AfD wird „Prüffall“ für den Verfassungsschutz

Die AfD wird laut Medienberichten zum „Prüffall“ für den Verfassungsschutz. Damit wird eine gefährliche Spirale der Eskalation in Gang gesetzt. Das berühmte„Hase-Video“ aus Chemnitz spielt dabei eine wichtige Rolle, auch wenn sich die Realität ganz anders darstellt.

Tobias Schwarz/AFP/Getty Images
Thomas Haldenwang (R), leader of Germany's domestic intelligence agency (Bundesamt fuer Verfassungsschutz), and BfV expert Joachim Seeger give a press conference on January 15, 2019 in Berlin

Die AfD wird vom Bundesamt für Bundesverfassungsschutz  (BfV)  bundesweit als  „Prüffall” für eine mögliche Beobachtung eingestuft. Das bestätigte die Behörde nach Medienberichten. Eine solche Prüfung gibt es bereits bei Gliederungen der Partei, der Nachwuchsorganisation „Jungen Alternative“ und der Anhängerschaft um den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke. Zwar ist eine Entscheidung über die Beobachtung damit noch nicht getroffen, aber ein erster Schritt genommen.

Zum „Prüffall” erklären die Verfassungsschützer Organisationen, die nicht eindeutig extremistisch sind, bei denen aber es aber Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen geben soll. Politiker von Grünen, FDP und SPD fordern schon länger eine Beobachtung auf verfassungsfeindliche Bestrebungen.

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) will bereits seit November 2018 prüfen lassen, inwieweit die AfD mit Rechtsradikalen zusammenarbeitet. „Die Hetzjagd von Chemnitz markiert einen Wendepunkt“, sagte Oppermann.  

Tatsächlich spielen die Vorgänge in Chemnitz eine wichtige Rolle dabei. Der Vorwurf der „Hetzjagd“, wie er auch von der Bundeskanzlerin erhoben wurde, kam nach dem berühmten „Hase-Video“ auf: In 19 Sekunden wird gezeigt, wie Teilnehmer eines Protestzuges gegen die Ermordung eines Einheimischen durch Asylbewerber angeblich Ausländer verfolgt haben. Nachdem der damalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen das Video öffentlich für fragwürdig eingestuft und vor linker „Desinformation“ gewarnt hatte, musste er zurücktreten. Damit war der Weg frei für eine härtere Gangart, die sein politisch eher gefügiger Nachfolger Thomas Haldenwang jetzt einleitet. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass das Video, auf das sich die Debatte stützt, in einem anderen Kontext zu sehen ist: Es kam zu Provokationen der bis dahin friedlichen Demonstranten durch Asylbewerber. Kathrin B., die das video aufgenommen hat, bestätigte TE per eidesstattlicher Erklärung: »Sie waren aggressiv auf uns zugekommen und hatten uns angepöbelt und wohl auch, aber eben schwer verständlich, ‚Verpisst euch‘ gerufen. So haben wir das in Erinnerung …«

»Dann kam es zu einem körperlichen Kontakt mit den beiden, wobei einem unserer Freunde der Inhalt eines Bierbechers über seine Kleidung und wohl auch ins Gesicht geschüttet wurde.« Weil Kathrin B. erschrocken »jetzt kracht’s aber« gedacht hatte, sei die Handy-Kamera angeschaltet worden.

Kathrin B. befürchtete, dass auch Thomas B. in Richtung der aggressiv auftretenden Migranten losstarten würde und rief ihm auf dem Video deutlich vernehmbar zu: »Hase, Du bleibst hier!«

Aber nicht mehr Fakten, sondern Meinungen über Fakten bestimmen Politik.

Dass das BfV jetzt den „Prüffall“ einläutet, setzt eine weitere Eskalation in Gang. Denn nun müssen Beamte prüfen, ob sie Hinweise für verfassungsfeidnliches Verhalten und Ideologie in der AfD finden. Die nächste Stufe ist dann die „Beobachtung“, auch mit Hilfe von Telefonüberwachung und eingeschleusten Agenten. Findet sich genügend Material, kann beim Bundesverfassungsgericht das Verbot beantragt werden.  

Bis dahin ist noch ein weiter Weg. Aber entscheidend ist, dass damit ein politischer Prozess in Gang gesetzt wurde. Denn selbstverständlich wird sich schon was finden lassen, das verfassungsfeindlich zu interpretieren ist – sonst müssten ja der Präsident und seine Mitarbeiter einen Rückzieher machen, den „Prüffall” wieder aufgeben. Die Schlagzeilen dazu und die Angriffe der Politik auf das nach dem Abgang von Maßen ohnehin waidwund geschossene Amt kann man sich vorstellen: Nach dem Fall von Maaßen geht dort die Angst um, ähnlich öffentlich hingerichtet zu werden. Die Ermittler ermitteln durchaus in eigener Sache und zur eigenen Existenzsicherung. Die AfD wiederum kämpft um den Ausschluss von offen rechtsradikalen Mitgliedern. Parteiausschlussverfahren sind aber sehr schwer durchzuführen – und so ist jeder Rechtsradikale in der AfD ein Beitrag zur ihrer Existenzgefährdung, der gerne genommen wird. Jeder Spruch, jede Bemerkung, jedes Schriftstück mit fragwürdigem Inhalt zählt.

Auch das Timing ist raffiniert gewählt.

Der „Prüffall“ hält die AfD vor der Europa-Wahl in den Negativ-Schlagzeilen. Wie viele Wähler werden sich dadurch davon abhalten lassen, dort ihr Kreuz zu machen?

Nach der Europawahl folgen wichtige Landtagswahlen in Ostdeutschland. Dort rangiert die AfD in den Umfragen in einer Spitzenposition und es muss alles getan werden, um zu verhindern, dass sie gar das Amt des Ministerpräsidenten in Sachsen beanspruchen könnte. Daher liegt es nahe, kurz vor den Wahlen den „Prüffall“ in „Beobachtung“ auszuweiten. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl zu der Entscheidung über den Prüffall: „Das ist ein erster Schritt, um verfassungsfeindlichen Tendenzen in der AfD ein Stoppschild zu setzen.“ Weitere werden also folgen.

Das bedeutet, dass Beamte, Richter und Soldaten die AfD verlassen müssen, weil für Staatsdiener das Treuegebot zur Verfassung gilt. Ihnen droht dann schlimmstenfalls die Entlassung aus dem Dienst. Alle anderen Mitglieder können sich auf eine Verschärfung der Stigmatisierung gefasst machen. Auf diese Art  könnte die AfD zurückgedrängt werden, vielleicht sogar auf das Niveau der NPD, die nu deshalb nicht mehr verboten werden konnte, weil zu viele Agenten des BfV als getarnte Mitglieder offenkundig an der Herstellung der dann verbotswirksamen Situation mitgewirkt hatten.

Aber kann der Plan aufgehen? Immerhin zählten bei der letzten Bundestagswahl 13,6% der abgegebenen Stimmen für die AfD. Sicherlich sind davon nur ein geringer Prozentsatz „Rechtsradikale“; die AfD greift ja weit in das Wählerreservoir der CDU ein und zieht viele Stimmen früherer SPD-Anhänger auf sich.

Davon werden sich durch die Aktion viele abschrecken lassen – aber der harte Kern der AfD-Anhänger wird eher zusammengeschweißt. Die Partei kann sich dann als Märtyrer inszenieren. Wer dann noch dabei bleibt, für den ist die weitere Radikalisierung geradezu programmiert. Statt das Land zu einen, wird also weiter der Keil hineingetrieben. Schon heute müssen AfD-Protagonisten damit rechnen, dass sie ihre Jobs verlieren, ihre Kinder in Kitas abgewiesen oder in der Schule gemobbt werden – mit freundlicher Unterstützung der Schulleitungen. Fußballstadien sollen ihnen verwehrt, Hotels für Parteitage verweigert, die Teilnahme an Veranstaltungen geheimdienstlich kontrolliert werden. Weiterhin dürfen sie allerdings GEZ-Gebühren zahlen auch für jene Sendungen, in denen der Verfall der demokratischen Kultur in Polen und Ungarn oder die totale Überwachung wie in China gegeißelt werden. Aber das ist natürlich etwas ganz anderes. 

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Kommentare ( 381 )

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381 Comments
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Teide
5 Jahre her

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Marie-Jeanne Decourroux
5 Jahre her

Es ist ja nur zu verständlich, dass die politische Oligarchie mitsamt ihrem Tross an opportunistischen Mitläufern (politischen »Wissenschaftlern«, »Rechtsextremismus-Forschern«, Ideolog*Innen und sonstigen Nutznießern – insbesondere in den Medien von ARD bis ZDF) um ihre Pfründe bangt.

Aber die hysterische Angst der Etablierten vor der stetig erstarkenden der AfD (nicht meine Partei, aber demokratisch gewählt!) ist zu offensichtlich, um dem nicht gar so dummen Bürger auf Dauer zu entgehen.

Panik ist ein Zeichen von Schwäche – und ein schlechter Ratgeber, auch und besonders in Zeiten des Wahlkampfs.

Brettenbacher
5 Jahre her

Wenn die AfD nicht ‚Ihre‘ Partei ist, in dem Sinne, daß Sie diese Partei nicht wählen, dann kann das, nach allem was sie oben über die“Oligarchie“ und ihren „Tross“ sagen, doch nur heißen, daß Sie garnicht wählen. Und das muß doch sehr unbefriedegend sein für Sie!

Franzl
5 Jahre her
Antworten an  Brettenbacher

Es gibt noch zig andere Parteien.

Silke Spaeth
5 Jahre her

Herr Oppermann liegt ganz richtig, wenn er sagt: „die Hetzjagd von Chemnitz markiert einen Wendepunkt.“. Von da an war der Punkt erreicht, wo klar war: Sie werden auf ihr eigenes Lügengebäude immer nochmal einen Stock drauf bauen müssen. Die Hetzjagden gab es nicht, aber weil man sie braucht lügt man sie sich her und rückt wider besseres Wissen nicht von den dreisten Lügen ab, sondern setzt immer noch eins drauf. Wo soll das hinführen?

Bummi
5 Jahre her

Herr Maaßen musste gefeuert werden weil er die Wahrheit zu Chemnitz sagte und nicht bereit war Wahlkampf für die Spd zu machen. Die steht im Osten in einigen BL bei 9 Prozent. Die sind fast am Ende. Das peinliche Maas** im Aussenministerium und ** Stegner und ** Sigi und ** Nahles sind bald völlig verschwunden. Ersetzt werden die durch die noch schlimmeren Grünen, vor allem im Westen.

BadnerLand
5 Jahre her

Wie passend, dass ich mich letzte Woche als Wahlhelferin eingetragen habe. Bin sehr gespannt auf den Ablauf, die Stimmung…und die Stimmen natürlich. Nicht, dass da wieder einige in dunklen Löchern verschwinden.

MarkusF
5 Jahre her

Erst mal sagt „Prüffall“ nichts aus. Der Verfassungsschutz verkündet das er prüfen will ob er prüfen soll. Ziel dieser Aussage ist es irgendwie Verfassungsschutz und AfD in Verbindung zu bringen.
Das sich Haldenwang zu dieser Aussage nötigen ließ zeigt nur was für einen schwachen Stand er gegenüber der Politik hat, und für die CDU die ihn zu diese Aussage nötigte ist es ein Armutszeugnis.

Wolff-Simon
5 Jahre her

Verfassungsfeindliche Bestrebungen auf Seiten der AfD? Wer ruft denn offen zur Gewalt gegenüber dem politischen Gegner auf? Mir ist kein AfD-Funktionsträger bekannt, der dies in der Vergangenheit öffentlich getan hat. Demgegenüber ist mir jedoch ein stellvertretender Parteivorsitzender der SPD bekannt, der Gewalt gegen „die neuen Nazis“ goutierte (Ralf Stegner). Ich rufe auch in Erinnerung, dass es die sogenannten Parteien „der Mitte“ sind, die linksextremistische Schlägertrupps (Antifa) aus Steuermitteln fördern und es mit klammheimlicher Freude wahrnehmen, wenn Mitglieder, Funktionsträger und Mandatsträger der AfD zusammengedroschen und ihr Eigentum beschädigt wird. Und welches Niveau pflegt eine alternative Gazette wie die TAZ, die offen… Mehr

Hans Wurst
5 Jahre her
Antworten an  Wolff-Simon

Das ist doch reine linke Logik: Da der antifaschistische Widerstand im dritten Reich die (letzte) Sternstunde der Linken in ihrer Geschichte war, stilisieren sie sich heute gern als ebenso mutige Widerstandskämpfer (Wie Wilhelm II sich gern als Großer Kurfürst oder Friedrich d. Große verkleidete). Und da der Feind nunmal nicht so gefährlich ist, wie dazumal, muß man ihn eben aufbauschen. Aufbauen wäre aber zu viel des Guten, da dann ja eine reale Gefahr von ihm ausginge. Und die CDU (fka Centrum), die die reale Bedrohung einer Einkesselung von links und rechts spürt, macht wiedermal den Papen, bloß diesmal in die… Mehr

Franzl
5 Jahre her

Zitat aus den Fachinformationen des BfV:“
……….Die Partei wird daher zunächst lediglich als Prüffall bearbeitet.
Dabei war auch entscheidend, dass die Partei in allen Landesparlamenten und im Bundestag vertreten ist, in ihrer aktiven politischen Rolle also der Wählerwille zum Ausdruck kommt…..“

Welches Bild hatte der Verfassungsschutzmitarbeiter vor Augen, als er das schrieb?

von Kullmann
5 Jahre her

Die Bundesregierung gibt Geld aus und leitet ihr Personal an, die AfD zu prüfen und damit (später mit geheimen Mitteln) einzuschränken.
Ebenso gibt die Bundesregierung Geld aus und leitet ihr schlagendes Personal (die Antifa) an, der AfD entgegenzutreten und sie mit offener Gewalt einzuschränken.

PMD
5 Jahre her

Ohne weiteren Kommentar:

Der schleswig‐holsteinische SPD‐Landesvorsitzende Ralf Stegner auf Twitter:

„Fakt bleibt, man muss Positionen und Personal der Rechtspopulisten attackieren,weil sie gestrig,intolerant, rechtsaußen und gefährlich sind!“
00:33 – 8. Mai 2016

„Wenn Herr Maaßen die Vorwürfe nicht bald entkräftet, wonach er die AFD-Führung vor seiner eigenen demokratisch legitimierten Institution, dem Verfassungsschutz, geschützt hat, sind personelle Konsequenzen unvermeidlich.“
08:18 – 9. Aug. 2018

„Die Rechtspopulisten von der AFD kommen endlich in den Fokus des Verfassungsschutzes. Dazu musste der unselige Herr Maaßen gehen, damit das passieren kann, was längst überfällig war.“
21:57 – 15. Jan. 2019