Ärger um die Wirtschaftspolitik: SPD, FDP und Grüne befinden sich in einer zähen Scheidung

Die Ampel ist besser als jeder Berg. Der hat nur einen Gipfel – SPD, FDP und Grüne gleich zwei. Zum gleichen Thema am gleichen Tag. Der Streit um die Wirtschaftspolitik ist typisch für das Scheitern der Bundesregierung. Obwohl die Lage ernst ist, wie nicht erst die geplante Schließung von drei VW-Werken in Deutschland zeigt.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Die welken Blätter liegen auf den Gehwegen Berlins. Ein romantischer Anblick. Aber auch ein Ausdruck eines immer schlechter funktionierenden Staates – denn eigentlich sollte die Stadt die Blätter entsorgen, doch die ist schon mit dem Entsorgen des zunehmenden Sperrmülls vollauf beschäftigt. Und so wie die Gehwege in der Hauptstadt ist auch die dort sitzende Bundesregierung ein Anblick des romantischen Verfalls.

Keine drei Jahre dauert nun die Ehe zwischen SPD, FDP und Grünen. Doch die Ampel ist schon so zerstritten wie ein Paar, das seit über 30 Jahren verheiratet ist. An der Wirtschaftspolitik zeigt sich das besonders deutlich. Für diesen Dienstag hat Olaf Scholz (SPD) zum Wirtschaftsgipfel eingeladen. Doch auf einem solchen Gipfel ist es einsam, vor allem weil der Kanzler nur die Vertreter der Hochindustrie empfangen will. Deswegen veranstaltet sein Finanzminister Christian Lindner (FDP) am gleichen Tag einen alternativen Gipfel, zu dem auch der Mittelstand willkommen ist. Nachdem diese beiden Termine bekannt wurden, hat Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne) nicht zum Gipfel, sondern zu einer Pressekonferenz eingeladen – auf der er sein eigenes, bis zu 500 Milliarden Euro schweres Konzept vorgestellt hat. Die Ampel ist wie ein Ehepaar, das in getrennten Autos zu einer Party kommt.

Das Vorgehen der drei Koalitionspartner ist bezeichnend und typisch. Nicht nur, weil sie aneinander vorbei und gegeneinander arbeiten. Sondern auch wegen der Inhalte: Olaf Scholz konzentriert sich ausschließlich auf die großen Konzerne und ignoriert den Mittelstand, der die Wirbelsäule des deutschen Wohlstands bildet. Wie immer scheitert der Kanzler zuerst und setzt dann auf Mehr von dem, was nicht funktioniert hat. Mit milliardenschweren Subventionen hat der Bund Investitionen, etwa in Chips-Fabriken angelockt. Diese Leuchttürme sollten den düsteren Niedergang der deutschen Wirtschaft überstrahlen. Doch die Gerüste sind noch während der Bauzeit zusammengebrochen. Nicht einmal für Milliarden Euro an Subventionen wollen die Unternehmen in Deutschland investieren – so sind die Großprojekte in Magdeburg und bei Saarlouis gescheitert.

Robert Habeck will das Geld mit der Gießkanne verteilen. Bis zu 500 Milliarden Euro an Subventionen rauswerfen, zehn Prozent auf jeden in Deutschland investierten Euro. Genauso viel Geld wie ein ganzer Jahresetat des Bundes mit all den Kosten für Armee, Soziales und Investitionen. Und wenn das Geld alle ist, will der „Wirtschaftsminister“ mal schauen, was „wir“ daraus gelernt haben. Lindner wiederum hat die richtigen Ideen, genügt sich aber selbst in Symbolpolitik und trägt am Ende alles mit, was SPD und Grünen aus ideologischen Gründen wollen.

SPD und Grüne wollen, dass der Bund die Kosten für die Entgelte des Stromnetzes übernimmt oder zumindest bezuschusst. Scholz möchte, dass Pflegerinnen, Müllmänner und Verkäuferinnen mit ihren Steuern die hohen Stromkosten von Konzernen der Schwerindustrie bezahlen – ungeachtet dessen, dass die Arbeitnehmer selbst kaum noch ihre eigenen, hohen Stromkosten finanzieren können. Habeck schlägt vor, dass der Bund die direkten Steuern auf Strom sowie die Mehrwertsteuer auf Strom senkt. Wenn sich die Koalitionspartner noch einigen, wird das Paket aus diesen Komponenten bestehen. Als Schleife schmückt dann noch eine FDP-Forderung nach Bürokratie-Abbau dieses Paket. Doch die wird so allgemein formuliert sein, das sie belanglos wie die FDP bleibt.

Doch das Wenn in „Wenn sich die Koalitionspartner noch einigen…“ gehört nicht nur am Satzanfang groß geschrieben. Denn dieses Wenn ist mittlerweile als Mauer undurchlässiger als die „Brandmauer“ gegen die AfD. Dass Scholz, Habeck und Lindner drei eigene Veranstaltungen zur Wirtschaftspolitik inszenieren, zeigt, dass sie längst im Wahlkampf sind. Auch, dass sie mehr gegen als mit ihren Partnern arbeiten. Der Kanzler wirft seinen Ministern vor, sie würden nur ein Schauspiel betreiben. Und er? Mit seinem Gipfel? Seine Berater möchten Scholz im Wahlkampf als den Seriösen inszenieren, der für ehrliche und sachorientierte Politik steht. Eine sportliche Aufgabe.

Wer täglich einen oder zwei Beiträge darüber schreiben muss, was in der Ampel alles nicht funktioniert, der hat ein Problem. Nicht mit der Suche. Sondern mit der Auswahl: die steigenden Beiträge für Pflege- und Krankenkasse, die dysfunktionale Bürokratie, die nicht verteidigungsfähige Armee, der von ausländischen Diensten abhängige Geheimdienst, das mangelhafte Netz an Straßen, Brücken oder Breitband-Empfang – ja nicht einmal ihr Lieblingsprojekt, die „Verkehrswende“ missglückt der Ampel. Die Züge fahren unpünktlich, die Kosten für die Tickets steigen überdurchschnittlich und der Ausbau des Schienennetzes läuft im Schneckentempo.

Drei Jahre hatte die Ampel bisher Zeit gehabt. Es gab Symbolpolitik wie das „Neun-Euro-Ticket“, die positive Presse brachten, aber die Probleme letztlich verschlimmert haben. Und vor allem häuften sich katastrophale Fehlentscheidungen: der Atomausstieg, die Erhöhung des Bürgergelds um 25 Prozent innerhalb eines Jahres und das Streichen von Sanktionen gegen Arbeitsunwillige, die Kriminalisierung gesetzestreuer Bürger, Angriffe auf die Meinungsfreiheit, die Weigerung, den Grenzschutz ernst zu nehmen und wenigstens die abzuschieben, die abschiebepflichtig sind oder tatsächliche Steuererhöhungen, etwa bei der Mehrwertsteuer und versteckte Steuererhöhungen wie bei der LKW-Maut oder der „CO2-Bepreisung“.

Die Ampel kam zusammen, weil sich das Land mit seiner Langzeitbeziehung Angela Merkel (CDU) auseinander gelebt hatte. Doch die Flitterwochen waren nur kurz. Euphorie kam fast nie auf. Eigentlich nur mit der Einführung des Neun-Euro-Tickets. Die Scheidung steht bevor. Entweder gehen SPD, FDP und Grüne freiwillig auseinander – oder der Wähler trennt sie. Derzeit stehen alle drei Parteien in Umfragen zusammen bei rund 30 Prozent, die FDP mit einem Bein in der außerparlamentarischen Opposition. Eine möglichst schnelle Scheidung wäre wohltuend – zumindest für die Kinder.

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Kommentare ( 14 )

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AndreasH
1 Stunde her

Jamaika wäre halt doch besser gewesen, Laschet locker ein besserer Kanzler als Scholz. Aber die Presse- und Söder-Kampagne hat ihm schwer geschadet.
Weshalb Söder gg. ihn gearbeitet hat ist klar. Die Linkspresse hat ihm übel genommen, dass er in seiner Zeit als NRW-Ministerpräsident ernsthaft abgeschoben hat. Das ist nicht im Sinne der Linken von SZ, SPON, Focus und wie sie alle heissen.

Zuschauer
1 Stunde her

Vor kurzem gab der indische Premierminister Modi bekannt, dass Deutschland die Zahl der Visa für indische Fachkräfte von 20.000 auf 90.000 erhöht hat. Die Ankündigung erfolgte nach einem Treffen von Bundeskanzler Scholz mit Modi in Neu-Delhi. In seiner Rede auf der18. Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft sagte Modi: „Wir haben einen Fahrplan für Viksit Bharat für die nächsten 25 Jahre aufgestellt“. Viksit Bharat, was so viel wie „entwickeltes Indien“ bedeutet, ist eine Initiative der indischen Regierung, die sicherstellen soll, dass Indien in naher Zukunft zu einer voll entwickelten Nation und einem globalen Produktionszentrum wird. Ich kann nicht erkennen, wie Deutschland davon… Mehr

Last edited 1 Stunde her by Zuschauer
Wilhelm Rommel
1 Stunde her

Wie ich allerdings vorhin in der WELTWOCHE las, schlägt die um das Staatsund Gemeinwohl zutiefst und rührend besorgte Schein-Opposition nun allen Ernstes den freundlichen Onkel aus Bellevue als ‚familientheratpeutischen Streitschlichter‘ vor: Der ‚Spalter‘ als ‚Brückenbauer‘ – wohl bekomm’s…

Michael Loehr
1 Stunde her

Wenn die Damen und Herren der Ampel auch nur ein bisschen Restanstand hätten, müssten sie das Scheitern der Ampel verkünden und zurücktreten, bevor Deutschland endgültig den Bach runter geht. Haben sie aber nicht. Und der Friederich sollte mal über die dümmliche Brandmauer nachdenken, sofern er noch ein bisschen Restverstand hat. Hat er aber auch nicht. So wird Deutschland in seinem dümmlichen Kampf gegen rechts gnadenlos versagen und setzt dabei unser aller Wohlstand auf´s Spiel.

Juergen Waldmann
1 Stunde her

Die Probleme werden aber nicht bei CDU/CSU , BSW , Grüne gelöst , wenn sie wirklich bei einer Neuwahl 2025 antreten ! Ohne die Einbeziehung der AfD werden keine grundlegende Probleme dauerhaft gelöst . Die Migration ist nur mit der einzigen Oposition in der BRD , der AfD , zu ein zu dämmen !

fatherted
2 Stunden her

Hört doch auf das Ende der Ampel zu postulieren….es wird langweilig….die Damen und Herren kleben an ihren Sesseln…..mit 15 bis 20 k im Monat will keiner auf sein Pöstchen verzichten….und die ganzen Annehmlichkeiten. Es wird weitergehen wie bisher….und es wird sich ziehen wie ein Kaugummi.

Andres
2 Stunden her

„…Wirtschaftspolitik…“
Ich bin nicht sicher, ob dieser Begriff taugt, für das, was der promovierte Philosoph und Kinderbuchautor da veranstaltet.

Last edited 2 Stunden her by Andres
Max und Moritz
2 Stunden her

Wenn Scholz die 10 Milliarden wenigstens in eine Chips-Fabrik von funny frisch investiert hätte, hätten wir alle wenigstens noch was davon gehabt.

Waldschrat
2 Stunden her

Das Foto spricht Bände. Chef Olaf taucht ab, Habeck scheint zu beten oder zu schlafen und Lindner daddelt auf dem Smartphone herum und prüft offenbar die Kurse seiner persönlichen Aktien. Was will man mehr von solchen Politikern erwarten, symptomatisch für die ganze verkorkste Politik.

Rob Roy
2 Stunden her

Da sie schon gesagt haben, dass Neuwahlen mindestens ein Jahr Vorlauf bräuchten, was natürlich Unsinn ist, wird es keine geben. Es „lohnt sich ja nicht mehr“, so ihre Haltung.
Auch möchte niemand seine Pfründe aufzugeben. Ein „einfacher“ Abgeordneter im Bundestag verdient in dem einen Jahr bis zur nächsten Wahl ja noch 180.000 Euro, davon etwa 50.000 steuerfrei, dazu noch 12.000 Euro als Trostpfllaster beim Ausscheiden.
Auf diese rund 200.000 Euro verzichten diejenigen, die nach Neuwahlen nicht mehr dabei wären, nur ungerne. Auch dies ist eine Haltung.