistischen Antisemitismus zurückzuführen.
In den vergangenen Monaten ist nicht zuletzt das erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus deutlich geworden, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert, in denen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit, auch aufgrund islamistischer und antiisraelischer staatlicher Indoktrination, verbreitet sind.
Wie Özoguz sich zu diesem Antrag positioniert, wäre demnach eine wichtige Frage, um bewerten zu können, wie authentisch ihre Entschuldigung ist, und ob ihre Haltung dem entspricht, was gemäß deutscher Staatsräson und gemäß der Verantwortung, die aus der deutschen Geschichte entspringt, einer Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags zukommt.
Die deutlichen Worte Freis sind durchaus zu begrüßen: Aber so wenig linker und muslimischer Antisemitismus verschwinden, wenn man sie nicht thematisiert, löst sich Özoguz’ Positionierung auf, indem ihr der Vorsitz über Beratungen über Antisemitismus entzogen wird. Letztlich ist es nicht mehr als eine kosmetische Maßnahme, die ausgerechnet die Chuzpe der Politikerin kaschiert.
Weitaus wirksamer wäre, wenn sich Özoguz tatkräftig gegen muslimisch oder links motivierten Judenhass einsetzen würde. Das könnte wahrscheinlich selbst die immer noch ungehalten unversöhnliche Unionsfraktion besänftigen.
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