Allensbach-Umfrage: Verlorenes Vertrauen in den Staat

Wenn es nur die schwache Regierung wäre! Immer mehr Deutsche glauben nicht mehr an die Handlungsfähigkeit ihres Staat und das politische System. Aber statt Erneuerungswillen herrschen nur Ratlosigkeit und Lethargie.

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Vor wenigen Tagen noch hatten zwei FAZ-Redakteure die Deutschen aufgefordert: „Lacht doch mal!“. Es sei doch eigentlich alles prima, so war der Tenor: „Ob Kriminalität, Flüchtlinge oder Wohlstand: Die Lage entwickelt sich besser, als es in der Debatte den Eindruck macht.“ Als Gründe zum Jammern fanden die beiden vor allem die vielen Staus und, „dass Polkappen und Gletscher schmelzen“, erwähnenswert. 

Weniger wundern werden sich die beiden Redakteure vielleicht, wenn sie jetzt in ihrer eigenen Zeitung den Bericht von Renate Köcher, der Chefin des Allensbach-Instituts lesen. Das Befinden der Deutschen ist nämlich nicht wegen nervender Staus von tiefer Sorge geprägt, sondern aufgrund eines tiefgreifenden Vertrauensverlusts. „Die Erosion des Vertrauens geht … weit über die Koalitionsparteien hinaus“, schreibt Köcher. „In der laufenden Legislaturperiode ist … das Zutrauen in die Regierungsleistung und auch die politische Stabilität geradezu erdrutschartig verfallen.“ Die Unzufriedenheit mit der Regierung unterminiere „auch das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates insgesamt“. Auf die Frage: „Haben wir in Deutschland einen starken, handlungsfähigen Staat oder eher einen schwachen Staat?“, antworteten nur 45 Prozent der Befragten „eher stark“ oder „sehr stark“, ebenso viele aber „eher schwach“ oder „sehr schwach“.

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Nun interpretiert Köcher diesen durchaus beängstigenden Befund in ihrem Beitrag allein als Folge des zerstrittenen Erscheinungsbildes der Regierungskoalition. Die konkreten, sachpolitischen Ursachen dafür, dass fast die Hälfte der Bürger ihren Staat für schwach halten, und dass die „politische Stabilität“ nur noch von 57 Prozent und das „politische System“ sogar nur noch von 51 Prozent der Befragten für eine Stärke Deutschlands gehalten wird (2015 waren es noch 81 und 62 Prozent), wurden nicht erfragt (oder werden nicht veröffentlicht). 

Was ist wohl zwischen 2015 und heute geschehen? Die Kanzlerin selbst und die mit ihr Regierenden haben schließlich immer wieder gezeigt, dass sie letztlich am Lauf der Ereignisse und Entwicklungen im Bereich der Migration wenig bis nichts ändern können oder wollen. Und auch die große Veränderung, die die Regierenden aktiv antreiben, in erster Linie die sogenannte Energiewende, ist nicht gerade dazu angetan, den Bürgern den Glauben an eine rosige Zukunft zu vermitteln – oder daran, dass die Regierenden wirklich wissen, was sie tun. 

Charakteristisch für die gegenwärtige Lage ist, dass der Zerfall des Vertrauens in die Regierenden und das gesamte politische System nicht belebend wirkt und zur Suche nach politischer Erneuerung führt, sondern im Gegenteil ganz offensichtlich lähmt. Die Deutschen wissen nicht weiter: Sie trauen der Regierung nichts mehr zu, aber sie erwarten keinen Bruch der Koalition und wünschen sich auch nicht einmal Neuwahlen (nur 31 Prozent, allein die AfD-Anhänger sind mehrheitlich dafür). Die Deutschen nehmen eine Regierung hin, die sie für wenig handlungsfähig halten. „Noch am ehesten“, so Köcher, „wird den Unionsparteien zugetraut, dass sie überzeugende Konzepte entwickeln.“ Aber von echtem Zutrauen kann da keine Rede sein. 2015 waren noch 30 Prozent der Befragten von der Zukunftskompetenz der Union überzeugt, jetzt noch 17 Prozent. 

Die Allensbach-Studie offenbart eine paralysierte Gesellschaft, die das Vertrauen in den eigenen Staat verloren hat, aber keine großen Ideen für dessen Erneuerung hat. Eine befangene und verunsicherte Gesellschaft, die spürt und weiß, dass alte Gewissheiten nicht mehr gelten und höchst ungemütliche Zeiten voller Gefahren auf sie zukommen. Die aber angesichts dieser beängstigenden Aussichten, das Staatsschiff nicht sturmfest macht, sondern in Starre verfällt. 

Ob, und wenn ja durch was, sich diese Starre lösen wird, dürfte die entscheidende politische Frage für die absehbare Zukunft sein.

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Kommentare ( 142 )

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akimo
3 Jahre her

Unglaublich. Das war schon VOR der Pandemie!

Aljoschu
4 Jahre her

Wenn das der Steini Steinmeier erfährt, dass wir so unzufrieden sind, irgendwie, mit der Regierung, dann wird der aber richtig böse werden. Das kann ich euch sagen. Das mag der gar nicht. Solange wir die Füße unter seinen Tisch stellen, haben wir gefälligst das meckern sein zu lassen.

Tee Al
4 Jahre her

Solange der deutschen Mainstreamkartoffel nicht bewusst ist, dass es keinen Unterschied zwischen rechts und links gibt, beides tatsächlich einem totalitären Faschismus entspringt, wird sich hier nichts bewegen. Es empfiehlt sich wirklich mal in Youtube „Antifa Part 1“ und folgende Parts anzusehen. Glenn Beck stellt hier eindrucksvoll dar, was das Basisproblem dieses hauptsächlich in Europa stattfindenden Denkens ist, welches inzwischen auch nach Amerika exportiert wurde. Er stellt in der Quintessenz dar, dass die eigentliche Auseinandersetzung zwischen Anarchie und Totalitarismus liegen sollte, der eigentliche Grund für die Bill of Rights in den USA. Leider gibt es solche Beiträge nicht auf Deutsch, weshalb… Mehr

Chloepfts
4 Jahre her

Wenn im Wesentlichen alle Blockflötenparteien dieser bemerkenswerten, real verinnerlichten Ideologie folgen, dann muß es einen Grundkonsens innerhalb dieser, sog. staatstragenden Parteien geben. Der wird bezeichnet als demokratisch, werteorientiert, freiheitlich-demokratisch. Spätestens hier, also im Jahre 2019, ist bei einer gewissen Wachheit und Offenheit, also ohne ideologische Selbstverstümmelung, erkennbar, daß mit diesen Begriffen eher Schindluder betrieben wird. Die Blockflötenparteien gebrauchen inflationär diese Begriffe und senken dazu die Hemmschwelle für fragwürdiges Handeln, wie Gesinnungsschnüffeln, Gesinnungsblockwarte, das strafende, offenbar Demokratie schützend sollende, halblegal agierende Antifa-Batallion. Der Grundkonsens heute scheint ein destruktiver zu sein; nach und nach dämmert es dem Wähler, daß dieser Konsens nicht… Mehr

Uwe Obst
4 Jahre her

„Nun interpretiert Köcher diesen durchaus beängstigenden Befund in ihrem Beitrag allein als Folge des zerstrittenen Erscheinungsbildes der Regierungskoalition.“
Das zerstrittene Erscheinungsbild der Regierungskoalition ist auch ein Mythos im deutschen staatstragenden Journalismus der letzten Jahre. In Wahrheit halten die Merkelkoalition sowie alle Blockparteien wie Pech und Schwefel zusammen, was jüngst die Landtagswahlen im Osten wieder deutlich gezeigt haben.

Wilhelm Mueller
4 Jahre her

Ich komme immer wieder auf das Bild „AM liegt wie eine Grabplatte auf diesem Land“. Den Rest besorgen die auf breiter Schleimspur kriechenden ör- und Mainstream“Journalisten“, die unterwürfigen Eliten aus Wirtschaft und Wissenschaft und die nur noch peinlichen Staatskirchen. Wir werden von bestenfalls mittelmäßigen Parteikadern ohne Verankerung in der Lebensrealität verwaltet. Und es wird immer deutlicher, dass es da wohl nur noch ein Ziel gibt: Machterhalt um jeden Preis, denn das Ende wird schrecklich sein!

Thorsten
4 Jahre her

Merkel wird die Groko mit den beiden „fuß-lahmen“ Parteien bis zum Ende der Wahlperiode schleppen.

Warum ich (oder andere wie die AfD) dann den Scherbenhaufen der Groko wegräumen und bezahlen soll, erschließt sich mir nicht. Solidarität einzufordern bedeutet für mich Verantwortung für Fehler zu übernehmen. Dann sollen die Willkommensklatscher doch mal ihre Bürgschaften bezahlen und die Aktivisten bei sich zuhause Platz machen…

Klaus Weber
5 Jahre her

„Narren führen Blinde!“ (William Shakespeare)

Dietmar Simons
5 Jahre her

Den „Staat“ gibt es nicht mehr, er hat sich nahezu aufgelöst. Es gibt nur noch den „Tiefen Staat“ der mit seinen „Assets“ in Politik Justiz, Medien und Religion immer hysterischer versucht die „Deutschland geht es gut“ Illusion am Leben zu erhalten.

Epouvantail du Neckar
4 Jahre her
Antworten an  Dietmar Simons

Inzwischen 15 Jahre IM „Erika“, die schafft das noch, wetten?

Martin L
5 Jahre her

Das kann stimmen oder auch nicht. Jedenfalls halte ich die Mehrzahl der Deutschen für Trottel.
Das besondere bei mir ist nicht, dass ich das Vertrauen in die Parteien, die Mainstream-Medien, die Gewerkschaften, den Verfassungsschutz, die Polizeiführungen, die Gerichte, … verloren habe, sondern das Vertrauen in die Wähler.

anita b.
3 Jahre her
Antworten an  Martin L

Die Mehrheit der Menschen ist dumm.
Es ist aber auch das gesonderte.

anita b.
3 Jahre her
Antworten an  Martin L

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