„Afrophobie“-Entschluss: am liebsten nicht darüber sprechen

In der letzten Bundestagsdebatte 2019 ging es um die moralische Überhöhung der Migration. Den konkreten Problemen wichen fast alle aus.

Abdulhamid Hosbas/Anadolu Agency via Getty Images

Die letzte Bundestagsdebatte des Jahres 2019 beschäftigten am Freitagnachmittag drei Themen, die medial und politisch ansonsten nur ein begrenztes Forum fanden: der Entschließung des EU-Parlamentes zur Bekämpfung der „Afrophobie“, die gerade beendete Globale Flüchtlingskonferenz in Genf und den 2018 auch von Deutschland mitbeschlossenen „Global Compact on Migration“.

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Der „Global Compact“, der Migration als grundsätzlich positiv beschreibt, wäre seinerzeit beinahe ohne Bundestagsdebatte von der Bundesregierung mitverabschiedet worden. Die Entschließung des EU-Parlaments gegen „Afrophobie“ vom März 2019 zu speziellen Rechten von „Menschen afrikanischer Herkunft“ – unter anderem werden auch darin „positiver Maßnahmen zur Förderung ihrer Rechte“ verlangt, aber auch „Teilhabe von Menschen afrikanischer Abstammung in Fernsehsendungen und anderen Medien“, war bisher ebenfalls nicht im Bundestags behandelt worden, und kam auch in den meisten deutschen Medien kaum vor.

Die AfD hatte die Bundestagsdebatte vom Freitag beantragt. Ihr Abgeordneter Martin Hebner wies darauf hin, dass Europäische Menschenrechtskonventionen und Grundgesetz schon allen Bürgern in der EU beziehungsweise Deutschland Grundrechte garantierten, und zwar „allen, unabhängig von ihrer Hautfarbe“. Der Beschluss des Europarlaments sei deshalb „grober Unfug“ und müsse vom Bundestag zurückgewiesen werden.

Die Formulierung spezieller Rechte in Verbindung mit einer Hautfarbe sieht nicht nur die AfD-Fraktion problematisch. Dagegen gibt es auch verfassungsrechtliche Bedenken (*).

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Hebner kritisierte auch den Globalen Flüchtlingsgipfel in Genf: an ihm hätten überwiegend NGOs und Politiker ohne Parlamentsauftrag teilgenommen – von deutscher Seite Außenminister Heiko Maas – und Fragen verhandelt, die eigentlich in die nationalen Parlamente gehörten. Maas hatte in Genf einen „Fünf-Punkte-Plan“ zu Migration von deutscher Seite vorgestellt, zu dem es weder einen Kabinetts- noch einen Bundestagsbeschluss gibt. Darin heißt es unter anderem: „Niemand wird dorthin zurückgeschickt, wo Tod und Verderben droht.“ Eine Abschiebung in Kriegsgebiete wird von internationalen und europäischen Regeln tatsächlich ausgeschlossen, auch eine Abschiebung von Personen, denen im Heimatland die Todesstrafe droht. „Verderben“ ist allerdings ein extrem weit gefasster Begriff. Da praktisch kein Asylsuchender aus einem Rechtsstaat westlicher Prägung nach Europa kommt, würde dieses Diktum auf einen generellen Abschiebungsverzicht hinauslaufen.

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Die Abgeordneten von Union, SPD und Grünen gingen auf die Afrophobie-Entschließung und deren Widersprüche kaum ein. Stattdessen bemühten sie die mittlerweile gängige Uminterpretation der Weihnachtsgeschichte als „Fluchtgeschichte“ (Fliliz Polat von den Grünen). Die Unionsabgeordnete Ursula Groden-Kranich erklärte in ihrer Rede, „inhaltlich“ habe Heiko Maas in Genf „dazu alles gesagt, dem kann ich mich nur anschließen.“ Zur gezielten Umsiedlung von „Flüchtlingen” nach Deutschland (Resettlement) meinte sie: „Mehr Resettlement-Plätze wären wünschenswert.“ Um schließlich festzustellen: „Maria und Josef waren Flüchtlinge“ (tatsächlich kehrten sie zu einer Steuerschätzung in Josefs Heimat zurück, sie flohen erst nach dem Kindermord von Bethlehem für kurze Zeit nach Ägypten). Die Afrophobie-Entschließung kommentierte die Unionspolitikerin nicht.

Auch der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci breitete vor dem Plenum seine Version der Weihnachtsgeschichte aus, bei der nicht klar war, ob er die biblische oder eine gegenwärtige Szenerie meinte: Hinter einem Paar, so Castellucci, „töten Mörder alle Kinder, die den falschen Glauben haben“. Das passt allerdings nicht auf dem Kindermord von Bethlehem, wie ihn die Bibel schildert: dort lässt Herodes die Kinder nicht aus Glaubensgründen umbringen, sondern zur Sicherung seiner Macht als Herrscher. Und vor welchen Mördern, die Menschen wegen ihres falschen Glaubens töten, sollten die überwiegend muslimischen Migranten der Gegenwart auf der Flucht sein, wenn sie nach Europa kommen?

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Auch Castellucci ging nicht auf die EU-Entschließung zur Afrophobie ein. Es scheint, dass die Mehrheit der Parteien sie am liebsten überhaupt nicht thematisieren würde. Das war schon beim „Global Compact on Migration“ der Fall. Erst meinte die Bundesregierung damals, er müsse überhaupt nicht im Parlament debattiert werden. Dann, als mehrere Medien, unter anderem TE, den Pakt aufgriffen, beschloss der Bundestag, ihn zu billigen, allerdings mit der Versicherung, er werde keine rechtlich bindende Wirkung in Deutschland entfalten. Immerhin fordert er praktisch unbegrenzten Zugang zu Sozialsystemen für Migranten und „sichere und legale“ Einwanderungswege.

Die rechtliche Wirkung des „Global Compact“ sah Filiz Polat von den Grünen am Freitag anders. In ihrer Rede forderte sie, dessen Inhalt „im Bundestag umzusetzen“. Dazu stehe ihre Fraktion bereit, und wolle „engagiert vorangehen“.


(*) Zu der Afrophobie-Entschließung des EU-Parlaments dokumentiert TE ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Ulrich Vosgerau.


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Kommentare ( 63 )

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lexrab
4 Jahre her

Forderung: „Teilhabe von Menschen afrikanischer Abstammung in Fernsehsendungen und anderen Medien“ Ja, da sind diese Menschen echt unterrepräsentiert. Oder wann trat in einem der unzähligen Krimis ein Afrikaner oder Flüchtling als Täter in Erscheinung. So was kommt lediglich bei xy-ungelöst vor.

hoho
4 Jahre her

So wie ich sehe hat jeder Bürger der EU eine Wahl jetzt. Er oder sie kann sich entscheiden Rasse. Geschlecht usw als Hauptentscheidungsfaktor zu nehmen also in Prinzip ein Rassist und Sexist zu werden oder ein Nazi (und Klimaleugner) .
Da ein Begriff Nazi ziemlich verschwommen geworden ist und mit den echten Nazis auch nichts mehr zu tun hat sollte es doch einfach sein. Wäre nur nicht die Furcht von Repressalien….

Peter Blum
4 Jahre her

Ohne Nationalstaaten und damit Grenzen gibt es keine Möglichkeit einer Flucht vor Despotien oder der Bildung politischer Alternativen.

No Borders No Nations ist der Schlachtruf von Totalitaristen.

usalloch
4 Jahre her

Herr Maaßen zu Gast bei Lanz hatte schon Recht. Noch hat der treue Staatsbürger nur die Faust in der Tasche. Ein Grund ist die noch fehlende Info was er noch zu erwarten hat, und welche Belastungen dank der Laienschauspieler auf ihn zukommen wird. Wenn die Medien bald das 100 jährige Jubiläum der goldenen Zwanziger- Jahre feiern werden, sollten die, welche noch bei klaren Verstand sind, daran denken ,das diese Jahre die Geburtsjahre des „1000 jährigen Reiches „waren.

country boy
4 Jahre her
Antworten an  usalloch

Die Debatte hat doch gezeigt, dass unsere Parteien und ihre Vertreter im Bundestag einfach nicht lernfähig und -willig sind. Sie redeten daher, als ob 2015 ff überhaupt nicht stattgefunden hätte. Eine derartige Lernresistenz kann sich jedoch nur ausbilden, wenn die Medien als 4. Gewalt und damit als Korrektiv wegfallen.

Rosa Kafko
4 Jahre her

Es ist Rassismus wenn man auf Grund seiner weißen Hautfarbe „positiv“ diskriminiert wird, denn jede Diskriminierung auf Grund einer Hautfarbe ist Rassismus.

elly
4 Jahre her

nach Islamophobie, jetzt Afrophobie, Rassismus, Sexismus, Diskriminierung, dann noch ein gute KiTa Gesetz etc. etc. Goebbels hätte sein wahre Freude. Alleine die Erfindung und Verwendung dieser Begriffe ist eine Totschlagsargumentation und beweist nur das diktatorische Verständnis der Politiker, mehr noch der NGOs.

country boy
4 Jahre her

Warum haben sich die Abgeordneten von der CDU eigentlich bei der Rede von Gottfried Curio umgedreht? Und bei der Rede von Filiz Polat nicht?

Rosa Kafko
4 Jahre her
Antworten an  country boy

Sie wollten der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen ;o)

country boy
4 Jahre her
Antworten an  Rosa Kafko

Oder es nervt sie, wenn jemand den Bevölkerungsaustausch stört.

herbert b.
4 Jahre her

Daß niemand wegen seines Geschlechts, seiner Rasse,
seines Glaubens u.a. benachteiligt werden darf, regelt
Art. 3 (3) GG. In unserer Werteordnung ist das klar und
wird auch nicht in Frage gestellt. Der Text sagt aber auch,
daß niemand deswegen b e v o r z u g t werden darf.
Donnerwetter, das ist wohl total unter den Tisch gefallen.
Fördern, fördern, was das Zeug hält. Ein einziger Wettlauf
um die goldene Albert-Schweitzer-Ehrennadel. Und an den
Mitteln fehlt es ja sowieso nicht, kochen die Finanztöpfe
doch geradezu über – wie im Märchen (war es nicht das
vom Hirsebrei?). Alles fließt.

Paul Pimmel - der Herr des Kosmos
4 Jahre her

In einem Wort zusammengefasst…
Herrenrasse.

Bummi
4 Jahre her

Das Ergebnis der feuchten Träume der Politik von NGO und Leuten wie Maas kann man am Eingang jedes Weihnachtsmarktes und der Kriminalstatistik sehen.