Annalena Baerbocks Absage an die Marktwirtschaft und Deutschland

Annalena Baerbocks Ansagen zur Außen- und Wirtschaftspolitik (eigentlich Klimapolitik) sind kein Aufbruch, sondern ein Abschied. Der Pakt zwischen Staat und Industrie, den sie vorschlägt, würde Deutschland dem Ende der Marktwirtschaft noch näher bringen.

IMAGO/photothek

Eigentlich braucht man, die Rede von Annalena Baerbock nicht zu kommentieren, schließlich wird gerade von Benedikt Brechtken auf Twitter Folgendes kolportiert: „Alle Grünen außer Baerbock: „Oh, es läuft so toll, natürlich haben wir Gegenwind erwartet, wir sind aber erst am Anfang des Wahlkampfs und werden gewinnen. Wir stehen alle hinter Annalena!“ Baerbock selbst: „Scheiße“.“

Damit wäre eigentlich alles gesagt. Neues hat Baerbock nämlich nicht geliefert – und besonders gut abgeliefert hat sie das Altbekannte auch nicht. Sie hat brav und holprig das Programm der Grünen abgearbeitet und den Zuhörer an besonnten und heimeligen Erinnerungen aus ihrem reichen Leben teilhaben lassen. Vor allem war es eine Rede an die eigene Partei, eine Motivations- und Selbstvergewisserungsrede – und die hundert neu eingetretenen Parteimitglieder wussten, worauf es ankommt, und erfüllten ihren Klassenauftrag sogar über. Baerbock hätte auch 40 Minuten schweigen können – der Applaus wäre dennoch laut und trotzig aufgebrandet, vielleicht hätten die Grünbewegten dann auch durchapplaudiert. 

Baerbock selbst: "Scheiße"

— Benedikt Brechtken (@ben_brechtken) June 12, 2021

Annalena Baerbock wurde mit 98,5 % der Stimmen als Kanzlerkandidatin der Grünen bestätigt, das Ergebnis wurde dann doch nicht ganz nordkoreanisch. Dass ihr ein fulminanter Versprecher unterlief, als sie über die bösen Feinde zur Attacke reiten wollte, und sie dabei über die „liberalen Feinde“ sprach, kann man auch als Freudschen Versprecher verstehen, den sie dann korrigierte, es ging natürlich um die Feinde der liberalen Welt. Nun ja. Mit der Freiheit haben es die Grünen nicht. 

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Als Annalena Baerbock über die Außenpolitik sprach, entstand nur der Eindruck von Inkompetenz und Moralgroßmannssucht. Deutsche Außenpolitik muss für die Grünen eine europäische Außenpolitik sein, vor allem muss sie eins sein: neu, sie muss die Werte der Grünen in Europa verstärken und in die Welt tragen. Begreifen die Grünen Außenpolitik als ideologische Okkupation? Für die Grünen soll die Außenpolitik offenbar ein Mittel werden, um die große Transformation in Europa und in der Welt durchzusetzen, schließlich können die Grünen, wie Baerbock meint, nur Deutschland erneuern, wenn ihr Aufbruch ein europäischer ist. Hört man Baerbock zu, kommt einem die Paraphrase eines alten Verses in den Sinn: Am grünen Wesen / soll die Welt genesen. 

Doch „über all dem steht die große Aufgabe unserer Zeit, das Abwenden der Klimakrise.“ Deshalb kommt Baerbock auf den absurden Gedanken, der jeden Bundeshaushalt zerstören würde: „Wir schlagen der deutschen Industrie einen Pakt vor. Es geht um eine verbindliche Verabredung, dass der Staat den Unternehmen die Kosten ausgleicht, die sie zusätzlich noch erbringen müssen, wenn sie klimaneutral werden wollen – Made in Germany.“ Da käme dann einiges zusammen, beispielsweise die Kosten der Umstellung der Autoindustrie von der Produktion von Verbrennungsmotoren zur E-Mobilität. Natürlich werden deutsche Autofirmen weiter Verbrennungsmotoren produzieren – nur eben in China. Es sagt einiges über die Kanzlertauglichkeit der grünen Kandidatin aus, wenn sie in der gleichen Rede sich zurecht beklagt, dass China sich in beängstigender Dimension in Europa und auch in Deutschland eingekauft hat, und ihr die kognitive Dissonanz nicht auffällt: Sie treibt doch im gleichen Atemzug deutsche Firmen ins Ausland und eben auch nach China, und offenbar kommt ihr dabei auch nicht der Gedanke, dass die staatlich finanzierte E-Mobilität nebenbei ein Konjunkturprogramm für China darstellt, das sich die „Kobolde“, die Schürfrechte für die zur Batterie-Produktion notwendigen Rohstoffe in Afrika gesichert hat. Wenn der deutschen Industrie tatsächlich die Kosten ausgeglichen werden, die sie zusätzlich noch erbringen müssen, wenn sie klimaneutral werden will, dann frisst das den Staatshaushalt auf. Denn es gibt ja nicht nur die Autoindustrie, sondern auch einige andere Branchen, die „klimaneutral“ werden müssen. 

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Anderseits hebelt ein Pakt zwischen Großindustrie und Staat vollständig den Markt aus. Man muss es so deutlich sagen, nach diesem Pakt, der sehr an die Vorstellungen in den siebziger Jahren vom Stamokap (Staatsmonopolistischen Kapitalismus) erinnert, gibt es keinen freien Mark mehr, keine soziale Marktwirtschaft mehr, es bedeutet die wirtschaftliche Vervollkommnung der grünen Gemeinwohldiktatur, in der der grüne Staat der Wirtschaft die Richtungen vorgibt, getreu dem Stalin-Wort: „Wenn die Richtung stimmt, bestimmen die Kader alles.“ Und in der Art der Utopisten ruft Annalena Baerbock aus, dass die Märkte und Produkte der Zukunft klimaneutral seien und träumt dann wie Robert Habeck den Traum vom klimagerechten Wohlstand, der in der Realität statt „Wohlstand für alle“ „Armut für alle“ bringen wird. Nebenbei: China wird bis 2060 nicht klimaneutral sein. Von welchem Markt redet Annalena Baerbock, vom Biomarkt um die Ecke?

Die moralische Außenpolitik à la Baerbock wird Deutschland nicht weniger schaden, als die Wirtschaftspolitik. Deutschland wird außenpolitisch zum Spielball, es wird am moralischen Nasenring durch die Arena der Weltpolitik geführt und dafür auch noch bezahlen. 

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Nebenbei erteilt Annalena Baerbock der deutschen Kultur, der deutschen Geschichte, den deutschen Traditionen eine Absage, indem sie das Land zu einer Sammelbüchse ihrer Einwanderungswünsche macht, denn Deutschland ist für sie nicht Goethe, Schiller, Planck, Einstein, sondern „das Beste aus aller Welt“.  Und dass würde sie auch werden, wenn sie Kanzlerin würde, eine Allerweltskanzlerin. Doch wie Frankreich einen französischen Präsidenten benötigt, braucht Deutschland einen deutschen Kanzler. Annalena Baerbock mag Kanzlerin werden, doch eben keine Kanzlerin der Deutschen, sondern die Kanzlerin des Besten aus aller Welt. Das ganze klingt – nebenbei gesagt – eher nach einer Pralinenschachtel als nach Politik.

In ihrer Rede meint sie, dass die Grünen nun den Wahlkampf ihres Leben vor sich hätten, sie seien gut gerüstet und hätten sich auf die Machtübernahme vierzig Jahre vorbereitet. Nur sind sie währenddessen nicht erwachsen geworden. Ihre Lebenswelt ist das Drama des Kindes, das (zu Unrecht) für begabt gehalten wird. Ein alter Satz sagt, der Dilettant greift immer nach dem Höchsten, ohne das Geringste zu vollbringen. 

Wie oft habe ich es geschrieben und in Podiumsdiskussionen gesagt, dass der Hauptgegner für die CDU die Grünen sind. Annalena Baerbock hat das nun bestätigt, indem sie die CDU zum Gegner im Duell um die Macht erklärt, nicht die FDP, wie Christian Lindner schmollend begreifen muss, sondern die CDU.

Die FDP sehen die Grünen nicht als ebenbürtig an, die finden sich, wenn sie gebraucht werden, ohnehin dazu. Baerbock beendet ihre Rede mit dem Aufruf: „Erstmals seit Jahrzehnten liegt echter Wechsel in der Luft. Jetzt ist der Moment, unser Land zu erneuern. Und alles ist drin.“ Wenn die Grünen allerdings an die Macht kommen, dann ist nicht alles drin, sondern alles hin. 


 

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