Amtseid? Ein mehrfach irreführender Begriff.

Dass es sich bei diesem "Eid" juristisch um ein simples Versprechen, nicht mehr, allerdings auch nicht weniger handelt, wissen die Pfarrerstöchter schon lange.

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Immer wieder werfen Bürger im Internet Merkel das vor, was Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück ihr einst auch schon vorhielten, den Bruch des Amtseides. Durchaus verbreitet ist auch die Vorstellung von Bürgern, Merkel könne einmal wegen dieses Eidbruches vor Gericht gestellt werden, weil sie schwor, „dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde“.

Das es sich bei diesem „Eid“ juristisch um ein simples Versprechen, nicht mehr, allerdings auch nicht weniger handelt, hatte Günther Stohmann (Gründungsmitglied der FDP, dann Mitglied der SPD) in einem langen Abtausch mit Staatsanwaltschaften und Politikern herausgefunden, nachdem seine Klageversuche gegen Helmut Kohl und andere Amtseid-Brecher gescheitert waren. Tina Hildebrandt hat das im SPIEGEL 44/2000 für die Nachwelt festgehalten:

«Für Günther Stohmann, den der Briefwechsel mit dem Amtsschimmel „den Rest meiner politischen Überzeugung gekostet hat“, gibt es nur eine logische Konsequenz: „Wenn der Amtseid ohnehin nur leeres Geschwätz und ein billiges Schauspiel ist – warum schaffen wir ihn dann nicht gleich ab?“»

Dass der Amtseid trotz juristischer Meineids-Untauglichkeit durchaus wirksam sein kann, daran erinnert Reinhard Müller heute in der FAZ. Als Merkel 2005 einen verfassungswidrigen, weil die Maastricht-Kriterien verletzenden Haushalt vorlegen wollte, stieß sie mit Horst Köhler auf den letzten Bundespräsidenten, der sein Amt ernst nahm. Köhler machte Merkel laut FAZ bei einem Abendessen klar, dass er nicht nur kein verfassungswidriges Haushaltsgesetz unterschreiben, sondern auch niemanden zur Kanzlerwahl vorschlagen würde, der einen Verfassungsbruch ankündige. Merkel gab klein bei – wie immer wenn etwas ihren Kanzlerstuhl gefährdet. Was zeigt, was ein Bundespräsident kann, wenn er denn will.

Der Amtseid ist juristisch kein Eid, Bundespräsidenten tun, was Merkel will, und nicht umgekehrt, aber es gibt noch einen Grund, der den Amtseid gegenstandslos macht. Helmut Berschin hat ihn in seiner Analyse des „Koalitionsvertrages“ – Deutschland = „Land der Menschen“ beschrieben:

«Am 4. August 1914, zu Beginn des Ersten Weltkriegs, erklärte Kaiser Wilhelm
II. vor dem Reichstag: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Deutsche„. Ein Jahrhundert später kennen CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag keine Deutschen mehr, sondern nur Menschen

Wenn es kein deutsches Volk mehr gibt, wird der Amtseid, Schaden von ihm zu wenden, gegenstandslos. Wie man im Beitragsbild oben sehen kann, wird auch im Außenbild das Papier namens Koalitionsvertrag so präsentiert, als würde auf dieses Protokoll von Parteifunktionären geschworen.

Die Frage von Günther Stohmann ist aktueller denn je: „Wenn der Amtseid ohnehin nur leeres Geschwätz und ein billiges Schauspiel ist – warum schaffen wir ihn dann nicht gleich ab?“

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Kommentare ( 56 )

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STEFAN HIller
6 Jahre her

Was stellt Deutschland eigentlich noch dar? Wenn ein Amtseid nicht bindend ist, was ich nicht glaube, dann ist die Judikative des Landes hoffnungslos verloren. Ein Amtseid ist durchaus bindend, die Volksvertreter samt ihren hörigen Anwälten und Richtern verhelfen ihnen lediglich dazu, nicht zur Verantwortung gezogen werden zu können. In unserem Staat, unserer Gesellschaft wird doch Recht schon längst bis zu Undenklichkeit gebrochen oder verletzt. Je nach dem wem es nützt. Der kleine Mann wird zur Verantwortung gezogen und Politiker bzw. Vermögende werden mit Samthandschuhen angefasst. Beispiele hierfür gibt es genügend. In der Politik gilt kein Recht solange es der Politik… Mehr

Tramino
6 Jahre her

Dass der Amtseid zum leeren Geschwätz verkommen ist, symbolisiert den generellen Verfall des Rechtsstaates. Nicht das Recht setzt den Rahmen für den politisch Handelnden, sondern die subjektiven Vorstellungen der Mächtigen von dem, was sie für richtig halten. Das vermeintlich moralisch Gute ist der neue Maßstab. Macht korrumpiert wie wir wissen und hier wird es uns vorgeführt.

ausgewanderter
6 Jahre her

„dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren(wem soll denn das deutsche Volk mehr nutzen?), Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen(gegen?) jedermann üben werde“

Dinge die eigentlich nie auffallen, weil sie so positiv klingen nicht wahr?

Alf
6 Jahre her

Die Groko und die große Kanzlerin (Knopp) wurde vom deutschen Volk abgewählt und das deutsche Volk muß zuschauen, wie sich die abgewählte Groko und die abgewählte gK nach 6 Monaten wiederwählt. Das Schauspiel fängt lange vor dem Amtseid an.
Falsch.
Das deutsche Volk heißt nur noch Volk. „Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt“. Sind ja auch unsere Volksvertreter. Deutschland heißt „Land“ und Deutscher im Sinne des Grundgesetzes (Art 116 I GG) ist jeder.
Paßt doch.

Matthias Losert
6 Jahre her

Die Frage von Günther Stohmann ist aktueller denn je: „Wenn der Amtseid ohnehin nur leeres Geschwätz und ein billiges Schauspiel ist – warum schaffen wir ihn dann nicht gleich ab?“

Womöglich vertrauen Regierte den Regierenden immernoch, dass Sie mit keinem leeren Geschwätz und keinem billigen Schauspiel abgespeist werden!
Dabei vergessen Regierte, dass Sie gegenüber ihren Regierenden ein hierarisches Verhältnis eingehen und kein einklagbares Rechtsverhältnis.
Dieses fehlende Rechtsverhältnis wäre es Wert über eine Verfassungsänderung nachzudenken.

WTF
6 Jahre her

Amtseid – Wie wird das eigentlich in anderen Ländern gehandhabt?

Alexander Berg
6 Jahre her

Der von dem Bundeskanzler und seinen Ministern zu leistende Amtseid, Artikel 64 in Verbindung mit Artikel 56 des Grundgesetzes ist ein politisches Versprechen und kein Eid in einem gerichtlichen Verfahren. Er wird von der Strafvorschrift des § 154 des Strafgesetzbuches nicht erfasst.

Klaus Weber
6 Jahre her

Als Nicht-Jurist kommt es mir aber doch wie ein Bruch auch des bloßen Versprechens vor, wenn man z.B. behauptet, es sei nicht möglich, Grenzen zu schützen.

Karl Napf
6 Jahre her

Die FAZ meldet berechtigterweise: ‚Merkel legt den Amtseid ab‘, vergisst aber zu erwaehnen: ‚wie einen mantel an der Garderobe‘.

Denn ‚ Schaden vom Volke abzuhalten‘ wuerde zu ihrem sofortigen Ruecktritt, Aufloesung der CDU und Ausweisung vom 1Mio Sozialleistungserschleicher fuehren.

Homeland-Bewohner
6 Jahre her

Ich wäre dafür, das der Amtseid rechtsverbindlich wird und der Amtsinhaber bei groben Verfehlungen aus dem Amt entfernt und persönlich haftbar gemacht wird.